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Die Sonne strahlte über Berlin, die
sonst eisigen Wasser der Spree flossen frei, und ein paar Schwäne
und Gänse schwammen im Fluß. Ben Kingsley sprach von der
Möglichkeit, "mit anderen Kulturen zu lachen, zu lieben, und ihre
Gefühle zu teilen". Aber über was reden wir eigentlich ? Über Kino
natürlich.
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Auf dem Weg zum Film "Good Will Hunting": Gregor Gysi spricht auf
dem Platz vor der Gedächtniskirche. "Im Durchschnitt hat jeder
Deutsche 135.000 Mark Sparvermögen. Jetzt können sie sich einmal
überlegen, wie weit Sie drüberliegen." Während ich noch darüber
nachdenke, kommt ein Haufen PDS-rotgekleider Fans des FC Bayern
vorbei. Denn heute spielt Hertha BSC gegen Bayern. 70 Mark haben
sie pro Karte bezahlt, wahrscheinlich wird das Olympiastadion, das
es in Berlin ja auch gibt, ausverkauft sein. Seit über 20 Jahren
hat Berlin nicht mehr gewonnen. Abends "Life during wartime", eine
sehr schöne, schnelle Komödie von Evan Dunsky, die im Milieu von
Sicherheitsunternehmen und Alarmanlagenverkäufern spielt. "The
world is a dangerous place" hat die Hauptfigur am Ende gelernt. Das
findet auch Gregor Gysi. Der meinte schon am Vormittag: "Man muß
sich entscheiden, auf welcher Seite man steht. Und dann hat man
auch Feinde, deren Interesse man verletzt."
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Vielleicht sind es weder Familiengeschichten, noch neue
Langsamkeit, die das eigentliche Thema der Berlinale Filme bilden,
sondern Strafanstalten (und nebenbei bemerkt: irgendwie können ja
Familien und langsame Filme auch unter diese Kategorie fallen): In
"The Boxer", "The Boys", "I want you", "Great Expectations" kommen
Hauptfiguren gerade aus dem Knast, in "Good will Hunting" und "The
Butcher Boy" landen sie irgendwann in der Besserungsanstalt, in den
beiden Grisham Verfilmungen geht es eh um Justiz, und selbst Pam
Grier muß in Tarantinos "Jackie Brown" zwischendurch einsitzen.
Eigentlich klar, daß auch Robert de Niro, statt nach Berlin zu
kommen, erst einmal festgenommen wurde.
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Deutsche Filme sind alle Jahre wieder das ganz besondere
Trauerspiel des Wettbewerbs. Diesmal trägt die Bankrotterklärung
den Titel "Das Mambospiel". Corinna Harfouch spielt die Hauptrolle,
aber das hilft auch nichts, denn der Regisseur ist ihr Mann Michael
Gwisdek, der auch die Hauptrolle spielt, das Buch geschrieben hat,
und mit all dem etwas überfordert ist. Selten hat man Schauspieler
so distanzlos und undiszipliniert agieren sehen, und auch der Rest
ist ohne Sinn und Verstand. Die Geschichte ist unfreiwillig
peinlich, wenn eine Vergewaltigung und eine Geburtstagsfeier
gegeneinander geschnitten werden. Wahrscheinlich glaubte Gwisdek
auch noch, irgendetwas neorealistisches im Stil von Ken Loach
fabriziert zu haben. Zu recht gab's laute Buhrufe im Zoopalast.
Corinna Harfouch weinte. Hätte man dann doch wenigstens einen der
deutschen Filme aus anderen Reihen in den Wettbewerb genommen, und
wenn es Achternbuschs "Neue Freiheit, keine Jobs" gewesen wäre.
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Teutonische Eigenarten wurden freilich in anderen Beiträgen des
Wettbewerbs thematisiert. In "The Big Lebowski" der Brüder Coen
sind die zunächst unsichtbaren Gegner die "deutschen Nihilisten".
Als sie dann auftauchen handelt es sich aber überraschenderweise
doch nicht um deutsche Komödienregisseure, sondern um drei
schwarzgekleidete Lulatsche, die an die Gruppe Kraftwerk
erinnerten, und wegen ihres deutschen Akzents tatsächlich richtig
fies wirkten.
