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Internationales Festival der Filmhochschulen: Wir waren da

  11.12.1997
 
 
 
  Das 17. Internationalen Festival der Filmhochschulen endete am 29.November mit der festlichen Verleihung des VFF Young Talent Award. Die diesjährige Jury mußte dabei aus mehr als 170 aktuellen Produktionen von 37 Hochschulen aus 25 Ländern, die im Wettbewerb standen auswählen und Artechock war dabei, um unsere verehrten Leser mit Infos über den filmischen Nachwuchs zu versorgen.

Nach welchen Kriterien die Jury dieses Jahr ihre Auswahl der Preisträger rechtfertigte, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Leider auch warum kein erster Preis verliehen wurde, sondern nur zwei zweite Preise, die an EASY DAY und THE ARCHITECT gingen. Mit den dritten Platz wurde der bulgarische Beitrag KAL ausgezeichnet.
Daß ein Film wie EASY DAY prämiert wird zeigt den etwas zwiespältigen Versuch der Jury einen Ausgleich zwischen der wirtschaftsnahen Ausrichtung der HFF und eher künstlerisch und inhaltlich ambitionierten Anliegen anderer Hochschulen zu finden.
Schade auch um die zahlreichen guten Filme, für die sich hier weder der Platz noch die Zeit zur Besprechung finden.

THE ARCHITECT ist ein Beitrag vom britischen Royal College of Art in London.
Regie führte der vielversprechende Luke Watson, der auch für das Buch mitverantwortlich zeichnet.
THE ARCHITECT hat die Geschichte von Albert Speer, Hitlers Architekt und Kriegsminister, der 1947 eine 20-jährige Haftstrafe für seine Mitschuld an den Kriegsverbrechen der Nazis im alliierten Gefängnis in Spandau antreten muß, zur Grundlage.
Eingesperrt und all seiner bisherigen Privilegien sich beraubt sehend, umgeben von den Wachmannschaften und einer handvoll anderer Inhaftierter, wird Speer während seiner Haftstrafe immer mehr mit sich selbst und seiner Vergangenheit konfrontiert.
Der Charakter Speer in Watson´s THE ARCHITECT ist eine gebrochene, gespaltene Persönlichkeit, die sich erst der Wahrheit und der damit verbundenen Schuld bewußt werden muß, während er immer noch Stolz auf seine größenwahnsinnige Aufgabe ist, einstmal die größte Stadt der Welt zu erbauen.
Watson´s THE ARCHITECT schildert, wunderbar unaufdringlich photographiert, die Zusammenhänge zwischen Wahrheit, Ehrgeiz und nicht zuletzt der Schuld eines Menschen, stellvertretend für Millionen anderer.
Mit diesem jungen Talent im Rücken dürfte der Strom an inteessanten britischen Produktionen auch in Zukunft nicht abreißen. Hoffentlich. Wiedersehen macht Freude.

Ganz anders im Fall von EASY DAY. Eine Produktion der HFF unter der Regie von Hans Horn, ist der andere Preisträger des VFF Award.
EASY DAY ist zuallererst eine blitzende Stilübung in Werbeästehtik . Plot und Stil der Kamerafahrten des Films ist bekannt aus unzähligen Backwood-Filmen der 70er Jahre begonnen bei Meisterwerken, wie DELIVERANCE von John Borman über Tobe Hoopers TCM bis zu Legionen von Low Budget Horrorfilmen.
Hans Horn ist hier ein technisch aufwendig und perfekt produzierter Film gelungen, der ihm als Visitenkarte bei seiner künftigen Karriere als Werbefilmer wohl noch nützlich sein dürfte. Was das Pulikum aus diesem Film noch neues an Erkenntnis gewinnen soll, bleibt die Frage.

