Ostern - Das Fest der Auferstehung. In diesem Jahr schien das
nicht nur für die Christenheit zuzutreffen, sondern auch für die
Gemeinde der gläubigen Cineasten. Der Fernsehsender Pro 7 hatte
uns, als besondere Osterüberraschung, die Auferstehung von SPIEL MIR
DAS LIED VOM TOD im Director’s Cut versprochen. Wir ließen also alle
bunten Eier liegen und setzten uns erwartungsvoll vor den Fernseher.
Doch 3 ½ Stunden später war uns klar, daß dieses Osterei gestunken
hat.
Es erstaunt mich immer wieder, wie mit den Filmen großer
Regisseure umgesprungen wird. Während es in der Literatur nur
selten von Nöten ist, mit einer kritischen Neuausgabe (wie z.B.
beim Werk von Franz Kafka) die eigenmächtigen Veränderungen
selbstherrlicher Dritter zu revidieren, so dürften im Filmgeschäft
die Werke, die den Vorstellungen ihrer Macher entsprechen, in der
Minderheit sein. Das hat grundsätzlich zwei Gründe. Zum einen
sind an der Produktion eines Filmes Dutzende Menschen beteiligt,
die alle irgendwie ihre Ideen einbringen wollen, ohne dabei
zwangsläufig im Sinne des Regisseurs zu handeln. Zum anderen kosten
Filme sehr viel Geld, weshalb zusätzlich einige Geschäftsleute ein
finanzielles Interesse an diesem "Produkt" haben und es sich nicht
nehmen lassen, ihre Einflußmöglichkeiten voll auszuschöpfen, um
einen guten Profit sicherzustellen. Tragischster Beweis für
diese Problematik ist Orson Welles der, trotz seines Rufs als Genie
und Wunderkind, seine gesamte Karriere lang gegen die Einflüsse der
großen Studios kämpfen mußte und meist dabei verlor. Als Waffe
der Filmemacher gegen diese Bevormundungen entstand der Director’s
Cut, der den Film, zumindest nachträglich, so zeigen soll, wie er
ursprünglich gedacht war.
Am bekanntesten dürfte dabei der Director’s Cut von BLADE RUNNER
sein. Dieser Film, der die Welle der Director’s Cuts erst richtig
los trat, zeigt deutlich drei Dinge: 1: Bereits einige kleine
Änderungen können einen Film vollkommen verändern. 2: Der
Begriff Director’s Cut ist in der Regel eine Farce da etwa Ridley
Scott überhaupt nicht an der neuen Fassung von BLADE RUNNER
beteiligt war. 3: Filmstudios und Verleiher sind ein
selbstgefälliges Pack, da sie es sich als Verdienst anschreiben,
einen Film, der auf ihre Veranlassung hin verstümmelt wurde, etwas
weniger verstümmelt wieder ins Kino zu bringen und einmal mehr Geld
damit zu verdienen (der Director’s Cut von BLADE RUNNER ist immer
noch weit von der ursprünglichen Vorstellung Scotts entfernt).
Um SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD gibt es schon lange ein heiteres
Rätselraten über die verschiedenen Versionen die davon existieren.
Als nun der Director’s Cut angekündigt wurde durfte man darauf
hoffen, endlich die eine, ultimative Fassung zu sehen und alle
Unklarheiten für immer aus der Welt zu schaffen. Was man dann
tatsächlich sah, war der Film den man bereits kannte, bereichert um
15 Minuten beliebigen Füllmaterials. Manche Kameraeinstellungen
dauerten einige Sekunden länger und einige belanglose Szenen wurden
hinzugefügt.
Geht man nach dieser Technik vor, kann man so ziemlich aus jedem
Film einen Director’s Cut machen, da der Rohschnitt eines normalen
Zweistundenfilms mindestens drei Stunden dauert. Diese eine Stunde,
die für den Endschnitt noch herausgenommen wird, vermißt kein
Mensch, vielmehr dient dieses Vorgehen der Straffung des Films.
Von den in Büchern dokumentierten Szenen, die aus der Urfassung
von SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD geschnitten wurde, und die durchaus
relevant für die Handlung sind, war leider im Director’s Cut keine
Spur.
Es fällt auch auf, das fast keine Szenen mit Dialog eingefügt
wurden. Das führt uns aber zum nächsten Problem. Hätte man neue
Dialogszenen eingefügt, hätte man diese auch synchronisieren
müssen. Dies hätte vielleicht dazu geführt, generell über eine neue
Synchronisation nachzudenken, denn leider ist die momentane
deutsche Fassung so dumm und teilweise sinnentstellend, daß man
sich streckenweise an Woody Allens Arbeit an WHAT’S UP, TIGER LILY
erinnert fühlt. Das auffälligste Beispiel für diese
bedauerliche Praktik ist der titelgebende Satz "Spiel mir das Lied
vom Tod", der im Original nie vorkommt.
Als SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD 1968 am Höhepunkt des
Italowesterns in die deutschen Kinos kam, mag diese dümmliche und
reißerische Synchronisation noch angebracht gewesen sein. Wenn
sich Pro 7 aber heute hinstellt und als großer Retter des Kinos
präsentieren will, dann hätte es zumindest auch eine neue
Synchronisation in Auftrag geben können. Die Übersetzung von
grenzdebilen amerikanischen Fernsehfilmen finanzierte es ja auch,
ohne mit der Wimper zu zucken. Man könnte dieses Problem
natürlich auch ganz umgehen, indem man den Film gleich im
englischen Original mit Untertitel zeigt aber diese Variante ist
den privaten Fernsehsendern leider so unbekannt wie die antiquierte
Vorliebe von Filmfans, sich einen Abspann anzusehen.
Davon, daß der Director’s Cut von SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, wie
mir scheint, hundertmal von Werbung unterbrochen und zudem mit
lächerlichen Balken anstatt in seinem traumhaften Widescreenformat
ausgestrahlt wurde, will ich erst gar nicht anfangen. Schließlich
gehören Werbung, Programmtrailer und Vollbildfassungen zu den
Folterinstrumenten mit denen der Cineast schon seit Jahren gequält
wird.
Als Empfehlung für weitere kinematographische Großleistungen von
Pro 7 und Co. kann ich deshalb nur auf den Titel des
Überraschungserfolges des letzten Jahres verweisen: GANZ ODER GAR
NICHT.
Michael
Haberlander
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