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Welch ein Glück: Moritz de Hadeln durfte endlich französisch
sprechen. Sichtlich erfreut kündigte der Helmut Kohl der Berlinale
an, er werde sich von nun an Catherine Deneuves Muttersprache
bedienen. Gemeint war damit natürlich nicht die ganze restliche
Zeit seines noch bis zum Jahr 2003 laufenden Vertrages, sondern nur
der Mittwochabend, als er dem französischen Weltstar einen Goldenen
Bären überreichte, ehrenhalber wie man so sagt, um damit ihr
Lebenswerk zu würdigen. Derartige Ehrenpreise haben etwas
Zwispältiges. Denn so wie der Ehrenvorsitzende einer Partei eben
nicht ihr Vorsitzender ist, so sehr nährt der Ehrenbär den
Verdacht, man könnte es hier mit einer abgehalfterten Preisträgerin
zu tun haben, oder einer uralten, oder einer todkraknen, oder gar
allen drei Fällen zusammen. Doch nichts davon trifft auf Catherine
Deneuve zu. Die diesjährige Preisträgerin, deren wichtigste Filme
derzeit in einer Hommage auf der Berlinale gezeigt werden, ist ganz
gegenwärtig, und nach wie vor gut im Geschäft.
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Zwei Filme machten Catherine Deneuve Mitte der 60er Jahre zum
Weltstar: "Repulsion" ("Der Ekel" von 1965, der zur Preisverleihung
gezeigt wurde) von Roman Polanski und Luis Bunuels "Belle de jour".
"Repulsion" ist die große Ausnahme ihrer Filmkarriere. Denn da
spielt sie nicht eine mehr oder weniger kultivierte Frau aus mehr
oder weniger gesettelten Verhältnissen. Die vielleicht tagsüber als
Hure arbeitet, oder ihren Ehemann betrügt, aber doch nie ganz den
weitgesteckten Rahmen des Bourgoisen verläßt. Bei Polanski ist die
Deneuve eine fingernägelkauende Hypersensible, die schließlich ganz
dem Wahnsinn verfällt. Fast unscheinbar wirkt sie da, verhuscht.
Ein einziges Mal war sie nicht "die Deneuve". Danach immer. Am
Mittwochabend war sie selbstverständlich "die Deneuve". Mit
rosafarbener Jacke, sehr passend zum blonden Haar wie zum schwarzen
Hosenanzug, elegant und doch lässig kam sie mit flottem Schritt
aufs Podest. Klein ist sie, dachte man unwillkürlich als sie neben
de Hadeln stand. In ihren Filmen wirkt sie oft groß und immer
souverän. Charmant aber auch entrückt steht Catherine Deneuve vor
dem Berliner Publikum. Ein paar freundliche Worte, was man eben so
sagt bei einer Preisverleihung, und ein Dank an Francois Truffaut
und an Jacques Demy: "Sie machten mich zu dem was ich bin." Es
stimmt schon: ein Film mit ihr ist immer ein Deneuve-Film. Das gilt
selbst für die Téchiné-Filme, in denen sie ihre ganze Kunst als
Schauspielerin zeigen darf. Nur bei Polanski war es einmal
anders.
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Claudia, eine Filmproduzentin, erzählt, daß sie neulich Cameron
Diaz in einer Pariser Kneipe begegnet ist. Eng umschlungen habe sie
dort mit ihrem Freund Matt Dillon getanzt. Wie hoch ist wohl die
Wahrscheinlichkeit, Cameron Diaz in einer Pariser Kneipe zu
begegnen ? Jedenfalls deutlich höher, als in Berlin, denn außer
Senta Berger und Ben Kingsley, die beide in der Jury sitzen, ist
uns noch kein Promi über den Weg gelaufen. Und natürlich die
unvermeidliche Veronika Ferres, die passenderweise Patronin vom
Kinderfilmfest geworden ist.
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Wie viele Wettbewerbsfilme sind auch Robert Siodmaks "The Spiral
Staircase", "The Cry in the City", "The Great Sinner"(in der
Retrospektive zu sehen) großartige, intensive Familiendramen.
"Rückkehr zur Klassik" meint Züli, der an der Kölner
Medienhochschule studiert, sei der Trend des Kinos. Darauf kommt er
nicht allein, weil wir uns über Siodmak unterhalten, sondern vor
allem, weil ihm jene typischen Filme auf die Nerven gehen, in denen
man krampfhaft nach neuen Bildern sucht, oder ebenso krampfhaft
Erfolgreiches (sprich zu 90% Tarantino) nachahmen möchte. Das
Ergebnis sind dann entweder besonders langsame, oder besonders
schnell geschnittene Film. Hektik oder Lahmarschigkeit. Dabei kann
man aus Siodmaks Filmen gerade lernen: die von ihnen, die noch
heute funktionieren, tun das, weil sie eine überzeugende Geschichte
haben (die nichts Zeitgebundenes, sondern allgemein-menschliches in
der Gestalt ihrer Entstehungszeit erzählt), UND weil sie ihre
filmischen Mittel sehr bewußt, aber dezent gebrauchen. Man könnte
also probeweise die Regel aufstellen: wo wir statt über die
Geschichte über Schnitt, Kamera und andere Technik nachdenken, hat
der Film Schwächen.
