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Der Filmfreund rät

  06.07.2000
 
 
 
 

Das große, millionenteure Hollywood-Sommerkino hat eine spannende Eigenart: Star-Namen, Werbekampagne und in einem Satz zusammenfassbares Grundkonzept sind für das Strömen der Zuschauermassen an die Kinokassen meist ausschlaggebender als die Beschaffenheit der Filme selbst. Und das gibt Freiheit. Im schlimmsten Falle dazu, langweiliges Routine-Handwerk abzuspulen wie bei, sagen wir, Wolfgang Petersen oder zynische Nullnummern-Feuerwerke abzubrennen wie Joel Schumacher. Im interessanteren Falle dazu, ein Kompromissprodukt zusammenzuschustern wie WILD, WILD WEST, das so aus allen Fugen gerät, dass es längst die Konventionen klassischen Erzählkinos hinter sich lässt und purer Surrealismus wird. Im besten Falle aber auch dazu, richtige Filmkunst durchzuschmuggeln. Brian DePalma ist einer, der sowas beherrscht und unter anderem mit MISSION: IMPOSSIBLE schon bestens vorexerziert hat. Das war eines der un- und missverstandendsten Meisterwerke der 90er, ein großartiger filmischer Essay über Körper und Raum im Actionfilm in Zeiten grassierender Virtualität. Gesehen haben's unheimlich viele Leute, gemocht hat's kaum jemand: Die einen nicht, weil's zuwenig Explosionen gab und alles irgendwie voll komplex und verwirrend war, eyh. Die anderen nicht, weil sie sich für besonders klug halten, wenn sie über alles, was mehr als $20 Mio. Budget, Stars und Actionsequenzen hat die Nase rümpfen und genaueres Hinsehen für eine überflüssige Tugend halten.

MISSION: IMPOSSIBLE 2 wird voraussichtlich ein ähnliches Schicksal teilen. Der hat zwar mehr Action, aber erst nach anderthalb Stunden brillantem Kammerspiel. Und während die narrativen und filmischen Irritationen sparsamer gesät sind als beim Vorgänger, wird sich die ganze Großartigkeit des Films wieder nur auftun, wenn man bereit ist, wach zu schauen und zu denken. Aber lassen wir sie nur alle zetern und schimpfen und sich für toll und drüberstehend halten - die, die großes Hollywoodkino zwangsweise immer doof finden müssen; die, die selbst nach EYES WIDE SHUT und MAGNOLIA noch immer nicht gemerkt haben, dass Tom Cruise zu den Guten gehört; die, die irgendwann grade mal THE KILLER gesehen haben und sich jetzt soviel drauf einbilden, dass sie uns weissmachen wollen, M:I 2 sei "nicht so gut wie John Woos Hong Kong Filme". Wir lassen sie einfach ihren Unsinn reden und freuen uns derweilen an diesem Meisterwerk, an diesem grandiosen Kino-Geschenk.

Und deswegen muss unsere Empfehlung diese Woche auch schlicht und einfach lauten: MISSION: IMPOSSIBLE 2. (Wobei wir übrigens, nach dem, was wir ausschnittsweise von der Synchronfassung gesehen haben, mal wieder dringend zum Original raten würden...) Nicht, weil wir plötzlich auch allein dem Kommerz huldigen und uns PETITS FRÈRES und die kleine Soderbergh-Reihe im Werkstattkino, Bollywood-Musicals (REFUGEE, Mo 19:45 im Neuen Rottmann), Emigranten-Filme und Hitchcock im Filmmuseum nicht mehr wichtig wären oder uns nicht mehr begeistern könnten. Sondern einfach, weil M:I 2 großes, geniales Kino ist. Und auch jenseits der $100 Mio.-Grenze wahre (und auch unverstandene) Filmkunst stattfindet.

(Und weil auch zwischen den Grenzen von EM und Bundesligaauftakt irgendwo auf der Welt schon ein Kreis- oder Regionalligaspiel, ein Freundschafts- oder Trainingsmatch stattfinden wird, das unsereins im Fernsehen verfolgen kann, lautet Herrn Oehmanns Empfehlung schlicht und einfach und bewährt: "Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße.")

Viel Spaß dabei wünscht Ihnen

Die Artechock-Redaktion

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