In der Unterhaltungsbranche gibt es zwei alte Weisheiten, die
kritisch gesehen absolut unhaltbar sind, uns aber als
Ausgangspunkt der folgenden Betrachtung genügen sollen.
Merksatz 1: Clowns (respektive Filmkomiker) sind im Grunde meist
sehr ernste Menschen. Merksatz 2: Nichts ist schwieriger, als
das Publikum zum Lachen zu bringen.
Wir glauben für einen Moment blind an diese Theorien und kommen
dadurch zu dem erstaunlichen Schluß: Da Komiker ohnehin ernste
Menschen sind, muß es für sie ein Leichtes sein, sich in einer
ernsten Rolle zu bewähren.
Wenn wir jetzt einen Blick auf die Realität werfen, um diese
Behauptung zu überprüfen, treffen wir schon auf das erste Problem.
Wer ist ein echter Komiker ? Auf Anhieb fallen jedem von uns
Dutzende von Komödien ein aber spielen darin wirklich nur Komiker
? Die Besetzung von z.B. VERRÜCKT NACH MARY beweist das
Gegenteil (Lee Evans einmal ausgenommen). Ich gehe sogar so weit
zu behaupten, daß jemand wie Leslie Nielsen eigentlich kein guter
Komiker ist. Das Leute wie Nielsen oder Matt Dillon in VERRÜCKT
NACH MARY komisch wirken, liegt vor allem ihren Regisseuren wie
den Zucker Brüdern, den Farrelly Brüdern, Barry Sonnenfeld oder
Mel Brooks. Auf gehobener Ebene funktioniert das etwa bei Woody
Allen, der noch aus den ungewöhnlichsten Schauspielerensembles ein
komisches Ganzes macht.
Apropos Woody Allen. Betrachtet man das Werk Allens gemäß
unseren beiden Merksätzen, ergibt sich ein ambivalentes Bild. Im
Komiker Woody steckt durchaus der seriöse Allen, weshalb er von
Zeit zu Zeit anstelle einer Komödie eine Tragödie oder ein Drama
dreht. Die Gleichgültigkeit bzw. Ablehnung die diese ernsten Filme
in der Regel beim Publikum hervorrufen, scheint jedoch zu zeigen,
daß es für manche offensichtlich doch einfacher ist, die Leute zum
Lachen als zum Weinen zu bringen. Aber Woody Allen ist ein
schlechtes Beispiel, da er sogenanntes "Kopfkino" macht. Gehen wir
über zum "Gesichtskino". Reden wir also über Jim "The Face"
Carrey.
Das erstaunliche an Carreys momentanen Erfolg in DIE TRUMAN SHOW
ist ja nur zu einem Teil seine schauspielerische Leistung darin.
Ebenso faszinierend ist die Frage, wie der anerkannte Regisseur
Peter Weir auf die Idee kommt, einen Mann, der in seinen
bisherigen Filmen vor allem durch riesige Gagen, geschmacklose
Hemden und unmenschlichen Grimassen aufgefallen ist, für diese
Hauptrolle zu verpflichten. Die Lösung dieser Frage ist
überraschend schlicht: Type - Casting. In einem Interview hat
Weir sehr einleuchtend erklärt, daß DIE TRUMAN SHOW nur mit einem
Hauptdarsteller funktionieren konnte, der auch im "wirklichen
Leben" ein Superstar ist, den somit jeder kennt und den jeder
lustig findet. Anscheinend ist es also tatsächlich eine Kunst
komisch zu sein, denn wenn es in ernsten Filmen die Rolle eines
Komikers zu besetzten gibt, zieht man echte Komiker jedem noch so
arrivierten Schauspieler vor. Den witzigen DJ in GOOD MORNING
VIETNAM spielt dann eben Robin Williams, den schlechtesten Standup
Comedian aller Zeiten zeigt uns Bill Murray in MADDOG AND GLORY
und wer könnte die alternde Entertainment Legende aus Las Vegas in
FUNNY BONES besser darstellen als die alternde Entertainment
Legende Jerry Lewis ?
Ist mit diesen Beispielen also die Theorie vom Komiker als gutem
Charakterdarsteller bewiesen ? Nein, denn auf jeden dieser Filme
kommt zumindest ein weiterer, in dem ein Komiker fehl am Platz
ist. Etwa in DIE UNSICHTBARE FALLE, in dem Steve Martin den
Bösewicht mimt und so krampfhaft versucht nicht komisch zu sein,
daß er nur langweilt. Ober Danny de Vito in der John Grisham
Verfilmung DER REGENMACHER, in dem es ihm nicht gelingt seine
Quirligkeit abzulegen. Oder Dan Aykroyd in MY GIRL, was
grundsätzlich daran liegt, daß Aykroyd ein schlechter Schauspieler
ist, egal ob komisch oder nicht. Oder John Cleese in FRANKENSTEIN,
was aber weniger mit dem Talent des Ex - Monty Python als vielmehr
mit der blutleeren Regie von Kenneth Branagh zu tun hat.
Es zeichnet sich ab, daß sich die oben gemachte Schlußfolgerung
weder rundum beweisen noch kategorisch widerlegen läßt. So
oder so wird uns die absolute Steigerung dieser Vermischung aus
Ernsthaftigkeit und Komik bald der neue Film von Martin Scorsese
bringen. Angeblich wird in dieser filmischen Biographie Dean
Martins der Megakomiker der 90er, Jim Carrey, den Megakomiker der
70er, Jerry Lewis (der bereits selber einen Komiker in Scorseses
KING OF COMEDY dargestellt hat) verkörpern. "Im Ernst ?" fragen
Sie jetzt ungläubig. "Im Ernst !" antworte ich zweideutig.
Michael Haberlander
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