KAL (MUD), ein bulgarischer Beitrag von Ivaylo Simidciev, wurde von der Jury mit dem dritten Preis prämiert.
Ein Ausländer wird in eine Verfolgungsjagd auf ein Straßenkind, das Geld aus einem Kiosk gestohlen hat, verwickelt und von diesem mit einem Messer schwer verletzt.
Dennoch kommen sich die beiden näher und es entsteht unmerkliche Freundschaft zwischen den beiden. Zusammen erlebt das ungleiche Paar eine vielzahl von Abenteuern, die Menschen aus anderen Sozialisationsschichten absurd erscheinen müssen, bis der schwerverletzte Fremde an den Folgen seiner Verletzung stirbt. Der Junge fällt in die Einsamkeit zurück, aus der er hoffte zu entkommen während er mit einem langsen Schrei seinen inneren Schmerz artikuliert. Langsam verebt der Schmerzensschrei des Jungen ungehört über der Müllkippe, seiner Welt.
Eine Geschichte über Freundschaft und Einsamkeit, angesiedelt in einem Millieu, das einem sonst verborgen bleibt. Die Welt der Unterpriviligierten sind die dreckigen Hinterhöfe, Treppenhäuser, Ruinenviertel und Müllkippen unserer Großstädte.
Daß in diesem Umfeld eine Freundschaft möglich wird ist ein kleines Wunder, daß hoffen läßt.
Ivaylo Simidciev ist mit KAL ein dichter und emotionaler Film gelungen, der sein Publikum durchaus berührt.

Für die herausragende Kamerarbeit bei MARIA wurde der Kameramann Mihail Sarbusca ausgezeichnet. Inhaltlich gehört dieser Film eher in die Kategorie "Das nervt !!!!". Eine junge Frau wird auf ihrem Leidensweg zu einer Märtyrerin hochstilisiert, die sich in ihr Schicksal ergibt, anstatt Konsequenzen zu ziehen. Katholizismus läßt grüßen.
Kollegin Nina Stuhldreher sieht diesen Sachverhalt etwas anders, also : Nina, bitte übernehmen !

Sicherlich, MARIA schildert eine Leidensgeschichte, die aus der Sicht des durchschnittlichen westlichen Kinobesuchers einer emotional überbewerteten Selber-Schuld-Moritat gleichkommt. Eine Frau, die im späten 20.Jahrhundert noch unterwürfig ihren Mann um Gnade anfleht und sich von ihn demütigen läßt, anstatt ihn zu verlassen: jenseits jeder Nachvollziehbarkeit eines emanzpierten Verständnisses. Dabei ergibt sie sich allerdings nicht einfach ihrem Schicksal, Christian, sondern startet immerhin einen Verbesserungsversuch - um ihre 7 Kinder ernähren zu können, geht sie auf den Strich - , der natürlich angesichts ihres kulturellen und sozialen Hintergrunds angemessenen eingeordnet werden muß. Daß diese traurige Geschichte der modernen Märtyrerin auf einer wahren Begebenheit beruht , verleiht dem Ganzen eine ergreifende Tragik, nach der es in unserer Reality-TV-Gesellschaft einen gewissen Bedarf zu geben scheint - die täglichen Exclusiv-Reporter-Reißer im Vorabendprogramm beweisen es: zum-Himmel-schreiende-Ungerechtigkeit als Petit Remontant nach der ewiggleichen Arbeitsroutine. Doch auch wenn die HFF für eine gewisse trendbewußte Ausrichtung bekannt ist, so wird es sicherlich nicht allein die herzergreifendeTragik dieser wahren Geschichte gewesen sein, die die Jury zu dieser Entscheidung geführt hat. Auch die Leistung des Kameramannes, die sich eher auf gekonnte Emotionsrührung, pathetische Zeitlupen inclusive, beschränkt, wird MARIA nicht letztendlich zu diesem Preis verholfen haben. Man muß davon ausgehen, daß diese Auszeichnung ein Zugeständnis war zum einen an die so zahlreich vertretenen Hochschulen der ehemaligen Ostblockländer, zum andern an eine bei diesem Festival fast in Vergessenheit geratene Form des engagierten, idealistischen Films.
Davon kann man halten, was man will. Überlegungen zum Sinn & Unsinn, Möglichkeiten und Grenzen des Kurzfilms im allgemeinen folgen nächste Woche an dieser Stelle. Als Wort zum Donnerstag und kleinen Denkanstoß hinsichtlich der Kitschberechtigung in den Werken werdender Künstler möchte ich mich als Late-Night-Serials-Fan entlarven und mit folgenden Worten Michael Statments aus den „Besten Jahren“ schließen:

Wer selber etwas auf die Beine stellt, dem gelingt vielleicht nicht immer das Allerbeste. Vielleicht wird es noch nicht einmal gut. Die Hauptsache ist jedoch, es ist etwas Eigenes. Und ehrlich.


Christian Galuschka / Nina Stuhldreher

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