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Iara Lee hat es gut. Sie ist jung, intelligent, Amerikanerin, und
ist Filmregisseurin. Ihr Produzent George Gund ist ein superreicher
Amerikaner, und ist außerdem ihr Mann. Deswegen kann Iara Lee genau
die Filme machen, die sie machen möchte, denn Geld spielt keine
Rolle. Ihre beneidenswerten Möglichkeiten nutzt Iara Lee nun aber
immerhin für Dokumentarfilme, die viel besser und formal wie
thematisch interessanter sind, als die übliche
08/15-Konfektionsware. Vor zwei Jahren konnte man "Synthetic
Pleasures" auf dem Münchner Filmfest sehen. Damals ging es um die
Vergnügungsindustrien und künstlichen Welten von morgen. Im Delphi
stellt Lee jetzt ihren Film "Modulations" vor. Dem Trip in die
Zukunft folgt jetzt einer in die Gegenwart. Sie erzählt die
Geschichte der elektronischen Musik seit ihren Anfängen bis zum
Hype von heute. Am interessantesten war die soziale
Momentaufnahme, die da unter der Hand entstand. Im "organisierten
Lärm" (so ein Produzent) der techno-Musik kann man so hautnah, wie
kaum irgendwo sonst erfahren, wie weit sich die
unter-Dreißigjährigen von den Arbeits- und Verzichtsidealen ihrer
Eltern entfernt haben. Eine Kultur des Gedächtnisverlusts ist
entstanden, die über ihre eigenen historischen Wurzeln nicht
nachdenken will. Wer nicht wissen will, was er tut, der macht dann
oft dumme Sachen. Aus der einst innovativen Subkultur ist längst
eine Industrie geworden. Kein Grund zur Freude: Eine Massenbewegung
im schlechtesten Sinn, die für ziemlich jeden Mist zu begeistern
ist. Ihr Motto brachte ein Musiker auf den Punkt: "No sense is good
and nonsense is good".
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"...dann noch ein paar Redakteure, und schon ist die Woche 'rum"
- Susanne, Filmproduzentin aus Berlin, erzählt von ihrer Berlinale.
Sie repräsentiert den sehr sehr wichtigen zweiten Aspekt des
Filmfestivals, der uns filmeguckenden Kritikern meist entgeht. Die
Berlinale als Ort des Marketing und des "Kontaktens". Schon zwei
Wochen zuvor hatte sie sich einen engen Terminplan gemacht, während
des Festivals trifft sie Regisseure, Autoren, Produzenten und
andere Filmschaffende, und geht auf viermal soviel Partys,
Cocktails und Frühstücke, wie sie Filme sieht. Dabei würde sie
lieber Filme schauen, aber wenn sie hier und heute nicht gute
Aufträge an Land zieht, sieht es das ganze Jahr über schlecht aus.
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White Trash ist schlecht. Faschistoid, und was nicht alles, damit
wollen wir Aufgeklärten nichts zu tun haben. White Trash ist Kult,
wenn er in Filmen von Tarantino oder den Coen-Brüdern vorkommt.
Denn klar, wir sind doch alle Proleten, zumindest tief in unserem
Herzen und vielleicht auch in einigen anderen Organen. Ok, nicht
übertreiben. Aber warum sympathisieren wir mit Filmfiguren, warum
finden wir Typen cool und kultig, die wir im wirklichen Leben keine
10 Minuten ertragen würden ?
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Daß das Leben die Kunst nachahmt, ist keine neue Nachricht. Aber
mußte es, Mister Bill Clinton, denn gleich so plump geschehen ?
"Wag the Dog" in dem Robert de Niro und Dustin Hoffman die
Hauptrollen spielen, heißt Barry Levinsons neuester Streich. Er
kommt gerade zur richtigen Zeit. Es geht um einen US-Präsidenten,
der mit allen Mitteln vor einem Sex-Skandal geschützt werden soll.
Notfalls sogar durch einen kleinen Krieg. Das erinnert uns doch an
was. Das Leben schreibt eben doch immer noch die schönsten
Geschichten.
