Als sich vor einigen Jahren Firmen wie Sony oder
Panasonic in die großen Hollywoodstudios einkauften, kam das vielen
Amerikanern einem Landesverrat gleich. Hollywood, dieses
uramerikanische Symbol, vergleichbar mit Coca Cola oder Harley
Davidson, wurde an das Land ausverkauft, dass 50 Jahre früher Pearl
Harbor angegriffen hatte. Einem echten Amerikaner graute vor dieser
Vorstellung und viele sahen bereits den Verfall der amerikanischen
Filmkultur heraufziehen. Natürlich kam es nicht so, da auf der
Prioritätenliste der japanischen Konzerne die Zerstörung der
amerikanischen Kultur ganz weit hinter Punkten wie
Gewinnmaximierung oder Geschäftsfelderweiterung stand.
Doch zehn Jahre später bahnt sich in Hollywood scheinbar eine
ganz andere asiatische Vormachtstellung an. John Woos MISSION
IMPOSSIBLE II setzt Maßstäbe im Actionkino und zählt ebenso zu den
finanziellen Gewinnern, wie der umherfliegende Jet Lee in ROMEO
MUST DIE. Und während Jackie Chan den Markt der leichten
Unterhaltung bedient, steht Chow Yun Fat an der Seite von Stars wie
Mark Wahlberg oder Jodie Foster. Übernehmen die Asiaten durch
stete Unterwanderung nun doch die amerikanische Filmindustrie ?
Ganz eindeutig nein.
Im Vergleich zur Vergangenheit ist die asiatische Beteiligung in
Hollywood tatsächlich enorm gestiegen, aber das hat weniger mit
einem nachhaltigen künstlerischen Einfluss zu tun, als vielmehr mit
dem gewinnorientierten Pragmatismus der Filmstudios. So wie
neuerdings an allen Ecken und Ende Sushi-Bars und Asia-Shops
auftauchen, so sind auch asiatische Regisseure und Darsteller nur
eine nette Mode, die Hollywood für einige Monate oder Jahre einen
frischen Wind verleiht. Denn so gleichgültig, wenn nicht gar
abschätzend Hollywood ansonsten den anderen Filmnationen
gegenübersteht, so flexibel ist es doch in der Integrierung
ausländischer Filmschaffender. Ob Petersen, Emmerich, Harlin, Sam
Mendes als Regisseure oder Banderas, Schwarzenegger, Binoche oder
zuletzt Iben Hjejle (HIGH FIDELITY) als Darsteller. Während in
Amerika kein Mensch die Filme aus deren Heimat sehen will, sind sie
in und bei amerikanischen Produktionen gern gesehen. Dass sie bei
ihrer Arbeit in Amerika dabei etwas von der Filmkultur ihrer Heimat
mit einbringen, bleibt ein frommer Wunsch, man vgl. dazu aktuell
Petersens DER STURM oder Roland 'Mr. America' Emmerichs DER
PATRIOT.
Nun ergeht es nach Europa eben auch Asien so. Während man bisher
nur Filmstoffe aus Japan und Hongkong importierte (z. B. DIE SIEBEN
SAMURAI), heuert man jetzt (erleichtert durch die politischen
Veränderungen in Hongkong) Darsteller und Regisseure für die
eigenen Produktionen an. Von der filmischen Ästhetik Asiens bleibt
dabei bedauerlich wenig übrig, augenfällig sind es genau genommen
nur zwei Eigenschaften. Zum einen natürlich die wilden Martial
Arts-Kämpfe, die vorzugsweise von den Meistern wie Lee oder Chan
persönlich dargeboten werden, ihren Eingang aber auch in Filme wie
MATRIX gefunden haben. Wirklich neu ist dieser Trend jedoch nicht,
da bereits vor 30 Jahren Bruce Lee eine vergleichbare Karatewelle
auslöste.
Zum anderen brachte uns vor allem das Hongkong Kino eine neue
Actionästhetik, die in Tarantinos Debüt RESERVOIR DOGS ebenso zu
sehen ist, wie gerade jetzt, in ihrer extremen Ausprägung, in M:I-2
von John Woo. Man sollte sich von der Vorstellung
verabschieden, dass Woo nur einer von vielen ist, die diese
Stilrichtung prägen. Wenn sich in einem Film zwei Männer mit
chromblitzenden automatischen Waffen gegenüberstehen, dann ist das
in erster Linie nicht typisch Hongkong, sondern typisch John Woo.
Wie alle guten Regisseure hat er einen eigenen, unverwechselbaren
Stil, der immer erkennbar bleibt, egal wo und was er dreht.
Es zeichnet sich ab, dass der asiatische Einfluß in Hollywood das
gleiche Schicksal erleiden wird, wie etwa der Blaxploitationfilm in
den 70ern. Nach einem wilden Auftakt wurde dieser so lange angepaßt
und vereinnahmt, bis er alles Frische, Ungewohnte und Kontroverse
verloren hatte und schließlich zum unverfänglichen Black Cinema von
heute verkam (man vergleiche hierzu etwa die absolut austauschbare
Komödie NEXT FRIDAY mit Ice Cube). Wenn sich Chris Tucker und
Jackie Chan nun gemeinsam durch die RUSH HOUR kaspern oder Jet Lee
um das Herz von Aaliyah kämpft (ROMEO MUST DIE) dann mag das alles
ganz annehmbare Unterhaltung ergeben, die ungestüme Kraft, die man
sich aber von dieser afro-asiatischen Allianz erwartet, findet man
leider nicht.
1971 trat Richard Roundtree in SHAFT an, um ein schwarzer James
Bond zu werden. Heute wird sich Samuel L. Jackson im Remake dieses
Klassikers wohl eher an Ethan Hunt aus Jon Woos M:I-2 messen
müssen. Gewinnen wird dabei auf jeden Fall Hollywood, dass wie
ein Vampir die Vitalität aus unterschiedlichen Genres zieht, um den
eigenen, blutleeren Produkten wieder Leben einzuhauchen und damit
weiterhin gutes Geld zu verdienen.
Michael
Haberlander
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