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Der Film im Film im Festival

  09.07.1998
 
 
 
 

Was dem Maler das Selbstportrait und dem Dichter die Autobiographie ist, ist dem Filmemacher der Film im Film, denn worüber sonst wüßte er besser Bescheid, als über allürenhafte Darsteller, selbstherrliche Produzenten, größenwahnsinnige Autoren und das ewig unzufriedene Publikum.

Früher waren Filme über Filme meist Spätwerke, in denen altgediente Regisseure zum Teil wehmütig, zum Teil verbittert, zum Teil ungläubig eine Resümee ihrer Erfahrungen in dieser Branche zogen. Heute dagegen beginnen junge Talente ihre Karriere mit Werken zu diesem Thema und sehen darin eine Art handwerkliches Meisterstück, daß zeigt, was sie können, wer ihre Vorbilder sind und wohin sie (filmisch) wollen, siehe z.B. IN THE SOUP.

Das Filmfest München bot in diesem Jahr gleich drei Filme, die sich mit ihrem eigenen Medium befaßten, wobei paradoxerweise der Beste davon ein (auf dem MFF im wieder umstrittener) Fernsehfilm war.

MORE TEARS hieß dieses Lehrbeispiel an Zynismus und wurde vom hinlänglich vorbelasteten Ken Finkleman gedreht.
Mit Freuden erinnere ich mich an Finklemans MARRIED LIFE, der vor zwei Jahren beim MFF lief, und der auf aberwitzig verworrene Weise mit dem grassierende Wahn des "Reality TV" abrechnete. Auch in MORE TEARS laufen die Wirklichkeit, die Wirklichkeit im Film, die Wirklichkeit im Film im Film, und die Wirklichkeit im Dokumentarfilm im Film im Film, fließend durcheinander. Das klingt jetzt verwirrend kompliziert, funktioniert aber oft auf einer überraschend einfachen Ebene. Das einzige Manko des ganzen Films ist leider der Umstand, daß er für das Fernsehen produziert wurde. Warum Finkleman das Fernsehen dem Kino vorzieht, bleibt für mich ein unlösbares Rätsel. Ich bin mir aber sicher, wenn er, und nicht Arthur Hiller die Regie bei FAHR ZUR HÖLLE HOLLYWOOD übernommen hätte, wäre mir eine schwere Enttäuschung erspart geblieben.

Als Paradebeispiel der von mir oben angeführten filmischen Gesellenstücke, kann neben dem bereits erwähnten IN THE SOUP auch LIVING IN OBLIVION, der 1995 ebenfalls beim MFF lief, gerechnet werden. Der Regisseur dieses obskuren Schmuckstücks, Tom DiCillo, war auch dieses Jahr wieder dabei und versprach die Jagd nach einer REAL BLONDE. Leider hat DiCillo mittlerweile richtige Stars, genügend Geld und den entsprechenden Bekanntheitsgrad um sich prompt in gefälliger Belanglosigkeit zu verlieren. Der beschwerliche Weg seines von Matthew Modine gespielten Heldens, der eigentlich Schauspieler ist, sich aber mit unzumutbaren Jobs über Wasser halten muß, bietet einige nette Witzeleien (die meist irgend etwas mit Sex zu tun haben) und verläuft sich sonst in seinen verschiedenen Handlungssträngen die nie wirklich zusammen passen (wie genialer Weise etwa in SHORT CUTS vorgeführt). Zudem hat man ständig das Gefühl in einem Lehrfilm zum Thema Zivilcourage zu sitzen, um in Zukunft Holocaustleugnern und Machoschweinen richtig begegnen zu können. Die von DiCillo auch in Gesprächen immer wieder beschworene "fast mystische Suche amerikanischer Männer nach einer echten Blondine" hat sich mir dagegen leider nicht erschlossen. Das einzig und allein der kurze Auftritt von Steve Buscemi als Videoclipregisseur, zu größerer Begeisterung im Publikum führte, war in vielerlei Hinsicht bezeichnend.

Während DiCillo also dem Mythos der echten Blondine hinter her rennt, huldigte Philip Messina mit seinem Film WITH FRIENDS LIKE THESE dem Mythos Martin Scorsese. Bedenkt man die ehrfürchtigen Äußerungen Messinas über den Status, den Scorsese in Amerika besitzt und sieht man zudem die "Segnung", die Scorsese dem Film durch einen kleinen Gastauftritt gibt, dann verwundert einen das unspektakuläre Endergebnis. Da ich selbst zu den grenzenlosen Bewunderern Scorseses gehöre, und die Geschichte von einigen Schauspielkameraden, deren Freundschaft spätestens bei der Hauptrolle von Martys neuer AL CAPONE - Verfilmung aufhört, sehr vielversprechend klang, war ich über das, was ich sah schwer enttäuscht (einmal mehr der Fluch der zu hohen Erwartungen !). Um WITH FRIENDS... kurz zu umschreiben fällt mir leider nur ein sehr abschätziges Wort ein: Nett.
Nette Witze, nette Gastauftritte, nette Schauspieler (wobei die weiblichen Rollen durch die Bank besser gespielt waren als die männlichen), nette Anspielungen usw. usf.
Ansonsten laviert sich der Film so zum Ende hin, und wenn Scorsese dann tatsächlich auftritt, ist das weder spannend noch aufregend.
Davon, daß der Großteil der Schauspieler kein komödiantisches Talent besitzt, oder daß der Film trotz seiner ständigen Verweise auf Scorsese an visueller Einfallslosigkeit kaum zu übertreffen ist (im Gegensatz dazu der famose SWINGERS auf dem MFF 1997) oder daß die wirklich unangenehmen Seiten des Filmgeschäfts vollkommen ignoriert wurden (im Gegensatz dazu der geniale MISTRESS), will ich erst gar nicht anfangen.

Michael Haberlander

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