„Der Film leistet einen ganz besonderen
Beitrag zum kulturellen Leben“. Wo er recht hat, unser Herr
Ministerpräsident, da hat er recht: “Die Bedeutung und Wirkung des
Films geht weit über die ökonomischen Aspekte hinaus“. Na wer hätte
das gedacht, hört, hört, Herr Stoiber ! Gefallen sind
dergleichen bedeutungsschwere Sätze am Ende der vergangenen Woche,
anläßlich der Verleihung des Bayerischen Filmpreises im Münchner
Cuvilliés-Theater. Alle Jahre wieder das gleiche Ritual: am Ende der
Münchner Filmwoche gibt’s den Filmpreis mit anschließendem Buffet in
der Residenz, dann wenn alle ausgeschlafen haben am Samstag um Zwei
das unentbehrliche CSU-Filmgespräch (ohne Buffet), und am Abend zum
Verdauen den Filmball.
Zuvor konnte man als Filmschaffender, Kinobetreiber oder Kritiker
die Tage unbemerkt für das normale Publikum in den Tradeshows der
Verleihe verbringen und anschließend zwischen Häppchen und
Ortswechsel wichtig-unwichtige „Gespräche“ führen. Das ist die
sogenannte Filmwoche, mit der der Freistaat Bayern, wo die Uhren
wieder einmal anders gehen, das Filmjahr 1997 offiziell abschließt,
seine Förderung des (deutschen) Films dokumentiert, und den Ruf der
Filmstadt München aufpoliert. Für ein paar Tage darf man sich dann
wie in Hollywood fühlen, was hierzulande ja sonst nur an den 8
Filmfestabenden nach der dritten Halben möglich ist.
Nun ist die kleine, zerbrechliche Porzellanfigur, die die
Filmpreisträger verliehen bekommen, alles andere, als ein Oscar.
Und das ist auch gut so. Denn die Filme sind ja auch andere. Der
Unterschied zwischen dem schweren, außerordentlich soliden, dabei
futuristisch designten Ami und dem dekadent-bröseligen, irgendwie
veralteten Männlein aus dem 18.Jahrhundert, das eher an Omas
Teetisch erinnert als an zukunftsgewandte Filmpolitik, ist
Programm. Jedes Jahr wartet man darauf, das einem der Preisträger
die Figur aus der Hand fällt, und in 1000 Scherben zerdeppert am
Boden liegt. Jedes Jahr bangt der (Neue!) deutsche Film um seine
Marktanteile. Zur Zeit klettern die Filmaktienkurse auf ungeahnte
Höhen, alles paletti, und darum ist die Stimmung rosarot. So konnte
Stoiber sich selbst und der in der Tat im Vergleich mit anderen
Bundesländern großzügigen, freilich sehr kommerziell orientierten
Filmförderung auf die Schultern klopfen: "Nach dem bereits äußerst
erfolgreichen Filmjahr 1996 hätte kaum jemand zu hoffen gewagt, daß
wir uns ein Jahr später - nach den bisher vorliegenden Zahlen -
gegen große internationale Konkurrenz über einen Marktanteil von
sage und schreibe 23 Prozent für den deutschen Film in unseren
Kinos freuen dürfen."
Was eher stört, als dergleichen Triumphreden, ist die weihevolle,
von kritischen Gedanken nicht angekränkelte Stimmung, in der Fragen
nach Zukunft und Qualität des deutschen Films nicht aufkommen. Man
genießt den Augenblick. Doch irgendwann werden die Zahlen einmal
runter gehen. Vielleicht wäre es angebracht, dagegen schon im
Vorfeld etwas zu tun. Zum Beispiel, indem man nicht die schon
längst etablierten Stars, die leicht Millionen von irgendwelchen
TV-Sendern loseisen können, auch noch mit fünf- bis sechsstelligen
Preisgeldern überhäuft, sondern solches Geld an kleinere,
unbekanntere, gewagtere Produktionen verteilt, um so dem deutschen
Film neue Talente und vor allem neue Ideen zuzuführen. Aber wer
daran ernsthaft zu glauben wagt, der kennt die Förderbedingungen in
der Bundesrepublik schlecht.
„Auszeichnung und Ansporn zugleich“ solle der Filmpreis sein,
betonte Stoiber. Ausgezeichnet und angespornt wurde
Produzentenveteran Eberhard Junkersdorf, der früher einmal gegen
Widerstände nicht zuletzt der CSU provokative Filme wie
Schlöndorffs Katherina Blum produzierte. Solche Erinnerungen an
alte Zeiten erinnerten auch daran, was heute fehlt. Mit dem
Regiepreis-Ansporn an Sönke Wortmann für „Der Campus" zeichnete man
einen Film aus, der noch gar nicht in den Kinos läuft. „Quasi
spiegelbildlich die Gesellschaft im allgemeinen und die
'Hochschulgesellschaft' im besonderen“ behandle der Film, hieß es
in der Laudatio. Na dann. Immerhin hielt die Rede für den
Ex-Fußball-Profi Wortmann der Ex-Löwen Torwart „Radi“ Radenkovic.
Das war ein Lichtblick. Teilen mußte sich Wortmann freilich den
Preis mit -mal wieder-: Joseph Vilsmaier, der für "Comedian
Harmonists" ausgezeichnet und angespornt wurde. Auszeichnung
und Ansporn gab’s auch für Kai Wiesinger, Barbara Sukowa und
Catherine Flemming. Michael Mendl (für "14 Tage lebenslänglich")
war dann einmal ein Unbekannter, dann aber mit dem Musikpreis an
Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Katja Riemann war man
wieder unter sich. Auch die restlichen Preisträger bestätigten:
bekannte Namen, bekannte Gesichter, viel Neues scheint sich nicht
zu tun, und die Laudatoren in diesem Jahr waren meist Preisträger
der beiden letzten.
Nun kann man sagen: Auch Hollywood ist eine große Familie. Und
zumindest darin ähnelte man am Wochenende dem großen Vorbild, daß
spätestens beim Filmball alle unter sich waren, wie bei Opis
Geburtstag. Jetzt fehlen nur noch die Filme.
Rüdiger
Suchsland
PS: Diese Woche werden sie sich schon wiedertreffen. Opi ist
nämlich gestorben: DER Münchner Filmpoduzent Luggi Waldleitner
starb in der Nacht vor der Filmpreisverleihung mit 84 Jahren. Die
Gerüchte, daß beide Ereignisse in irgendeinem Zusammenhang stehen
könnten, können wir nicht bestätigen.
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