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Paul Verhoeven dreht B-Pictures. Seit seinem Durchbruch in
Hollywood, seit ROBOCOP, sind sie zwar teurer geworden, kommen
entsprechend aufwendiger daher, und ab und zu spielt ein richtiger
Star mit (obwohl Verhoeven es offenbar möglichst vermeidet, auf
einen Douglas oder Schwarzenegger angewiesen zu sein). Unter all
dem Putz sind sie jedoch vor allem eines geblieben: dreckige kleine
Genrefilme, hübsch spekulativ und stets ein bißchen geschmacklos.
Verhoeven wäre, trotz Hays-Code, einer gewesen für das Studiosystem
der Vierziger. Hier hätte er ohne Finanzierungs-Zwangspausen
arbeiten können, hätte Kriegsfilme gedreht, Films Noir, nach Lust
und Laune, und vielleicht hätte er die sogar Grenzen des
Akzeptablen und Darstellbaren ein wenig verschoben (daß es ihn auch
und gerade damals von Holland nach Hollywood verschlagen hätte, ist
ja nicht einmal unwahrscheinlich.) Statt dessen lebt Paul Verhoeven
heute und dreht HOLLOW MAN, nicht von ungefähr eine Variation der
INVISIBLE MAN-Reihe aus jener Zeit, als Horrorfilme noch im Double
Feature liefen.
Nach dem Bombast von STARSHIP TROOPERS kommt HOLLOW MAN als
Kammerspiel daher, kühl und elegant ins Bild gesetzt von Jost
Vacano, Verhoevens kongenialem Weggefährten. Hauptschauplatz: Ein
geheimes Labor unter einer Lagerhalle in Washington, vollgestopft
mit allerlei High Tech. Charaktere: Ein Forscherteam, das hier im
Auftrag des Pentagon mit einem Mittel experimentiert, das, in die
Adern gespritzt, unsichtbar macht. Mit Versuchstieren klappt das
schon ganz gut, wie die scheinbar leeren Käfige beweisen, in denen
es kräftig rumpelt. Nur die Umkehrung des Prozesses will noch nicht
gelingen, und die hohen Herren im Pentagon werden ungeduldig (daß
die Versuchsaufnahmen, die ihnen vorgeführt werden, höchst
altmodisch auf Film gebannt sind, ist ein nettes Detail). Dabei ist
das Problem schon längst gelöst, doch Sebastian Caine (Kevin
Bacon), der Projektleiter, hält den Durchbruch geheim, den er in
nächtelanger zermürbender Arbeit erzielt hat. Er fürchtet, nicht zu
Unrecht, daß man ihm sein Werk aus der Hand nehmen würde - und was
das Militär damit vorhätte, das deutet Verhoeven nur an, das gäbe
Stoff für einen ganz anderen, vielleicht interessanteren Film.
Dieser Caine ist ein Workaholic und genialer Chemiker. Vor allem
aber ein geltungssüchtiger Egozentriker, der seinen Gott-Komplex
offen vor sich herträgt und andere Menschen nur erträgt, wenn sie
"in seinem Licht scheinen", wie Linda es einmal ausdrückt - Caines
Kollegin und ehemalige Geliebte, bis sie es nicht mehr aushielt.
Jetzt ist er eifersüchtig und verbittert, denn keiner mag ihn, und
die Nächte sind lang, wenn man alleine am Computer sitzt. Dieses
Ekelpaket also ist unsere Hauptfigur, hero und villain zugleich,
wobei die böse Seite zunehmend in den Vordergrund tritt. HOLLOW MAN
betont besonders den Jekyll & Hyde-Aspekt des INVISIBLE
MAN-Motivs: Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, unsichtbar
zu sein? Es sind nicht immer die anständigen Fantasien, die man
gerne ausleben würde.
