Gelegentlich könnten wir ja schon in Verdacht geraten, dem
deutschen Film recht abhold zu sein. Dabei stimmt das überhaupt
nicht! Nie würden wir leugnen wollen, dass es jede Menge ganz und
gar großartiger deutscher Filme gibt. Nur sind die meisten
davon schon ein Stückchen älter. LA HABANERA zum Beispiel ist
ein solch ganz und gar großartiger, älterer Film - und einer aus
der Zeit, als mit an einem der Grundpfeiler gewerkelt wurde für die
später in zyklisch schwankenden Stadien der Großflächigkeit
wuchernden Dauer-Misere des deutschen Kinos. Es ist Detlef Siercks
zartbitteres Abschiedsgeschenk an ein Deutschland, das ihn wie so
viele seiner begnadetsten Kollegen und Kolleginnen durch Ungeist
und Rassenwahn aus dem Land trieb, woraufhin er nach kurzer Odyssee
in Hollywood als Douglas Sirk künstlerisch wiedergeboren wurde und
weiterhin weltbeste Filme machte. Man hat den Film 1937 in
Deutschland sehr gemocht, weil man ihn als ein Stück
Kapitalismus-Kritik lesen konnte. Dabei hatte Sierck womöglich ganz
andere politische Parallellen im Hinterkopf bei der Geschichte von
der enttäuschten Liebe zu einem despotischen Alleinherrscher, der
auch auf Kosten von Menschenleben verborgen halten will dass etwas
mächtig faul ist in seinem Staate. LA HABANERA ist eines von
Sierck/Sirks ersten wahren Meister-Melodramen (durchaus auch im
klassischen Wortsinne von Verbindung von Schauspiel und Musik), von
einer überwältigend dichten, immer beklemmender und korrupter
werdenden Atmosphäre. Und es ist vielleicht der Film, in dem
Sirk/Siercks Verwendung von Ornamente, Dekors, Bild-Räumen als
Sinnträger seinen Höhepunkt an Stilisierung und Offensichtlichkeit
erreicht - weshalb man danach viele seiner Hollywood-Filme (in
denen diese Mittel wieder sublimierter eingesetzt werden) genauer
sieht. Dazu ist LA HABANERA wohl der letzte Zarah Leander-Film,
den man gänzlich ungetrübt und ungebrochen in seiner Gänze einfach
genießen kann - bevor sie sich für die braune Sache allzu penetrant
einnehmen ließ. (LA HABANERA: Gloria, So. 11:00)
Mithin für alle wahren Fans großen Kinos nicht nur ein Muss,
sondern sogar ein wirklich guter Grund, sich wochenends zu recht
ungemütlicher Zeit aus dem Bett zu wälzen. Aber seien wir froh, den
Film überhaupt mal wieder im Kino sehen zu können, und bedenken
wir: Wenn's keine Matinee wär', kämen wir am Ende noch in Konflikt
mit dem Herrn Oehmann, der uns darob gram werden könnte - was wir
wiederum gerne vermeiden möchten. So aber passt sich alles prima
und ganz wunderbar, gleichsam schon wie durch göttliche Fügung, und
voller Freude können wir der weisen Weisung folgen: "Samstags
Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die
Artechock-Redaktion
P.S.: Ach ja, dann sollten Sie noch folgenden SZ-Artikel vom 4. 9. lesen - wenn Sie mehr über Artechock
erfahren wollen.
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