Eine deutsche Szene: Der leere Betonkessel des Münchner
Olympiastadions. In der Nordkurve verlieren sich ca 1500 Zuschauer,
die davor bereits beim Anstehen für das Buffet (wahlweise
Rostbratwürstel mit Kraut oder Fernöstlich mit Reis) eineinhalb
Stunden Gelegenheit hatten, sich untereinander bekannt zu machen.
Der Rasen des Stadions ist übersäht mit weißlichen runden
Leuchtkörpern, die ungefähr doppelt so groß sind, wie Fußbälle. Vor
der Kurve ist eine Leinwand aufgebaut und eine Bühne. Davor stehen
unmotiviert ein paar Grünpflanzen in Holzbottichen, ungefähr so, wie
man sie im Büro hat, nur größer. Möglicherweise sollen sie eine Art
Verbundenheit mit der Natur repräsentieren, und das kann ja nie
schaden. Davor sind leere Ölfässer plaziert, zerbeulte natürlich,
und sie brennen. Das symbolisiert wahrscheinlich eine Art
Verbundenheit mit der Southbronx, gefährliches Leben also. Davor
dann ein roter Teppich, der steht bekanntlich für Glamour.
Spätestens jetzt haben es alle gemerkt: Wir befinden uns bei der
Premiere eines deutschen Films.
Es handelt sich natürlich nicht -wir sind in Deutschland- um
irgendeinen Film, sondern um den "größten Abenteuer- und
Actionfilm, den Deutschland je gemacht hat", wie Jan Körbelin
erzählt, der Programmdirektor von Pro7, die die Financiers des
Projekts sind. Falls Sie noch nicht selber darauf gekommen sind,
gemeint ist CASCADEUR - DIE JAGD NACH DEM BERNSTEINZIMMER von Hardy
Martins. Körbelin gefällt der Film so gut, daß er "gleich noch
100.000 Mark schenken" wollte, um die Kosten des Films zu decken.
Schön, wenn man spendable Freunde hat.
Wie wird eigentlich ein deutscher Film vermarktet? Der
Marketingaufwand für CASCADEUR, der diese Woche startet, und über
dessen filmische Qualitäten wir an anderem Ort etwas geschrieben
haben, ist groß. Doch nur fassungslos konnte man am Samstag die
Premierenfeier von CASCADEUR miterleben, die eine Peinlichkeit an
die andere reihte. War es Desorganisation, oder interessierte es
niemanden ? Der Münchner Kulturreferent, der Nida-Rümelin heißt,
wurde von Moderatorin Nadine Krüger "Nida-Niemöller" genannt. Kann
vorkommen. Turnvater Eberhard Ginger sprang mit der
Hauptdarstellerin per Fallschirm ab, und landete viel zu früh.
Kommt ebenfalls vor. Die Hauptdarstellerin des Films, Frau
Grauwiller, fragte Ginger dann auf der Bühne: "wie heißen sie
eigentlich ?" Kann auch vorkommen. Ebenso stockbesoffene,
schlägernde und unfreundliche Darsteller, falsch eingelgte, doppelt
vorgeführte oder gar nicht gezeigte Filme. Nur alles zusammen ist
vielleicht ein wenig too much.
Wenn dann noch im Presseheft davon die Rede ist, Multitalent
(Regisseur, Produzent, Ideenlieferant, Hauptdarsteller, Stuntman)
Hardy Martins habe durch den Rückzug seines Stuntpartners "den
letzten Kick" erhalten, "diese monströse Aufgabe auch wirklich
anzugehen", und in diesem Kindergartendeutsch der ganze Text
formuliert ist, dann bekommt man den Eindruck, das alle im Team
einen Dachschaden haben. Oder einfach zu viele Stunts
gemacht.
Rüdiger Suchsland
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