Caine spritzt sich das Mittel selbst, und Kevin Bacon ward nie
mehr gesehen. Jetzt hat er freie Hand, begnügt sich nicht lange mit
versteckten Coladosen und heimlichen Beobachtungen auf der
Damentoilette, lernt schnell, schlimme Dinge zu tun. Als
schließlich die Rückverwandlung fehlschlägt, findet er sich mit
seinem Zustand ab und entkommt der Kontrolle seiner zu Recht
mißtrauischen Kollegen. Die hübsche Nachbarin, die sich immer so
aufreizend am erleuchteten Fenster ausgezogen hat, bekommt seine
Frustration zu spüren. Obwohl diese Szene stark gekürzt scheint,
ist sie das eigentliche Zentrum des Films. HOLLOW MAN ist,
jedenfalls zunächst einmal, eine Geschichte über Männerphantasien
und das Potential zur Grausamkeit, das in uns allen steckt. Und es
ist ein Film, der damit spielt, daß wir nicht alles sehen können -
obwohl das Kino doch gerade dies immer vorgibt.
Seit Sharon Stone die Beine kreuzte, zwischen denen anschließend
Michael Douglas sein Gesicht vergrub, gilt Verhoeven in Hollywood
als Experte für Schweinereien, wie man sie einem Europäer immer
noch eher zutraut. Bei STARSHIP TROOPERS stellten sich die
(amerikanischen) Darsteller in der Duschszene so prüde an, daß
Verhoeven und Vacano erst selbst die Hosen runterlassen mussten. In
HOLLOW MAN bietet er - schockschwerenot! - full frontal nudity.
Oder das, was man in Hollywood dafür hält. Zwar ist Kevin Bacons
bestes Stück schon bekannt aus WILD THINGS und hier nur in einer
Thermoprojektion kurz im Bild, sorgt aber mit Sicherheit bei
einigen US-Zuschauern ebenso für Aufsehen wie die
(computeranimierte?) Brustwarze der Kollegin, der Caine im Schlaf
die Bluse aufknöpft. Zugegeben, das alles ist kein Beweis für die
Qualität von HOLLOW MAN. Es zeigt aber, daß Verhoeven noch immer
gerne Anstandsgrenzen verletzt.
Unsichtbarkeit bliebe Behauptung, wenn nicht immer wieder ihre
Auswirkungen vor Augen geführt würden. Die Spezialeffekte sind das
Aushängeschild des Films und haben wieder einmal den Großteil des
Budgets verschlungen. Obwohl man sich an computermanipulierte
Bilder längst gewöhnt hat, ist das Resultat beeindruckend. Es
bleibt nicht bei schwebenden Gegenständen und Kleidungsstücken ohne
Inhalt. Caine bekommt eine Latexmaske angepasst (deren leere
Augenhöhlen besonders gut wirken, wenn eine Lampe hineinleuchtet),
darf sich übergeben und wird effektvoll wieder sichtbar in Regen,
Wasserdampf, Swimmingpool und lodernden Flammen. Doch am
aufregendsten ist das Unsichtbarwerden und Wiedererscheinen selbst.
Da wird einem unsichtbaren Gorilla ein Serum gespritzt, breitet
sich in der Blutbahn aus, wird vom Herzen weitergepumpt, und
Schicht um Schicht, Organ um Organ, baut sich der Körper auf, bis
Haut und Haare das Werk vollenden. Caine dagegen löst sich vor
unseren Augen in seine Bestandteile auf. Diese Bilder haben die
morbide Faszination medizinischer Präparate. Die Effekte mögen
digital sein, doch bei diesen Körperwelten gibt es nicht nur
sichtbar oder unsichtbar.
Eine derart differenzierte Zeichnung hätte auch der Figur des
Caine und damit dem ganzen Film gut getan. Als er entdeckt, daß
Linda ein Verhältnis mit seinem Kollegen und Rivalen hat, dem
gutaussehenden und besonders langweiligen Josh Brolin, tickt er
endgültig aus. Vorbei ist es mit der Ambivalenz und den
Zweideutigkeiten. Cains Wandlung zum Monster wird verdeutlicht,
indem der Unsichtbare einen unsichtbaren Hund massakriert. Es folgt
ein wenig origineller und manchmal unfreiwillig komischer
ALIENS-Klon im hermetisch abgeriegelten Labor. Der Film hätte ein
besseres Finale verdient als dieses aus Versatzstücken
zusammengeklaubte Action-Routinestück, bei dem Linda schließlich in
Sarah Connor-Manier ihre Nemesis zur Strecke bringen darf. Aber
vielleicht wäre das zuviel verlangt gewesen. HOLLOW MAN würde eine
prima Videopremiere abgeben, und das ist auch nichts
Schlechtes.
Klaus
Bardenhagen
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