Die Hauptstadt ruft die Kinofans, Filmfreunde und Cinéasten, und
diesmal folgt Artechock mit noch größerem Aufgebot. Was heißt, das
die Personaldecke der Heimmannschaft im Münchner Basiscamp für die
nächsten zwei Wochen etwas dünn wird - und wir z.B. nicht
garantieren können, dass diese Rubrik ein Update erfahren wird.
(Keine Sorge: Die Berlinale-Berichterstattung sollte Ihnen dennoch
genug Lesestoff bieten.) Zur Sicherheit also diesmal Tips gleich
für die nächsten vierzehn Tage - damit Sie uns dann nicht dastehen
und nicht wissen, was mit Ihrer Freizeit anfangen. Und womöglich
dumme Sachen anfangen wie Wett-Häkeln oder Dackelzucht.
Im Prinzip würden wir ja einfach empfehlen, mit nach Berlin zu
kommen. Aber damit sich die Daheimgebliebenen nicht allzusehr
grämen müssen, sei gesagt: Auch München bietet im Kino Schönes. Und
zwar wahrscheinlich mehr, als wir momentan schon wissen. Das
Werkstattkino nämlich ist bekannt dafür, die Berlin-Fahrer gerne
ein bisserl zu tratzen mit feinen Schmankerl-Programmen für
diejenigen, die dem Bayerischen Millionendorf treu bleiben. Was das
diesmal sein wird, wissen wir momentan noch nicht. Wir können aber
nur wärmstens empfehlen: Augen offenhalten! Es wird sich ziemlich
sicher lohnen.
Ganz sicher hingegen können wir schon sagen, dass auch das Filmmuseum
unsere sog. weiß-blaue Metropole nicht im Stich läßt. Dort
kann man zunächst mal ausgiebig den 100. Geburtstag von Luis
Buñuel feiern. Nicht mit Kuchen, Kerzen und Luftschlangen,
sondern mit einer halbwegs umfangreichen Auswahl seiner Spielfilme.
Was fehlt, sind leider frühe und seltene Werke. Aber immerhin
gibt's Buñuels Klassiker ab den 50'er so ziemlich lückenlos
zum wiedersehen oder zum entdecken - von ENSAYO DU UN CRIMÉN
über NAZARIN und VIRIDIANA bis zu CET OBSCURE OBJET DU DÉSIR
(und einige andere). Buñuels Attacken auf Bürgertum, Kirche
und Doppelmoral, seine oft selbst besessenen Studien verborgener
Obsessionen, seine gemäßigten Demontagen klassischen Erzählkinos
sind wohl besonders deswegen noch immer und immer wieder prima
genießbar, weil sie angenehm unverkrampft und spielerisch
daherkommen, weil ihnen das Verbissene meist fern liegt. Sein
Surrealismus ist in der Regel fröhlich, der unterschwellige
Hauch der Perversion schützt vor trockener Verkopftheit, fein
bissiger Humor liegt ihm mehr als Zähnefletschen. Deshalb
empfiehlt sich diese Reihe auch besonders für Filmfans, die
Berührungsängste zum "Kunst-Kino" abzubauen haben.
(FILMMUSEUM: "Zum 100. Geburtstag von Luis Buñuel",
jeweils Di./Mi. 19:00, Mi./Do. 21:15, sowie am 18. und 19. Februar
18:00, 23:00; Titel siehe Programm)
Bestens geeignet ist das Programm des Filmmuseum auch speziell
für Leute, die Montage hassen. Nein, nein, es gibt keine Filme für
Menschen, denen raffiniert geschnittene Szenen ein Graus sind.
Sondern gute Gründe, sich trotz Arbeit o.ä. auf den ersten Tag der
Woche zu freuen. Am 14. wäre da SHICHININ NO SAMURAI - auf gut
Deutsch DIE SIEBEN SAMURAI. Was meinen Sie? Kennen Sie ja schon?
Haben Sie gedacht! 160 Minuten kennen sie davon, und das sind 43
weniger, als der Film eigentlich haben sollte. Jetzt gibt's endlich
eine Chance, die ursprüngliche Original-Fassung - mit (englischen)
Untertiteln, versteht sich - in einem Münchner Kino zu sehen. Und
die ist selbstverständlich unbedingt zu nutzen. (Und überhaupt: Was
heißt "Kenn ich schon!"? Das ist nun wirklich kein Grund, sich
diesen formidablen Film nicht zum wiederholten Male
anzuschauen!) Nochmal satte 40 Minuten draufgepackt, und wir
haben die Laufzeit von GREED. Auch den kennen Sie vielleicht schon
erheblich kürzer: Erich von Stroheims gigantische "Mc
Teague"-Verfilmung, vielleicht sein magnus opus, bisher aber immer
nur in der vom Studio verhackstückelten und -huntzten Fassung
greifbar. Rick Schmidlin behauptet jetzt, sowas ähnliches wie
Stroheims eigentlich gemeintes Werk wieder hergestellt zu haben,
unter der Zuhilfenahme von einigen hundert Standfotos. Den (wohl
unrettbar verschollenen) Film wird's nicht wirklich ersetzen, aber
hoffentlich zumindest einen lebendigen Eindruck von dem vermitteln,
was hätte sein können (bzw. ja kurzfristig mal tatsächlich war).
Immerhin hat Mr. Schmidlin unlängst bei der Rekonstruktion von
Orson Welles' TOUCH OF EVIL ja schon sehr sorgfältige,
verantwortungsvolle und schöne Arbeit an den Tag gelegt. Das heißet
uns Hoffen. (FILMMUSEUM: SHICHININ NO SAMURAI (OmeU), Mo. 14.
Februar, 19:00; GREED - A RECONSTRUCTION (OF), Mo. 21. Februar,
19:00)
Was Sie am Wochenende zu tun haben, ausser sich auf den Montag zu
freuen, das wissen Sie ja wohl. Das brauchen wir Ihnen doch nicht
nochmal zu sagen. Das ist Ihnen doch bekannt und klar wie sonst
irgendwas, was ganz, ganz bekannt und klar ist. Das können Sie doch
schon im Schlaf aufsagen. Das versteht sich für Sie doch
mittlerweile von selbst. Das ist doch nun seit Jahr und Tag
vertraut, das können Sie vor- und rückwärts aufsagen und, wenn's
denn sein müsste, auch vierstimmig fugiert im Chor singen.
Ja. Aber nur zur Sicherheit. Nur für den Fall, dass es doch
jemand vergessen haben sollte. Dass jemand ohne den tröstlichen
Anblick der Worte weiß auf grau nicht ruhig schlafen kann. Dass
jemand hier an Gedächtnisschwund leidet oder auch neu ist. Dass
jemand meinen könnte, während der Herr Oehmann auf der Berlinale
weilte, möchte sein Sinn sich wandeln und mit ihm seine weisenden
Worte der Weisheit. Könnt' ja sein. Also nur deswegen hier
ebenso unmissverständlich wie unbestechlich. Zur Beruhigung und
-stätigung. Und für gleich zwei Wochen gültig: "Samstags
Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die
Artechock-Redaktion
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