Was dem Maler das Selbstportrait und dem Dichter die
Autobiographie ist, ist dem Filmemacher der Film im Film, denn
worüber sonst wüßte er besser Bescheid, als über allürenhafte
Darsteller, selbstherrliche Produzenten, größenwahnsinnige Autoren
und das ewig unzufriedene Publikum.
Früher waren Filme über Filme meist Spätwerke, in denen
altgediente Regisseure zum Teil wehmütig, zum Teil verbittert, zum
Teil ungläubig eine Resümee ihrer Erfahrungen in dieser Branche
zogen. Heute dagegen beginnen junge Talente ihre Karriere mit
Werken zu diesem Thema und sehen darin eine Art handwerkliches
Meisterstück, daß zeigt, was sie können, wer ihre Vorbilder sind
und wohin sie (filmisch) wollen, siehe z.B. IN THE SOUP.
Das Filmfest München bot in diesem Jahr gleich drei Filme, die
sich mit ihrem eigenen Medium befaßten, wobei paradoxerweise der
Beste davon ein (auf dem MFF im wieder umstrittener) Fernsehfilm
war.
MORE TEARS hieß dieses Lehrbeispiel an Zynismus und wurde vom
hinlänglich vorbelasteten Ken Finkleman gedreht. Mit Freuden
erinnere ich mich an Finklemans MARRIED LIFE, der vor zwei Jahren
beim MFF lief, und der auf aberwitzig verworrene Weise mit dem
grassierende Wahn des "Reality TV" abrechnete. Auch in MORE TEARS
laufen die Wirklichkeit, die Wirklichkeit im Film, die Wirklichkeit
im Film im Film, und die Wirklichkeit im Dokumentarfilm im Film im
Film, fließend durcheinander. Das klingt jetzt verwirrend
kompliziert, funktioniert aber oft auf einer überraschend einfachen
Ebene. Das einzige Manko des ganzen Films ist leider der Umstand,
daß er für das Fernsehen produziert wurde. Warum Finkleman das
Fernsehen dem Kino vorzieht, bleibt für mich ein unlösbares Rätsel.
Ich bin mir aber sicher, wenn er, und nicht Arthur Hiller die Regie
bei FAHR ZUR HÖLLE HOLLYWOOD übernommen hätte, wäre mir eine
schwere Enttäuschung erspart geblieben.
Als Paradebeispiel der von mir oben angeführten filmischen
Gesellenstücke, kann neben dem bereits erwähnten IN THE SOUP auch
LIVING IN OBLIVION, der 1995 ebenfalls beim MFF lief, gerechnet
werden. Der Regisseur dieses obskuren Schmuckstücks, Tom DiCillo,
war auch dieses Jahr wieder dabei und versprach die Jagd nach einer
REAL BLONDE. Leider hat DiCillo mittlerweile richtige Stars,
genügend Geld und den entsprechenden Bekanntheitsgrad um sich
prompt in gefälliger Belanglosigkeit zu verlieren. Der
beschwerliche Weg seines von Matthew Modine gespielten Heldens, der
eigentlich Schauspieler ist, sich aber mit unzumutbaren Jobs über
Wasser halten muß, bietet einige nette Witzeleien (die meist irgend
etwas mit Sex zu tun haben) und verläuft sich sonst in seinen
verschiedenen Handlungssträngen die nie wirklich zusammen passen
(wie genialer Weise etwa in SHORT CUTS vorgeführt). Zudem hat man
ständig das Gefühl in einem Lehrfilm zum Thema Zivilcourage zu
sitzen, um in Zukunft Holocaustleugnern und Machoschweinen richtig
begegnen zu können. Die von DiCillo auch in Gesprächen immer wieder
beschworene "fast mystische Suche amerikanischer Männer nach einer
echten Blondine" hat sich mir dagegen leider nicht erschlossen. Das
einzig und allein der kurze Auftritt von Steve Buscemi als
Videoclipregisseur, zu größerer Begeisterung im Publikum führte,
war in vielerlei Hinsicht bezeichnend.
Während DiCillo also dem Mythos der echten Blondine hinter her
rennt, huldigte Philip Messina mit seinem Film WITH FRIENDS LIKE
THESE dem Mythos Martin Scorsese. Bedenkt man die ehrfürchtigen
Äußerungen Messinas über den Status, den Scorsese in Amerika
besitzt und sieht man zudem die "Segnung", die Scorsese dem Film
durch einen kleinen Gastauftritt gibt, dann verwundert einen das
unspektakuläre Endergebnis. Da ich selbst zu den grenzenlosen
Bewunderern Scorseses gehöre, und die Geschichte von einigen
Schauspielkameraden, deren Freundschaft spätestens bei der
Hauptrolle von Martys neuer AL CAPONE - Verfilmung aufhört, sehr
vielversprechend klang, war ich über das, was ich sah schwer
enttäuscht (einmal mehr der Fluch der zu hohen Erwartungen !). Um
WITH FRIENDS... kurz zu umschreiben fällt mir leider nur ein sehr
abschätziges Wort ein: Nett. Nette Witze, nette Gastauftritte,
nette Schauspieler (wobei die weiblichen Rollen durch die Bank
besser gespielt waren als die männlichen), nette Anspielungen usw.
usf. Ansonsten laviert sich der Film so zum Ende hin, und wenn
Scorsese dann tatsächlich auftritt, ist das weder spannend noch
aufregend. Davon, daß der Großteil der Schauspieler kein
komödiantisches Talent besitzt, oder daß der Film trotz seiner
ständigen Verweise auf Scorsese an visueller Einfallslosigkeit kaum
zu übertreffen ist (im Gegensatz dazu der famose SWINGERS auf dem
MFF 1997) oder daß die wirklich unangenehmen Seiten des
Filmgeschäfts vollkommen ignoriert wurden (im Gegensatz dazu der
geniale MISTRESS), will ich erst gar nicht anfangen.
Michael
Haberlander
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