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Bertolt Brecht, den man dieser Tage ja besonders gern zitiert,
hat das Kino einmal eine "Lügenmaschiene" genannt, was er
wahrscheinlich kritisch meinte. Doch auch Brecht hat gewußt, daß
Wahrheit nicht eins zu eins abgebildet werden kann. Wer das schon
für Realismus hält, ist nur naiv. Insofern sind die gepflegten
Übertreibungen, wie sie "Wag The Dog", "The Butcher Boy" und
platter "The Boxer" praktizieren, realistischer, als die
chinesischen ("Xiu-Xiu") und italienischen ("Der Trauzeuge")
Historienfilme, die noch im Wettbewerb liefen.
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Überhaupt werden die Filme in diesem Jahr wieder politischer.
"Wag the Dog" ist grandios. Und auch "The Big Lebovski" hat einen
unerwartet aktuell-politischen Bezug, spielt er doch zur Zeit des
Golfkriegs 91. Gar nicht übel auch "The Commissioner", von manchen
als "Europudding" geschmäht. Der Held ist hier ausgerechnet ein
britischer EU-Kommissar, der in üble politische Maxhenschaften
verwickelt wird. Wahrscheinlich realistischer als in "Wag the Dog"
ist das Bild, das hier von Politik vermittelt wird, statt der
Karikatur ein psychologisches Portrait und die Lehre das aufrichtig
guter Wille vor bösen Handlungen keineswegs schützt.
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Es gehört zum alljährlichen Berlinale-Ritual, daß Festspielleiter
Moritz de Hadeln allerlei Stars zuerst groß ankündigt(am besten mit
drei Pressemitteilungen pro Person), um dann kurz vor oder während
der Festspiele "mit großem Bedauern"(das man ihm sogar abnehmen
darf) deren Nichterscheinen mitzuteilen. Natürlich ist einer, der
den Berlinale-Starkult so enorm schürt wie de Hadeln, selber
schuld, wenn das dann ins Auge geht. Andererseits ist der
Berlinale-Chef hier ein Gefangener undurchsichtiger Verleihpolitik.
Eine Mitarbeiterin von ihm, deren Namen wir lieber verschweigen
wollen, erzählt folgende Geschichte, die einiges über die
Einstellung der Verleihfirmen und die Machtlosigkeit von
Festivalchefs aussagt: Regisseur X wurde für die diesjährige
Berlinale eingeladen, um seinen Wettbewerbsbeitrag vorzustellen.
Der Verleih, eine der reichsten Firmen der Branche wollte zwar die
Flugtickets für den Regisseur zahlen, auch für seine Ehefrau, nicht
aber für die beiden kleinen Kinder (obwohl das wahrscheinlich
weniger kosten würde, als ein zusätzlicher Feinschmeckertrog auf
der Premierenparty). Daraufhin sagt der Regisseur ab, der Verleih
teilt dies aber de Hadeln erst mit, als alles zu spät ist, damit
der Film nicht kurzfristig noch aus dem Wettbewerb gekegelt wird.
Und die Journalisten hacken dann auf de Hadeln herum.
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Derjenige, auf dessen Erscheinen de Hadeln am meisten hingeackert
hatte, kam aber. Wie ein Barockengelchen grinste der Festivalleiter
von einer Backe zur anderen, als er verkündete: ER, Robert de Niro
sei nach Berlin gekommen. Wer davon wirklich etwas hatte, waren in
erster Linie die Fernsehnachrichten, die anstelle unfotogener
Politiker und anderer Karnevalsjecken einen gutaussehenden
Schauspieler als Appetizer an den Anfang ihrer Sendung stellen
konnten. Die Pressekonferenz war so dumm und überflüssig, wie
sie berlinaleerfahrene Journalisten schon vorher erwartet hatten.
Blöde feige Fragen (die vorwitzigen nach den kleinen Mädels aus
Paris wischte ein besorgter Moderator mit kurzem "next question,
please" beiseite) und ein Star, der sich genauso langweilte, wie
die meisten Journalisten. Aber die Medienmaschiene reproduziert
sich selbst, inklusive dazugehöriger Kritik.
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Am letzten richtigen Berlinale-Tag ging wieder die Sonne auf, die
Menschen saßen auf der Straße, und Gwyneth Paltrow kam. Mit ihren
schwarzlackierten Fingernägeln sieht sie schon mal ganz sexy aus,
aber vielleicht ein bißchen zu exzentrisch für diese zurückhaltende
und wohlerzogen wirkende Person. Audrey Hepburn hätte so etwas nie
getragen. Und mit Audrey Hepburn wird die Paltrow gern verglichen,
zumal sie in ihren Filmen höhere Töchter, wohlerzogen neckische
Liebhaberinnen, jedenfalls passive Frauen spielt. Dabei würde man
Gwyneth Paltrow gern einmal mit Lederjacke und einem Colt in den
Händen sehen. Von neuen Projekten erzählt sie, unter anderem einem
Thriller mit Michael Douglas. Aber auch da kein Colt.
