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Die Namen der beiden Herrn mußten jeweils eine
Wandlung durchmachen, der eine war als Detlef geboren und wurde
in Amerika zu Douglas, der andere mußte nur sein K mit einem
C vertauschen: Detlev Sierck alias Douglas Sirk und Kurt oder
Curt Siodmak. Beide waren sie deutsche Filmschaffende, die in
den dreißiger Jahren Deutschland verließen. Der Jude Siodmak
mußte 1933 fliehen, und Sirk kehrte 1937 trotz seiner Erfolge
als Regisseur von einer Italienreise nicht mehr zurück. Zwei
neue Buchveröffentlichungen geben Gelegenheit, mehr über ihr
Leben zu erfahren.
"ICH BIN KEIN AMERIKANER." sagt Douglas Sirk.
"Imitation of Life" heißt die Neuauflage eines von Jon Halliday
herausgegebenen Buches, das ein ausgedehntes, durch bisher
unveröffentlichte Passagen ergänztes Gespräch mit dem Sirk enthält.
Sirk, der in Hollywood vor allem durch tränenreiche Melodramen
erfolgreich war, erfuhr in den Siebziger Jahren eine späte
Würdigung, unter anderem durch Rainer Werner Fassbinder, der Sirk
einen großen Einfluß auf sein Werk bescheinigte. Ausgangspunkt
dieser Wiederentdeckung war eben dieses Interview-Buch von 1970, in
dem der Filmemacher ausführlich über seine Arbeit erzählt. Sirk,
Jahrgang 1897, gestorben 1987, aus Schleswig-Holstein stammender
Lehrerssohn, konnte schon zum Zeitpunkt seiner Emigration auf eine
stattliche Karriere bei Theater und Film zurückblicken. Als
Höhepunkt seiner Theaterlaufbahn nennt Sirk seine Inszenierung des
Stückes "Der Silbersee" von Georg Kaiser und Kurt Weill aus dem
Jahre 1933, das der Regisseur in seiner damaligen Position als
Oberspielleiter am Leipziger Theater trotz der Proteste der Nazis
auf die Bühne brachte, was ihm erheblichen Ärger einbrachte. Sirk
gibt dabei zu, die Nazis lange unterschätzt zu haben, und auch wenn
er von weniger bewegten Zeiten erzählt, etwa von seinen Jahren als
Top-Regisseur, der mit Rock-Hudson-Schnulzen die Kinos belieferte,
läßt er immer seinen poltischen Hintergrund durchscheinen. So
schildert Sirk in unbeirrbar differenzierter Art seine Erlebnisse
bei der bayrischen Räterepublik oder bei der Ausbreitung der Nazis,
sowie seine Begegnungen mit deutschen und amerikanischen
Kulturschaffenden, wobei er häufig Parallelen knüpft, die kaum ein
anderer wagen würde, wenn er etwa einem Sam-Fuller-Drehbuch
Ähnlichkeit zu Horvaths "Glaube, Liebe, Hoffnung" bescheinigt. "Ich
bin zur Tradition des amerikanischen Melodrams gekommen aus einer
Welt, die davon himmelweit entfernt war." Umso mehr überrascht
Sirk, ein hochgebildeter Intellektueller, wenn er die Melodramen
mit den Stücken von Euripides vergleicht, sowie mit seiner
Bewunderung für den amerikanischen Western und den konservativen
Filmemacher John Ford; John Waynes Filmgestalten werden dabei
kurzerhand mit Odysseus verglichen. Seine Distanz zu Amerika
markiert Sirk dennoch immer wieder auf's Neue. "Es gab mal eine
Zeit, in der ich Amerika heiß geliebt habe, eine Liebe, die aber
durch Krieg und Hiroshima erschüttert wurde und durch die Dinge,
die danach passierten." Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn hat er
Hollywood den Rücken gekehrt und ist in die Schweiz übergesiedelt.
Zweimal hat Sirk also seine Karriere unterbrochen und ein Land
verlassen, weil es ihm zu dumm wurde. Sein Bericht davon ist eine
Fundgrube für Kulturgeschichtler.
"WIR AMERIKANER" sagt Curt Siodmak.
