Seit Jahrzehnten kämpfen europäische Kulturpolitiker und
-schaffende dafür, dass die Übermacht der amerikanischen Film- und
Fernsehindustrie eingeschränkt wird. Doch weder Importschranken
noch Abspielquoten ließen sich durchsetzen bzw. führten zu einem
Erfolg. Jetzt jedoch könnte es sein, dass dieser Traum von
hollywoodfreien Kinos und Fernsehern in Erfüllung geht und das,
ohne dass sie etwas dafür tun mussten.
In Amerika droht der Streik der Drehbuchautoren (dem sich
vielleicht auch die Schauspieler anschließen) und in manchen
Worst-Case-Szenarien wird dies zum vollkommenen Erliegen der
Spielfilm- und Fernsehproduktionen für mehrere Monate führen.
Verlustausfälle in Milliardenhöhe werden vorausgesagt.
Worum geht es den Autoren? Grundsätzlich natürlich (wie bei fast
jedem Streik) um mehr Geld. Die Autoren fordern eine angemessene
Bezahlung und wollen höhere Beteiligungen an den
Auslandverwertungen, dem DVD-Geschäft und anderen Zweitverwertungen
ihrer Werke. Ihrer Werke?, fragt man verwundert und kommt direkt
zur nächsten, nicht ganz so einfachen Forderung der Autoren.
Die Autoren kämpfen auch um mehr Einfluß während der
Dreharbeiten, um mehr Kontrolle bei der Umsetzung ihrer Bücher und
darum, dass ihre Leistung in der Öffentlichkeit nicht ständig unter
die der Regisseure gestellt wird. Die Forderung, Regisseuren, die
am Drehbuch nicht beteiligt waren, das Prädikat "A film by..." zu
nehmen, steht für diesen Kampf um mehr Anerkennung. Ist das
wirklich einen Streik wert?
Dass sich fast keiner für die Namen der Drehbuchautoren
interessiert ist tragisch. Aber ergeht es den anderen Beteiligten
beim Film anders? Welcher durchschnittlicher Kinogeher kann schon
einen Cutter benennen, einen Kameramann oder einen Filmkomponisten
(sofern er kein ohnehin bekannter Popstar ist)? Welcher Zuschauer
kennt überhaupt namentlich Regisseure jenseits von Spielberg und
Tarantino? Es sind und bleiben vor allem die Schauspieler, die
der Masse im Gedächtnis bleiben und daran werden auch
Haarspaltereien im Vorspann nichts ändern.
Wie ambivalent dagegen die Forderung der Autoren nach mehr
Einfluß bei den Dreharbeiten ist, zeigt schon die Tatsache, dass
sich die Schauspieler ihrem Streik anschließen wollen, die
Regisseure jedoch nicht. Diese befürchten wohl, dass ihren
künstlerischen Visionen eine weitere Einschränkung droht. Was
zählt nun aber mehr; die unbeschnittene Kreativität der
Drehbuchautoren oder die frei Entfaltung der Regisseure?
Zweifelsfrei gibt es gute Drehbücher, die durch die Regie
"kaputtgefilmt" wurden. Aber ebenso zweifelsfrei hat so mancher
Regisseur aus einem schlechten Drehbuch einen guten Film gemacht.
Schlußendlich ist das Drehbuch aber immer nur ein (wenn auch
wichtiger) Teil des ganzen Films, den der Regisseur zu einem
einheitlichen Ganzen zusammenfügen soll. Wenn Autoren das Recht
haben, in diese Aufgabe einzugreifen, dann werden sie naturgemäß
nur ihr Drehbuch im Auge haben. Den Film als Einheit aus
Schauspielern, Kamera, Musik und hundert anderen Faktoren zu sehen,
müssen die Regisseure bewerkstelligen. Herumkrittelnde Autoren sind
bei dieser schwierigen Aufgabe sicher nicht hilfreich.
Man sollte den Autoren ruhig mehr Geld geben und ihnen die
Genugtuung einer großen und ausdrücklichen Erwähnung im Vorspann
und auf den Plakaten lassen. Den Einfluß auf die Dreharbeiten aber
sollte man ihnen weiterhin verwehren, auch auf die Gefahr hin, dass
manches gutes Drehbuch darunter leidet. Wer als Drehbuchautor nicht
damit leben kann, dass sein Werk von anderen verändert wird, der
sollte seine Bücher entweder selber verfilmen (wie z. B. Paul
Schrader, Steven Zaillian oder David Mamet) oder nur noch Literatur
in Buchform schreiben.
Wenn es nun aber tatsächlich zum Streik kommt, was dann? Dann
könnte die große Stunde der Auteure, die Regisseur und
Drehbuchautor in Personalunion sind, schlagen. Dann könnten die
großen Studios all die Filme, die sie aus geschäftlichen oder
taktischen Gründen bisher vernachlässigt haben (und die oft genug
qualitativ über den aufwendig beworbenen stehen), neu und mit dem
richtigen Marketing in unsere Kinos bringen. Dann könnten die
sperrig anspruchsvollen Drehbücher und Projekte, die seit Jahren in
Schubladen verstauben, endlich das Licht der Kinoleinwand
erblicken. Dann könnten manche Kinoklassiker so wie zuletzt 2001
ihre prunkvolle Wiederaufführung erleben. Und wenn das alles nichts
hilft, dann werden wir in unseren Kinos endlich Filme der
amerikanischen Independents und der Welt jenseits von Hollywood
sehen.
Oder wird es vielleicht doch so sein, wie in Robert Altmans THE
PLAYER, in dem Peter Gallagher als überheblicher Produzent die
Überflüssigkeit von Autoren demonstriert, indem er sich die
Überschriften aus der Zeitung vorlesen läßt und in Sekundenschnelle
daraus eine (wenn auch dämliche) Idee für einen Film macht.
Ironisch erwidert darauf Tim Robbins in der Rolle des nicht minder
aufgeblasenen Griffin Mill, dass die Eliminierung der Autoren aus
dem Schaffensprozess ganz nett sei, aber erst wenn man auch die
Schauspieler und Regisseure los sei, mache das ganz wirklich
Sinn. Ganz ohne Autoren, dass erkennt offensichtlich sogar er
als zynischer Studio Executive, geht es einfach nicht.
Michael Haberlander
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