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Der Filmfreund rät...

  27.01.2000
 
 
 
 

Zwei Motti (Mottos? Motten?) geben wir für diese Woche aus, als sie da wären: "Let's go back - way back - back into time." Und "I've got the strange feeling of DÉJA VU!"
Eine Zeitreise gibt's zunächst mal anzutreten am Montag. Da geht's im Filmmuseum fast soweit zurück, wie man in der Kinogeschichte nur gehen kann - nämlich bis zu den Lumières. Die waren zwar nicht (wie gemeinhin behauptet) die wirklich allerersten Kinomacher (wobei's da auch stark auf die genaue Definition von "Kino" ankommt), aber zumindest gehören sie zu den ersten, die bewegte, projezierte, photographische Bilder vor einem zahlenden Publikum vorgeführt haben. Da war Kino noch kein bürgerliches Erzähl-Medium, sondern Spektakel, Magie, Schaufenster. Und wer sich drauf einläßt, kann heute die Faszination der (damals) neuartigen Apparatur noch immer spüren, speziell wenn die Lumière-Filme wie sich's gehört auf einer größeren Leinwand zu sehen sind. Das sollte jede und jeder, die sich nicht damit zufrieden geben wollen zu glauben, dass das heutige Mainstream-Kino die einzig wahre und mögliche Form des Kinos ist, unbedingt mal selbst erfahren haben.
Außerdem ist da am Montag im Filmmuseum auch zu erfahren, was frühes Kino in Deutschland mit Schokolade zu tun hat. (Verraten wir jetzt nicht - ein bißchen Spannung muss schon sein...) Und es gibt mal wieder eine Chance, LUMIÈRE ET COMPAGNIE zu sehen. Da wurden 1995 einige Dutzend mehr oder minder berühmter RegisseurInnen aufgefordert, zum 100. Jubiläum der ersten Lumière-Vorführung einen Film unter genau den selben Bedingungen zu produzieren, mit denen die Kinopioniere damals arbeiten mussten. Das heißt: Die original Lumière-Kurbelkamera wurde ausgepackt, es gab einen Schwarz-weiß Filmstreifen für ungefähr eine Minute, und dann wurde ohne Ton drauflosgedreht. Die Ergebnisse fielen extrem unterschiedlich aus, von der Hommage an die Lumières über Auseinandersetzungen mit der Natur des Kinos, vom Surrealen bis zum Naiv-Spielerischen gehen sie. Michael Hanneke beweist, dass er auch in nur einer Minute unerträglich prätentiösen Scheißdreck mit erhobenem Zeigefinger abliefern kann, Jacques Rivette überrascht mit Humor und seinem ersten Film, der zu kurz geraten ist. Für den bizarr-barocken, unheimlich raffinierten und aufwendigen Beitrag von David Lynch aber lohnt sich der komplette Abend schon ganz allein.
(FILMMUSEUM: Lumière & die Anfänge des Kinos in Deutschland, Mo. 19:00)

Ebenfalls zurück in der Zeit (von uns aus), bzw. jetzt wieder ein Stück vorwärts (von den Lumières aus) geht's am selben Ort am Wochenende. Und da ereilt uns dann das seltsame Gefühl des déja vu. Da gibt's nämlich viermal den gleichen - und davon zweimal den selben - Film zu sehen. (Na ja gut, nicht wirklich den gleichen, sondern Verfilmungen der gleichen Romanvorlage...) Erstmal als Stummfilm aus der Stummfilmzeit (nein, das ist kein Pleonasmus): JOHAN heißt er da und ist aus Schweden. Dann als Tonfilm aus Finnland von 1936, da nennt er sich JUHA. Und unter dem selben Titel, auch aus Finnland, aber wieder als Stummfilm, obwohl von 1999, gibt's ihn dann einmal mit Musik und Geräuschen von der Tonspur, einmal mit Live-Klavierbegleitung.
Jawoll, Aki Kaurismäkis konsequentester Ausflug in die Welt des Schweigens ist endlich noch einmal zu sehen. Quasi ein unbeabsichtigter Nachklapp zu der Besten-Lese Ende des Jahres - weil der Film leider sträflichst unterschätzt und vernachlässigt
wurde. Aber wir haben uns ja zu dieser Perle schon ausführlich geäußert und können nun beruhigt einfach nochmal sagen: reingehen, schwelgen, beglückt sein.
(FILMMUSEUM: JUHA, JUHA & JOHAN - Fr.-So. 18:00, So. 20:30 (Genaueres siehe Programm))

Dass sie nun gleich das Gefühl des déja vu beschleichen wird, können wir wohl kaum verhindern. Aber es ist nun mal so mit den weisenden Worten des Herrn Oehmann: Sie sind zeitlos. Ob zurück oder vorwärts auf Vatter Chronos Bahn - ihre Gestalt ist ehern, unwandelbar und immerdar. Ob auf früh-sumerischen Tontafel-Inschriften, ob in einem der weniger bekannten Bücher der Apokryphen; ob in verschollenen Fußnoten zu Plato, ob in Graffittis in Pompeji; ob in den Pergamentfolianten benediktinischer Mönche, ob unter den Noten der sixtinischen Kapelle (get it?); ob im Aufnahmeritus der Freimaurer, ob in Lichtenbergs Sudelbüchern; ob auf einer der Seiten von "Ulysses", die nie wer gelesen hat, ob tief im Source-Code von Windows 98; ob Fußball ist oder nicht - sie stehen felsenfest und lauten heut' wie eh und je:
"Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."

Viel Spaß dabei wünscht Ihnen

Die Artechock-Redaktion

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