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26.10.2000
 
 
   
 

The Fabulous Farrelly Boys

 
Brüder
     
 
 
 
 

Rechtzeitig zum Start des neuen Films der Farrelly-Brüder ICH BEIDE UND SIE (ME, MYSELF & IRENE) war sich der Großteil der Filmkritik wieder einmal einig, dass damit ein neuer Höhe- bzw. Tiefpunkt der Geschmacklosigkeit erreicht wurde. Wie schon die Filme zuvor, sei auch das neue Werk primitiv, beleidigend, abstoßend, pubertär und weit, weit unter der sogenannten Gürtellinie

Dagegen kann man hier halten, dass die Farrellys zwei überaus begabte Filmemacher sind, die einige der besten Komödien unserer Zeit abgeliefert haben, unter anderem, weil man ihnen folgende fünf Punkte zugute halten muss:

I. Die Filme der Farrellys sind nicht nur ordinär sondern auch originär
Alles was den anderen Komödienmachern im Moment einzufallen scheint, ist das Wort Parodie. Jedes Genre, jedes Sujet, jeder Film wird parodiert. Wenn das nicht reicht, parodiert man eben die Parodien, wie etwa SCARY MOVIE, der sich über die Horrorparodien á la SCREAM lustig macht.
Neben den Parodien gibt es dann noch eine Hand voll endlos variierter Standardkomödien nach dem Schema Person X muss sich in den ungewohnten Umständen Y zurechtfinden oder zusammen mit der verhaßten Person Z gemeinsam eine schwierige Situation V bestehen.
Die Filme der Farrellys dagegen sparen sich diese Schablonen und erzählen eigene, ungewohnte und stets originelle Geschichten.

II. Die Farrellys entlarven den amerikanischen Traum
Es ist falsch zu glauben, dass die Farrellys den American Way of Life kritisieren. Sie demonstrieren vielmehr, wie brüchig er ist, indem sie ihre Helden am Höhepunkt ihres Lebens zeigen (etwa den angehenden Bowlingkönig in KINGPIN, den schüchternen Jungen, der mit der Schulschönheit zum Abschlußball gehen will in VERRÜCKT NACH MARY oder den glücklich verheirateten Polizisten in ME, MYSELF & IRENE) und dann verdeutlichen, an welch dünnem Faden dieses Glück hängt. Die Katastrophe ist nur einen Reißverschluß weit entfernt.
Der Abstieg der Helden in die (Unter)Welt der Ausgestoßenen und Sonderlinge, die vom amerikanischen Traum per se ausgeschlossen sind, ist dabei keine nörgelnde Kritik an der Gesellschaft sondern deren realistischer Spiegel.

III. Die Farrellys durchbrechen filmische Konventionen
Das die Farrellys moralische Regeln durchbrechen ist bekannt. Wichtiger erscheint mir jedoch, dass sie auch filmische Konventionen sabotieren. Tun sie das auch nicht so augenfällig wie die Dogmafraktion , so unterlaufen sie doch die typischen Sehgewohnheiten, die uns schon in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Wenn etwa das böse Alter Ego Hank in ME, MYSELF & IRENE kein cooler Rächer ist, sondern ein Großmaul, das von jedem der älter als 12 Jahre ist Prügel bezieht, dann entspricht das nicht dem, was wir aus Filme wie etwa DER VERRÜCKTE PROFESSOR gewohnt sind.
Auch die Figur des Charlie mit einem abgeschossenen Daumen aus dem Film zu entlassen widerspricht vollkommen dem ungeschriebenen Gesetz des Filmemachens, dass die Hauptfigur entweder heldenhaft stirbt oder, wenn sie überlebt, trotz mancher Verletzung, doch keine bleibende Schäden davonträgt. Bruce Willis oder Silvester Stallone sehen am Ende eines Films vielleicht aus wie ein Pfund Gehacktes, aber im Rollstuhl sind sie noch nie geendet.

IV. Die Farrellys nehmen ihre Figuren ernst
Obwohl man bei einem Film wie ME, MYSELF & IRENE zwangsläufig über das Verhalten der Personen lacht, werde die Figuren von den Regisseuren nie der Lächerlichkeit preisgegeben. Selbst die Negativpersonen wie der Mafiosi oder die korrupten Polizisten sind keine tumben Hanswurste, wie man sie aus anderen Komödie zur Genüge kennt. Gerade diese Ernsthaftigkeit und Würde der Protagonisten lassen aber ihr Missgeschicke um so witziger erscheinen.

V. Die Farrellys machen nichts anderes als viele andere auch
Sie machen es nur unter den "falschen" Umständen. Würden sie die selben Filme für einen Bruchteil des Geldes drehen, hätten ihre Werke schnell den Ruf, anarchistische Independent-Kultfilme zu sein. Erinnert sich z.B. noch jemand an das, was in den Filme von John Waters vor HAIRSPRAY so alles passiert ist (ein entsprechender Vergleich mit dessen aktuellem Film CECIL B. DEMENTED ist sicher auch nicht uninteressant) ?
Und ist ein Zwerg, der mit einem zwei Meter langem Geschlechtsteil um sich wedelt deshalb weniger niveaulos, weil der Regisseur Alfonso Arau und der Darsteller Woody Allen heißt (zu sehen in PICKING UP THE PIECES beim diesjährigen Filmfest München) und nicht Farrelly bzw. Jim Carrey ?

Michael Haberlander

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