1902 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Dresden geboren, ist
Siodmak nach Hitlers Machtergreifung geflohen und über diverse
europäische Zwischenstationen schließlich in die USA gelangt. Dort
hat er sich ziemlich rasch als Drehbuchautor etabliert, sein Bruder
Robert wurde gleichzeitig zum Starregisseur. Curt Siodmaks
Filmographie weist eine lange Reihe von B-Filmen auf, ganz
Pragmatiker hat er sich ohne allzu große Berührungsängste auf die
Mechanismen Hollywoods eingelassen und Ideen am Fließband
geliefert. Im ersten Teil seiner Biographie "Unter Wolfsmenschen",
der letztes Jahr erschien, beschrieb er noch sein Leben in der
alten Welt, wobei er einzelne Schlenzer zu späteren Begebenheiten
nicht vermeiden wollte. Der nun veröffentlichte zweite Teil mit dem
Untertitel "Amerika" widmet sich verstärkt seiner Karriere im
Hollywood-Business. Siodmak, mittlerweile 95 Jahre alt, ist ein
unterhaltsamer Erzähler, letztes Jahr waren er und seine Frau
Henrietta, mit der er nun bald siebzig Jahre zusammen ist, als
Gäste beim Münchner Filmmuseum geladen und vor den Vorführungen von
Filmen wie "The Invisible Man returns", "The Wolfman" oder "I
walked with a Zombie" gab Siodmak ein paar kurzweilige Geschichten
zum Besten. In Buchform sind diese Anekdoten auf die Dauer
leider nicht immer besonders erhellend. Siodmak behauptet von sich,
die Biographie geschrieben zu haben, um vor allem "meine eigenen
Fehlschläge zu verstehen, wobei ich versuche sie rückblickend zu
bewältigen". In Wahrheit mogelt er sich gerade darüber stets
kunstvoll hinweg. In weiten Teilen ist "Unter Wolfsmenschen" genau
jene Art Altstar-Biographie, die der Autor spöttisch schmäht.
Heiter bis geistreich quatscht er sich von Story zu Story, hakt
dabei noch die obligatorischen Begegnungen mit Marilyn Monroe und
Humphrey Bogart ab, und streut, ehe er's noch vergißt, ein paar
seiner Lebensweisheiten dazwischen. Manchmal versteigt er sich
dabei zu rätselhaft pauschalen Behauptungen über Welt und Weiber
wie "Eine Frau verfügt über ein inneres Gleichgewicht,", die
getrost als dämlich bezeichnet werden können. Erstaunlich ist, daß
dieses seltsam strukturierte Buch von einem Mann stammt, der
besonders für seine Drehbuchkonstruktionen bekannt war. Anders als
Sirk ist Siodmak eingestandenermaßen "kein politischer Mensch",
auch nur bedingt intellektuell, und scheint seine Filmarbeit nicht
besonders wichtig genommen zu haben. Sporadisch betont er daher die
Kraft und Unvergänglichkeit des gedruckten Wortes, "nicht jene
Sätze, die von Schauspielern oft schlecht artikuliert werden", im
Vergleich zu Regiearbeiten, und verweist mehrfach mit Stolz auf
seine Romanveröffentlichungen, doch warum er überhaupt so ein
Mitteilungsbedürfnis in sich trägt, teilt er uns nicht mit. "Unter
Wolfsmenschen" gibt zudem kaum Einblick in das Handwerk des
Drehbuchautors, funktioniert hauptsächlich als Sammelsurium von
spannenden, bitteren oder skurrilen Erinnerungen. Für Cineasten hat
da der sachlich analysierende, dezente Herr Sirk einiges mehr zu
bieten. Die Berlinale '98 wird Siodmak und dessen bereits 1976
verstorbenen Bruder Robert eine Retrospektive widmen, und
vielleicht kommt der steinalte Curt, der immer noch in Kalifornien
lebt, ja noch mal rüber und bringt ein paar seiner Geschichten mit.
Wenn er sie selbst erzählt, ist der Genuß sicher noch größer.
Douglas Sirk
"Imitation of Life"
herausgegeben von Jon
Halliday Verlag der Autoren, Frankfurt
Curt Siodmak
"Unter Wolfsmenschen. Band 2: Amerika"
Weidle
Verlag, Bonn
Richard Oehmann
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