Zwei Motti (Mottos? Motten?) geben wir für diese Woche aus, als
sie da wären: "Let's go back - way back - back into time." Und
"I've got the strange feeling of DÉJA VU!" Eine Zeitreise
gibt's zunächst mal anzutreten am Montag. Da geht's im Filmmuseum
fast soweit zurück, wie man in der Kinogeschichte nur gehen kann -
nämlich bis zu den Lumières. Die waren zwar nicht (wie gemeinhin
behauptet) die wirklich allerersten Kinomacher (wobei's da auch
stark auf die genaue Definition von "Kino" ankommt), aber zumindest
gehören sie zu den ersten, die bewegte, projezierte,
photographische Bilder vor einem zahlenden Publikum vorgeführt
haben. Da war Kino noch kein bürgerliches Erzähl-Medium, sondern
Spektakel, Magie, Schaufenster. Und wer sich drauf einläßt, kann
heute die Faszination der (damals) neuartigen Apparatur noch immer
spüren, speziell wenn die Lumière-Filme wie sich's gehört auf einer
größeren Leinwand zu sehen sind. Das sollte jede und jeder, die
sich nicht damit zufrieden geben wollen zu glauben, dass das
heutige Mainstream-Kino die einzig wahre und mögliche Form des
Kinos ist, unbedingt mal selbst erfahren haben. Außerdem ist da
am Montag im Filmmuseum auch zu erfahren, was frühes Kino in
Deutschland mit Schokolade zu tun hat. (Verraten wir jetzt nicht -
ein bißchen Spannung muss schon sein...) Und es gibt mal wieder
eine Chance, LUMIÈRE ET
COMPAGNIE zu sehen. Da wurden 1995 einige Dutzend mehr oder
minder berühmter RegisseurInnen aufgefordert, zum 100. Jubiläum der
ersten Lumière-Vorführung einen Film unter genau den selben
Bedingungen zu produzieren, mit denen die Kinopioniere damals
arbeiten mussten. Das heißt: Die original Lumière-Kurbelkamera
wurde ausgepackt, es gab einen Schwarz-weiß Filmstreifen für
ungefähr eine Minute, und dann wurde ohne Ton drauflosgedreht. Die
Ergebnisse fielen extrem unterschiedlich aus, von der Hommage an
die Lumières über Auseinandersetzungen mit der Natur des Kinos, vom
Surrealen bis zum Naiv-Spielerischen gehen sie. Michael Hanneke
beweist, dass er auch in nur einer Minute unerträglich prätentiösen
Scheißdreck mit erhobenem Zeigefinger abliefern kann, Jacques
Rivette überrascht mit Humor und seinem ersten Film, der zu kurz
geraten ist. Für den bizarr-barocken, unheimlich raffinierten und
aufwendigen Beitrag von David Lynch aber lohnt sich der komplette
Abend schon ganz allein. (FILMMUSEUM: Lumière & die
Anfänge des Kinos in Deutschland, Mo. 19:00)
Ebenfalls zurück in der Zeit (von uns aus), bzw. jetzt wieder ein
Stück vorwärts (von den Lumières aus) geht's am selben Ort am
Wochenende. Und da ereilt uns dann das seltsame Gefühl des déja vu.
Da gibt's nämlich viermal den gleichen - und davon zweimal den
selben - Film zu sehen. (Na ja gut, nicht wirklich den gleichen,
sondern Verfilmungen der gleichen Romanvorlage...) Erstmal als
Stummfilm aus der Stummfilmzeit (nein, das ist kein Pleonasmus):
JOHAN heißt er da und ist aus Schweden. Dann als Tonfilm aus
Finnland von 1936, da nennt er sich JUHA. Und unter dem selben
Titel, auch aus Finnland, aber wieder als Stummfilm, obwohl von
1999, gibt's ihn dann einmal mit Musik und Geräuschen von der
Tonspur, einmal mit Live-Klavierbegleitung. Jawoll, Aki
Kaurismäkis konsequentester Ausflug in die Welt des Schweigens ist
endlich noch einmal zu sehen. Quasi ein unbeabsichtigter Nachklapp
zu der Besten-Lese Ende des Jahres - weil der Film leider
sträflichst unterschätzt und vernachlässigt wurde. Aber wir
haben uns ja zu dieser Perle schon ausführlich geäußert und können
nun beruhigt einfach nochmal sagen: reingehen, schwelgen, beglückt
sein. (FILMMUSEUM: JUHA, JUHA & JOHAN - Fr.-So. 18:00,
So. 20:30 (Genaueres siehe Programm))
Dass sie nun gleich das Gefühl des déja vu beschleichen wird,
können wir wohl kaum verhindern. Aber es ist nun mal so mit den
weisenden Worten des Herrn Oehmann: Sie sind zeitlos. Ob zurück
oder vorwärts auf Vatter Chronos Bahn - ihre Gestalt ist ehern,
unwandelbar und immerdar. Ob auf früh-sumerischen
Tontafel-Inschriften, ob in einem der weniger bekannten Bücher der
Apokryphen; ob in verschollenen Fußnoten zu Plato, ob in Graffittis
in Pompeji; ob in den Pergamentfolianten benediktinischer Mönche,
ob unter den Noten der sixtinischen Kapelle (get it?); ob im
Aufnahmeritus der Freimaurer, ob in Lichtenbergs Sudelbüchern; ob
auf einer der Seiten von "Ulysses", die nie wer gelesen hat, ob
tief im Source-Code von Windows 98; ob Fußball ist oder nicht - sie
stehen felsenfest und lauten heut' wie eh und je: "Samstags
Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die
Artechock-Redaktion
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