|
Die Fußballweltmeisterschaft kommt in die spannende Phase
und während Spanien Bulgarien vom Platz fegt, sitze ich neben dem
WM-Ticker und denke ans Münchner Filmfest, das am Samstag den 27. Juni zum 16. Mal
seine Tore öffnet - Erlebnisgesellschaft aller Orten, besonders hier
und jetzt. Es geht also darum, den einen oder anderen Treffer auf
der Jagd nach dem besten Erlebnis zu landen, was bei dem völlig
überdrehten Angebot immer schwieriger wird, denn egal ob man sich
für französischen Fußball (z.Zt. der beste), Konzerte, Theater
(wenn's sein muß auch auf dem Tollwood), Biergarten (am besten mit
Fußball) oder den internationalen Film (dummerweise auf zwei
Festivals gleichzeitig, denn das Hochschulfilmfest läuft zur
gleichen Zeit) entscheidet, man muß sich immer auch gegen etwas
entscheiden, und so wächst die Furcht, sich für das Falsche zu
entscheiden. Um also in diesen harten Zeiten der
Entscheidungsschwierigkeiten und Orientierungslosigkeit ein bißchen
Halt zu geben, nennen wir die entscheidenden Treffer schon im
vorraus - zumindest was das Filmfest betrifft.
Passend zur Erlebnisjagd steht das Filmfest diesmal unter dem
Motto: "Augenblicke des Glücks" - was für ein Allgemeinplätzchen!
"... denn Herr Rosi sucht das Glück, sucht man es, so fehlt ein
Stück, ja es fehlt ein Stück vom Glück..." - trotzdem suchen wir.
Und ganz vorne findet man dann die Filme von Monte Hellman, die im
Filmmuseum laufen. Hellman war bis dato einer der personifizierten
Insidertips, allein weil seine Filme so selten zu sehen sind. Lob
gibt's von charakteristischer Seite: Tarantino hält Hellman für den
Regisseur, der es von allen am meisten verdient hat, wiederentdeckt
zu werden - so zitiert es zumindest das Filmfest-Magazin. Da könnte
man schon fast wieder skeptisch werden, da in letzter Zeit doch so
mancher Film mit Tarantino-Bonus - egal in welcher Form dieser auch
dargeboten wurde - seinen Ansprüchen oder Versprechen nicht gerecht
wurde. Doch in diesem Fall können wir noch eins nachlegen: die
Cahiers Du Cinema schrieb: "Der vielleicht begnadeteste Filmemacher
seiner Generation." Also, diesem Urteil sollte man durchaus Gewicht
zukommen lassen; doch wer jetzt noch eine Entscheidungshilfe
braucht, der sollte sich die Besetzungslisten der Filme durchlesen:
Jack Nicholson, Warren Oates, James Taylor, Dennis Wilson, Sam
Peckinpah...
Von Hellmans Filmen sind insbesondere drei hervorzuheben: das
Road-Movie TWO-LANE BLACKTOP (Asphaltrennen), und die beiden
Western RIDE IN THE WHIRLWIND, für den Jack Nicholson das Drehbuch
geschrieben hat, und THE SHOOTING. Kurz und gut: Hellman scheint
ein sicherer Treffer, so ähnlich wie ein Spiel der Franzosen bei
der WM. Darüber hinaus gibt es sicher noch den ein oder anderen
Independent-Streifen zu entdecken und alte Filme von Francesco Rosi
kann man sich auch mal (wieder im Kino) anschauen. Aber eins kann
man sich auf jeden Fall sparen: und das sind die großen
Vorpremieren, wie THE HORSE WHISPERER oder THE WINGS OF THE DOVE -
nicht weil die Filme schlecht wären, sondern allein aus dem Grund,
daß sie in den nächsten Monaten eh1 im Kino laufen werden - und
dann ist schließlich keine Fußballweltmeisterschaft mehr!
Max Herrmann
Wer sich vor allem für Dokumentarfilme interessiert,
der hat, wie immer, ein Problem weniger als andere Filmfestbesucher.
Alle Documentaries sind im Gasteig (Vortragssaal der Bibliothek)
zu sehen. Das lästige hin und her fahren und die schwierige
Kombination der Termine fallen also schon mal weg. Bei den Documentaries
gibt es diesmal eine Reihe von Porträts über die unterschiedlichsten
Menschen. Über Künstler, wie die Schauspielerfamilie
Bennent in BENNENT MAL VIER und Revolutionäre, wie Ernesto
Guevara in EL CHE. Ein gutes Kontrastprogramm und eine Gelegenheit
wiedermal etwas von interessanten Menschen mitzubekommen. Wen
Tiere mehr interessieren, soll ja vorkommen, für den ist
dann wohl eher die Reihe Faszination Natur etwas!
Andrea Wienen
Ich habe ganz fest einen Vorsatz gefaßt: dieses Jahr werde
ich auf dem Filmfest deutlich weniger Filme anschauen. Ich werde
nicht jeden Tag in alles reinrennen, was halbwegs interessant
klingt; werde von Anfang an strenger auswählen und mir dadurch
mehr Zeit schaffen für Begegnungen mit den Filmfest-Gästen,
für Interviews und Gespräche - und für so Dinge
wie Biergarten, Privatleben und Fußball-WM. Hat ja auch
sonst alles keinen Sinn: Wie war das denn letztes Jahr? Als ich
täglich so um die vier Filme gesehen habe, und nachher ganz
deprimiert war, weil die meisten davon halt doch nur Mittelmaß
waren - wofür meine Toleranz bei geballter Dosis sehr schnell
gegen Null geht. Nein, nein; das brauch' ich nicht noch mal. Und
dieses Jahr sind ja die besten Voraussetzungen dafür gegeben,
daß ich den Vorsatz einhalte. Denn was ist im Programm
schon Tolles geboten? Fast alle wahren Highlights aus Cannes
(Sachen wie Lars von Triers IDIOTEN, Terry Gilliams FEAR AND
LOATHING IN LAS VEGAS) fehlen doch schon mal genauso wie der
neue Film von Guy Maddin (einst regelmäßiger und gerngesehener
Gast in München). Na ja, gut, da sind die beiden Retrospektiven:
Monte Hellman ist eigentlich komplett Pflicht, und von Francesco
Rosi gibt's vieles wahrscheinlich so schnell auch nicht wieder
zu sehen. Und einige Regisseure sind mit neuen Filmen vertreten,
um die ich schwer herumkommen werde: John Sayles, Jacques Rivette,
Ken Loach und Ann Hui zum Beispiel. Dann natürlich die paar
japanischen und chinesischen Filme - die lohnen sich fast immer.
Und, o.k., ANIMALS, SUICIDE KINGS, PERDITA DURANGO, THE SPANISH
PRISONER, NOOSE, SLIDING DOORS, THE APOSTLE, THE DECLINE OF WESTERN
CIVILIZATION PART III, PHANTOM PAIN, SURRENDER DOROTHY, MODULATIONS
- die möchte ich schon gerne alle sehen. Zugegeben, bei
den Dokumentarfilmen klingt einiges auch sehr spannend. Und ich
könnt' freilich auch mal wieder versuchen, meine Vorurteile
gegen den aktuellen deutschen Film abzubauen - da hat mir vorab
doch PLUS-MINUS NULL direkt Hoffnungen gemacht, und der neue
Eckhart Schmidt könnte auch interessant werden. Und wenn
man nicht im Kino sitzt - draußen gäb's ja auch noch
Charley Chase beim Open Air. Na ja, gute Vorsätze sind
ja eh' nur dazu da, gebrochen zu werden.
Thomas Willmann
|