Zu Beginn des fulminanten Films ELIZABETH von Shekhar Kapur
gibt es eine Szene, in der man die jugendliche Prinzessin
Elizabeth in den Tower bringt, da sie von der Königin,
ihre Halbschwester Mary, der Ketzerei bezichtigt wird. Ein
Vorwurf, der damals meist tödlich endete. In einem dunklen
Verließ des gefürchteten Gefängnisses sitzt
die Prinzessin mit langen, roten Haaren und einem unschuldig
weißen Kleid, wird von mißtrauischen Edelleuten
und Bischöfen wie von gierigen Wölfen umkreist und
mit bitteren Anschuldigungen konfrontiert. Obwohl jede unbedachte
Aussage ihren Tod bedeuten kann, zeigt Elizabeth neben ihrer
Angst auch Trotz, begegnet sie der Polemik mit vernünftigen
Argumenten und hält den Erniedrigungen ihre unzerstörbare
Würde entgegen.
Im Laufe des Films wird man diese Gleichzeitigkeit von so
verschiedenen Gefühlen und Empfindungen immer wieder
bei ihr entdecken und ist jedes Mal aufs Neue beeindruckt.
Wenn es vielen Hollywoodschauspielern kaum gelingt ein einziges
Gefühl glaubhaft zu vermitteln, ist diese Leistung der
Schauspielerin Cate Blanchett, die die Rolle der Elizabeth
so perfekt ausfüllt, doppelt hoch anzusetzen.
ELIZABETH ist aus künstlerischer Sicht zweifelsfrei
der bisher größte Erfolg von Cate Blanchett. Ihre
physische und psychische Metamorphose von der hübschen,
lebensfrohen Prinzessin zur machtvollen, verhärmten Königin,
sticht aus diesem Film, der an guten Schauspielleistungen
nicht gerade arm ist, deutlich hervor. Trotz einhellig guter
Kritiken und zahlreichen Preisen blieb der wirklich große
Ruhm jedoch aus.
Der Film ELIZABETH ist wohl zu sperrig für das Durchschnittspublikum
und Cate Blanchett ist nun einmal keine nette Schönheit,
die dem weiblichen Publikum Gelegenheit zur romantischen Identifikation
bietet und die bei den Männern Hormonstöße
oder Beschützerinstinkte hervorruft. Wen wundert es da,
dass sich Film und Schauspielerin bei der Oscarverleihung
1999 dem unverfänglichen SHAKESPEARE IN LOVE und der
putzigen Gwyneth Paltrow geschlagen geben mußten.
Cate Blanchett hat keine offensichtlich erotische Ausstrahlung,
die jungen Schauspielerinnen reihenweise zum schnellen (wenn
auch oft nur kurzen) Erfolg verhilft. Dafür strahlt sie
Stil, Eleganz, Charakter und Intelligenz aus; Eigenschaften,
die im täglichen Leben durchaus erstrebenswert sind,
die einen im Filmgeschäft aber scheinbar für die
zweite Reihe qualifizieren.
Nach der starken englischen Königin durfte sie in der
Oscar Wilde-Verfilmung EIN PERFEKTER EHEMANN nur die sittsame
Ehefrau eines Londoner Aristokraten spielen. Die Rolle des
verführerischen und verführenden Luders überließ
man Julianne Moore. Nicht weniger brav musste sie in PUSHING
TIN als Ehefrau eines von John Cusack gespielten Fluglotsen
sein. Diesmal übernahm Angelina Jolie die Rolle der ehebrechenden
Sexbombe.
Und in DER TALENTIERTE MR. RIPLEY fiel sie als elegante Millionenerbin
Meredith Logue bereits am Anfang auf den Betrüger Ripley
(Matt Damon) herein, während die rehäugige Gwyneth
Paltrow einmal mehr alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
Cate Blanchett machte aus diesen mehr oder weniger kleinen
Rollen das Beste und brachte damit so manchen Hauptdarsteller
in arge Bedrängnis.
Erst in Sam Raimis Gruselfilm THE GIFT konnte man sie kürzlich
als alleinerziehende Mutter mit hellseherischen Fähigkeiten
wieder in einer Hauptrolle bewundern. Sie bewies darin, dass
sie mehr ist als "Eine Frau für jede Jahreszahl",
die sich perfekt in die verschiedensten Jahrzehnt und Jahrhunderte
einfügen kann.
Die von ihr gespielte Annie Wilson ist keine klassische Scream-Queen,
die ihrer Angst nur schrille Schreie entgegenzusetzen hat,
sondern ein Mensch, der mit seinen Ängsten beinahe körperlich
kämpft. Dass wir als Zuschauer dabei mitleiden und mitzittern,
liegt einmal mehr am eindringlichen Spiel von Cate Blanchett.
Selbst die abwechslungsreichste Rollenwahl kann nicht verhindern,
dass man als Schauspieler auf bestimmte Figuren festgelegt
wird. Cate Blanchett hat mit ihrem aktuellen Film BANDITEN!
von Barry Levinson das ihr aufgesetzte Image von der klugen,
besonnenen aber auch etwas spröden Frau nun gründlich
demontiert. Als frustrierte, reiche Ehefrau flüchtet
sie ihr tristes Leben und schließt sich den von Bruce
Willis und Billy Bob Thornton gespielten Gangstern an. Sie
ist dabei so sexy und charmant, dass ihr die zwei Banditen
zwangsläufig verfallen. Man kann die beiden verstehen.
Ein großes komödiantisches Talent legt sie hier
an den Tag, wobei sie nicht den Fehler begeht (wie zuletzt
etwa Julia Roberts in einer vergleichbaren Rolle in THE MEXICAN),
nur in nervtötende Hysterie zu verfallen. Sie behält
kühlen Kopf und wahrt immer so viel Ernsthaftigkeit,
wie zum Funktionieren von guter Komik nötig ist.
Mit dem Superstar-Status hat es bisher trotzdem noch nicht
geklappt, was Cate Blanchett selber gelassen hinnimmt. Ihr
ist wohl die Qualität einer Rolle wichtiger als die Größe
oder das Blockbuster Potential. Der gute Ruf, den sie sich
mit dieser Haltung mittlerweile erspielt hat, gibt ihr jetzt
die Möglichkeit, mit einigen innovativen Regisseuren
arbeiten zu können, weshalb wir uns in den kommenden
Monaten freuen dürfen auf ihre Rollen in THE MAN WHO
CRIED von Sally Potter, HEAVEN von Tom Tykwer und THE SHIPPING
NEWS von Lasse Hallström.
Und wenn es eine Nummer größer und spektakulärer
sein soll, dann muss man nur auf die heraufziehende HERR DER
RINGE-Trilogie warten. Ab Dezember wird uns Cate Blanchett
dann zwischen Hobbits und Gnomen als feenhafte Galadriel erscheinen.
Peter Jackson hätte keine bessere Wahl für diese
Rolle treffen können, denn im Be- und Verzaubern hat
Cate Blanchett ein großes Talent.
Michael Haberlander
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