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Am Ende dann einer der allerbesten Filme dieser Berlinale: "Junk
Food" von Masashi Yamamoto. Ein düsteres Großstadt-Portrait im
Geist der Surrealisten. Vier Episoden, in der besten geht es um
Miyuki, die so perfekt aussieht wie eine Manga-Figur, Mörderin ist,
Junkie und tagsüber im Tokioter-Yuppie-Milieu arbeitet. Der Film
ist voll von poetischen Bildern, und mischt eine kühle Distanz mit
der Darstellung extremer Situationen. Im Gespräch entpuppt sich
Yamamoto, den man eher für einen Melancholiker gehalten hätte, als
Optimist, der tatsächlich glaubt, daß sich die Dinge eines Tages
zum Guten wenden. Vielleicht haben wir zumindest das Glück, daß
sein Film auch einmal in deutschen Kinos gezeigt wird.
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Der Saal zur Mitteilung der Preisträger war voll. Ben Kingsley,
gespielt von Mahatma Ghandi und Senta Berger die sich mit
blaugetönter Sonnenbrille (wegen der Kamerascheinwerfer !) selbst
spielte, lasen vor: "Central do Brasil", der arg menschelnde, aber
solide brasilianische Wettbewerbsbeitrag von Walter Salles bekommt
den Goldenen Bären. Natürlich freuen wir uns alle für das
lateinamerikanische Kino, das noch nie in Berlin gewann, und solche
Preise doch so dringend nötig hat. Noch mehr freuen wir uns mit
"Wag the Dog" Barry Levinsons bis zum Zynismus kritischen Film, der
auf Inhalt statt auf Effekte setzt, und mit Samuel L. Jackson (für
seinen Auftritt in Tarantinos "Jackie Brown"), der so schön auf
Spike Lee schimpfen kann, und bewiesen hat, daß man in zweieinhalb
Stunden über hundertmal "motherfucker" und "nigger" sagen kann. Zum
ersten Mal seit Jahren gab es keine Buhrufe für die
Juryentscheidungen, alles in allem eine Preisvergabe, mit der alle
leben können, weil sie ausgeglichen, aber nicht übertrieben PC ist.
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"Ein frischer Wind geht durch das Kino der Welt" meinte Moritz de
Hadeln zu Beginn des Festivals. 25 Filme aus 15 Ländern liefen im
Wettbewerb, insgesamt waren rund 600 Filme zu sehen, mehrere
tausend Kritiker, TV- und Medienvertreter berichteten. Am Ende
schien selbst der sonst ganz und gar nicht melancholisch wirkende
de Hadeln so etwas wie fin-de-siècle-Stimmung auszustrahlen, denn
nächstes Jahr findet das alles zum letzten Mal in den Kudamm-Kinos
mit ihrem 50er Jahre Glamour statt, danach geht's ins
stromlinienförmige Multiplex am Potsdamer Platz. Ob wir uns dann
nicht lieber auf den Partys rumtreiben, die wir dieses Jahr vor
lauter Filmlust gemieden haben ?
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In diesem Jahr kann man zufrieden sein mit der Berlinale. Ein
guter Querschnitt durch das Weltkino, der die offensichtlichen
Probleme, die das europäische Kino derzeit hat, noch sichtbarer
machte. Die Berlinale spiegelt die Situation in Europa besser
wieder, als Cannes, das leicht zur Selbstfeier gerät. Auch vom
bekannten Streit zwischen den Reihen, und der von der merkwürdigen
Situation der Berlinale, die ein Schiff mit zwei Kapitänen ist, die
in verschiedene Richtungen steuert, hörte man diesmal nichts. Beide
Leiter, de Hadeln und der als "links" geltende Forumsleiter Ulrich
Gregor (der auf seine Weise ein genauso eitles, etabliertes Gehabe
an den Tag legt, wie mitunter de Hadeln) hätte ihre Arbeit, die
Auswahl von Filmen weitaus schlechter machen können. Natürlich
freuen wir uns jetzt schon aufs nächste Jahr, denn wie sagte einst
Robert Mitchum: "Vier Filme pro Tag zu sehen ist besser, als
jeden Tag ins Büro gehen zu müssen."
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Ach ja, Ernst Jünger ist tot, Brecht lebt, und Hertha BSC gewann
gegen den FC Bayern mit 2:1
Rüdiger
Suchsland
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