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JUNK FOOD
Wer jetzt nicht hinschaut, ist selber schuld

  18.06.1998
 
 
 
 



Beginnen will ich einmal ausnahmsweise ganz, ganz subjektiv: JUNK FOOD war mein persönliches Erlebnis auf der Berlinale 1998. Der beste unter einer ganze Reihe hochinteressanter japanischer Filme, die wie Diamanten im grauen Kino-Einerlei mit seinen immergleichen Geschichten (die wir natürlich alle trotzdem lieben, darum gehen wir ja immer wieder rein) funkeln, ein faszinierender Lichtblick, der einerseits an Klassiker der Großstadtportraits erinnert, andererseits an Autorenfilme der letzten 30 Jahre, schließlich aber doch an sehr zeitgemäße Independent-Movies aus Amerika und Europa. Und natürlich an Musikclips. Wie die vielen Anspielungen dann vermischt werden, ist dennoch ganz eigen.
Das düstere Großstadt-Panorama im Geist der Surrealisten ist unterteilt in vier Episoden. In der besten geht es um Miyuki, die so perfekt aussieht wie eine Manga-Figur, Mörderin ist, Junkie und tagsüber im Tokioter-Yuppie-Milieu arbeitet. Der Film ist voll von poetischen Bildern, und mischt eine kühle Distanz mit der Darstellung extremer Situationen.
JUNK FOOD ist sehr sinnlich, und dabei hochintellektuell. Damit dies kein Widerspruch ist, dazu muß man vielleicht aus Japan kommen. Und es mag sich -um noch ein wenig subjektiv zu bleiben- durchaus auch (aber eben nur auch) um Exotismus, um die Faszination durch das Fremde gehandelt haben.
Was besonders fasziniert, ist der Realismus des Films, seine Nüchternheit, mit der Begebenheiten erzählt werden "so wie sie sind". Wahre Bilder. Was das sein soll, ist mehr als schwer zu sagen. Aber das Gefühl, das sich manchmal im Kino einstellt, wenn man ganz übereinstimmt (übereinzustimmen glaubt) mit der Situation, kennt jeder: Ehrliche Bilder. Und dabei wunderschön. Natürlich sehr stilisiert. Doch dabei immer nahe dran ! Man könnte jetzt noch vieles beschreiben, interpretieren, theoretisieren. Ein anderes Mal an dieser Stelle. Für diese Woche gilt: Hinein ins Kino ! Dieser Film, wie auch viele andere in der japanischen Reihe kommt so schnell nicht wieder zu uns. Wer jetzt nicht hinschaut, ist selber schuld !

Noch eine nachfolgende, aufs grundsätzliche zielende, trotzdem subjektive Bemerkung. Immerhin Eberhard Hauff, Leiter des Münchner Filmfests, auf das wir uns alle freuen, sprach auf der diesjährigen Pressekonferenz ein Wort aus, das man im Zusammenhang mit Film lange nicht vernommen hatte: Wahrheit.
Das ist doch einmal ein Thema. Wie wahr soll, wie wahr kann Film sein. Es scheint mir ein unzusammenhängendes Resümee dreier Filmbesuche in letzter Zeit, nämlich JUNK FOOD, SLAVES TO THE UNDERGROUND und BOOGIE NIGHTS (den der sehr geschätzte Kollege Oehmann bei aller Triftigkeit seiner Beobachtungen für meinen Geschmack ein wenig zu humoristisch behandelt hat) zu sein, daß Authentizität plötzlich mit geballter Macht zurückkehrt. Der Kunstwille wird durch den Wirklichkeitswillen ersetzt. Wo die Wirklichkeit immer irrealer, virtueller zu werden scheint, kehrt sie in den Künsten, durch die Hintertür quasi, zurück. Woher sonst kommt die Wirkung von Filmen wie HANA-BI und anderen Japaner, das, was der ebenfalls sehr geschätzte Kollege Willmann zu Recht als "Kraft und Poesie" bezeichnet hat, mit der Folge, daß "Filme tief verstören und Nerven bloßlegen" ?
Das ist nur eine These, klar. Ein paar Gegenargumente fallen einem, mit Blick auf Lynch, Coen, Tarantino sofort ein. Betrachten wir einfach die Frage als gestellt, und eine Diskussion als eröffnet.

Rüdiger Suchsland

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