Das Fernsehen ist schlecht. Das Fernsehen ist der Feind des
Kinos. Über das Fernsehen sollte man an dieser Stelle eigentlich
gar nicht reden. Da aber jeder Kinofilm irgendwann im
Fernsehen endet und die Macht und das Geld der Sendeanstalten
sowohl die Produktion neuer Filme, als auch die Vorlieben der
Kinobesucher beeinflusst, kann man dieses Medium nicht so ohne
weiteres ignorieren.
Sucht man im Fernsehen dann nach echten cineastischen Genüssen,
so erlebt man eine wahre Flut von Emotionen. Es sind dies Gefühle
wie Hass oder Verachtung, Verzweiflung, Trauer bis hin zur
Todessehnsucht, denn die Sender halten ein ganzes Arsenal von
Folterwerkzeugen bereit, um selbst die wunderbarsten Kinofilme auf
das scheinbar gewünschte Niveau eines billigen Fernsehfilms
herabzusetzen. Reden wir heute aber nicht von Werbepausen,
Vollbildversionen, Schnitten, unterschlagenen Abspännen,
Gewinnspiellaufbändern während des Films oder ähnlichen Abgründen.
Nein, reden wir heute schlicht von Programmgestaltung und nehmen
zur Veranschaulichung das "Feiertagsmenü", das uns die Öffentlich
Rechtlichen und die Privaten seit Weihnachten präsentierten.
Beginnen wir am Heilig Abend und fassen uns erst einmal kollektiv
an den Kopf. Sicher, Weihnachten hat viel von seinem ursprünglichen
Sinn verloren, besteht nur noch aus Kommerz und in Zeiten des
aufgeklärten Menschen glaubt niemand mehr an ein Fest der Liebe. So
weit die Theorie. Grassierende Vorweihnachtsdepressionen bei
Alleinstehenden, emotionelle Ausbrüche bei ansonsten sehr
vernünftigen Menschen und das allgemeine Bedürfnis nach einem
besinnlichen (was immer das Wort bedeuten mag) Weihnachten sprechen
Jahr für Jahr eine andere Sprache. Was sich die
Programmverantwortlichen von Pro 7 dabei gedacht haben, am Hl.
Abend CONAN DER BARBAR zu zeigen, entzieht sich darum vollkommen
meiner Vorstellungskraft. Wem Arnold als Schlächter an diesem
Tag zu heftig war, der konnte einfach auf Arte wechseln und sich
bei LAUREL & HARDY IM WILDEN WESTEN vergnügen. Dieser
Sendeplatz verwundert nun aber fast genau so, wie der von CONAN. Da
hat man also einen gewaltfreien, sexfreien, schimpfwortfreien und
unterhaltsamen Film, der geradezu prädestiniert für ein junges
(natürlich auch für ein erwachsenes) Publikum wäre und man verbannt
ihn - wie fast alle Filme der Laurel & Hardy Reihe auf Arte -
auf einen Platz nach 22.00 Uhr. Dieses Schicksal trifft nicht nur
Laurel & Hardy, auch Charlie Chaplins Filme sind kaum mehr vor
Mitternacht zu sehen und die Marx Brothers durften am 1.1.2000 erst
um 1.00 Uhr Nachts ihre harmlosen Späße im Kaufhaus treiben (etwa
eine Stunde nachdem auf einem anderen Sender Linda Blair in DER
EXORZIST der Teufel ausgetrieben wurde).
Und schon sind wir beim verwunderlichen, ärgerlichen und
unsinnigen Verstecken von Qualitätsfilmen im Nachtprogramm. Da gibt
es UHRWERK ORANGE um 0.00 Uhr, DAS HOCHZEITSBANKETT um 1.05 Uhr,
BREAKING THE WAVES um 23.35 Uhr, KOYAANISQATSI um 1.15 Uhr usw.
usf. Selbst hochgelobte, im Kino erfolgreiche und mit Stars
besetzte Erstausstrahlungen wie NACHT ÜBER MANHATTAN oder DER
ENGLISCHE PATIENT schaffen es kaum vor 22.00 Uhr auf den Bildschirm
und die Frage, warum die ARD den preisgekrönten EISSTURM von Ang
Lee erst um 23.35 Uhr zeigte, gehört für mich zu den großen Rätseln
des Jahrtausends. Zur gleichen Zeit liefen auf SAT 1 bzw. RTL 2
Filme mit so schillernden Titeln wie PASSION OVERKILL oder
HIGH-LIFE KLINIK (Regie Alan Smithee !!!). Sind das die Gewässer,
in denen die ARD nach dem interessierten Filmfreund fischt ?
Auf solche Mißstände angesprochen, verteidigen sich die
Verantwortlichen gerne damit, dass zu wenig Leute solch
anspruchsvolle Filme sehen wollten, um ihnen einen Platz zur
Hauptsendezeit geben zu können. Aussagen wie diese erstaunen dann
doch, wenn einem der Sender Vox (der bisher kaum durch
künstlerischen Altruismus aufgefallen ist) innerhalb einer Woche
jeweils um 20.15 Uhr die Filme CARRINGTON, JANE EYRE und ERKLÄRT
PEREIRA präsentiert. Das die Leute zur Hauptsendezeit nicht nur
leichte Unterhaltung sehen wollen, haben dabei die Öffentlichen mit
einer Serien wie KLEMPERER ganz gut selber bewiesen.
Während bei den Privaten oft genug ein wirtschaftliches oder
quotenorientiertes Verhalten als Erklärung für manche Torheit
dienen kann, so entzieht sich die Programmeinteilung der
Öffentlichen oft genug jedem logischen Denken. Als etwa Pro 7
nach großen Vorankündigungen um 20.15 Uhr das Remake von SABRINA
mit Harrison Ford ausstrahlt, setzt das ZDF einen TV - Zweiteiler
mit dem bezeichnenden Titel DER ARABISCHE PRINZ dagegen. Die
geistreiche Feiertagskomödie FAMILIENFEST UND ANDERE
SCHWIERIGKEITEN von Jodie Foster, die es mit SABRINA hätte
aufnehmen können, verwies das ZDF dagegen in aller Stille ins
Nachmittagsprogramm um 17.15 Uhr und ließ es damit gegen STARFIRE
(Regie Alan Smithee !!!) auf Pro 7 antreten. Verkehrte Welt.
Warum rege ich mich aber über so etwas auf ? Warum programmiere
ich nicht einfach meinen Videorecorder und nehme die guten Filme
auf, egal ob um 11.00 Uhr oder 3.00 Uhr ? Nun, mich stört
einfach, wie die Fernsehanstalten mit Filmkunstwerken umgehen, wie
sie sie als Lückenfüller missbrauchen, wie sie ihnen einen Platz
hinter Talkshows, Volksmusikmist und Sportübertragungen zuweisen,
wie man es dem Zuschauer unmöglich macht, beim zappen zufällig bei
einen Film wie DER EISSTURM hängen zu bleiben und wie einem durch
diese schlechten Sendeplätze zwischen den Zeilen gesagt wird: Jeder
der so verrückt ist, sich einen solchen Film anzuschauen, wird ihn
sich auch um 1.00 Uhr Nachts nicht entgehen lassen.
Das Fernsehen ist schlecht. Das Fernsehen ist der Feind des
Kinos. Über das Fernsehen hätte ich an dieser Stelle eigentlich
gar nicht reden sollen.
Michael Haberlander
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