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11.07.2002
 
 
       

Meisterwerke und andere Kleinigkeiten:
Woody Allen im Filmmuseum

 
 
Ein ZELIGes Lächeln...
   
 
 
 
 

Noch bis Mitte August zeigt das Münchner Filmmuseum das fast komplette (es fehlen vor allem Fernsehproduktionen und Filme, bei denen Allen nur seine Stimme beigetragen hat, wie z.B. ANTZ) Werk von Woody Allen, sowie zahlreiche Dokumentationen über den Stadtneurotiker, Manhattan-Süchtigen, Erotomanen, Jazzmusiker und leidenschaftlichen Filmemacher.

Diese Retrospektive bietet für jeden etwas. Junge Menschen können endlich seine frühen Werke entdecken, Filme, die man in den vergangenen Jahren verpasst hat oder die es gar nicht in unsere Kinos schafften, kann man nachholen, Theoretiker können Entwicklungen und Konstanten im Schaffen Allens nachgehen und wir alle können endlich unsere Lieblingsfilme (erfahrungsgemäß zählt jeder halbwegs Filminteressierte zumindest ein Werk von Woody Allen zu seinen Lieblingsfilmen) auf der Leinwand und im englischen Original genießen.

Wenn auch jeder seine ganz persönliche Auswahl trifft, so sei im Folgenden doch auf drei Filme hingewiesen, die oft im Schatten der bekannten, legendären und "kultigen" Werke wie THE SLEEPER, MANHATTAN oder MIGHTY APHRODITE stehen und die im Gegensatz zu den eben genannten nur sehr selten bis gar nicht im Kino oder auch nur im Fernsehen zu finden sind. Es sind dies ZELIG (im Filmmuseum am 23.7.), VERBRECHEN UND ANDERE KLEINIGKEITEN (CRIMES AND MISDEMEANORS) (3.8.) und SCHATTEN UND NEBEL (SHADOWS AND FOG) (6.8., Beginn jeweils um 21.00 Uhr).


Die Kunst hat immer wieder Figuren hervorgebracht, die beispielhaft für eine bestimmte Charaktereigenschaft sind. Der Oblomow aus dem gleichnamigen Buch von Iwan Gontscharow ist etwa der Inbegriff der Faulheit, der von Sylvester Stallone dargestellte Kämpfer John Rambo ging als Bezeichnung für einen brutalen Menschen in unseren Sprachgebrauch ein und Leonard Zelig ist die extremste denkbare Form eines Opportunisten. Auf dem Juden Zelig wurde so lange herumgehackt, bis er zum menschlichen Chamäleon wurde.
Vorgestellt wird sein außergewöhnliches Schicksal in einer Dokumentation, die zwar absolut authentisch wirkt, aber (der echten Zeitzeugen wie Susan Sontag zum Trotz) doch vollkommen frei erfunden und erlogen ist. Klassischer Fall von Mockumentary.

ZELIG ist eine der schillerndsten Figuren die Woody Allen je geschaffen (und selber dargestellt) hat und das, obwohl das menschliche Chamäleon weitgehend ein Phantom bleibt, das vor allem durch Erzählungen und stumme Bilder zum Leben erweckt wird.
Die Zeitzeugen und alten Filmaufnahmen zeichnen dabei nicht nur das Bild eines ungewöhnlichen Menschens, sondern auch das einer ungewöhnlichen Zeit, die vom Aufstieg der Psychoanalyse ebenso bestimmt wurde, wie von kulturellen und medialen Massenphänomenen und die schließlich im Wahnsinn des 2. Weltkriegs endete.
ZELIG ist auch ein Beleg dafür, dass Allen seinerseits ein Regie-Chamäleon ist, das sich die Gesetzmäßigkeiten der verschiedensten Genres (hier der historischen Dokumentation) aneignen kann, um daraus seine eigene, parodistische Version zu machen.
Die technische Perfektion, mit der Allen das macht, ist dabei ebenso beeindruckend, wie die perfide Ironie, die in der Geschichte steckt. Auch ist der Film ein ewig gültiger Kommentar zu der Frage, wohin ein Zuviel an Anpassung führen kann.


Woody Allen ist ein Komödiant, also erwartet man von ihm komische Filme. Gegen diese Erwartungshaltung kämpft Allen schon lange und immer wieder versucht er sich deshalb an ernsten Filmen (z.B. INNENLEBEN (INTERIORS) oder SEPTEMBER), die jedoch von der Kritik und dem Publikum meist sehr verhalten aufgenommen werden. Bei CRIMES AND MISDEMEANORS löste er dieses Problem, indem er ein existentielles Drama neben einer zynischen Satire erzählte und die beiden Geschichten erst ganz zum Schluß zusammenführte.

Der tragische Teil des Films handelt von Judha Rosenthal (Martin Landau), einem erfolgreichen, beliebten Augenarzt mit einer glücklichen Familie, der unverhofft diese heile Welt gefährdet sieht, als seine Geliebte (Anjelica Huston) droht, ihr geheimes Verhältnis publik zu machen, sofern er sich nicht von seiner Ehefrau trennt. Nach langem Zweifeln und tiefgründigen Gesprächen mit einem langsam erblindenden Rabbi (sehr gut Sam Waterston), gibt Judha seinem Bruder, dem "schwarzen Schaf" der Familie, den Auftrag, die Geliebte zu ermorden.

Auf der anderen Seite ist dagegen die Geschichte des erfolglosen Dokumentarfilmers Cliff (W. Allen), der gezwungenermaßen einen Film über seinen verhaßten (weil erfolgreichen) Schwager (Alan Alda) dreht. Obwohl er verheiratet ist, verliebt sich Cliff bei den Dreharbeiten in die Produzentin (Mia Farrow), die er auch für sein Lieblingsprojekt, eine Doku über einen unerschütterlichen, jüdischen Philosophen, begeistern kann. Doch am Ende scheitert dieses Projekt auf tragische Weise, die Produzentin landet beim falschen Mann und der Film über den Schwager wird zum Desaster.
Es gibt wenig Hoffnung in CRIMES AND MISDEMEANORS und die Guten sind dabei oft die Dummen, sofern die Guten nicht etwas Böses tun und dadurch doch wieder zu den Gewinnern zählen. Ein bemerkenswerter Film, über ganz grundsätzliche Fragen des Lebens wie Schuld und Sünde und selten war Allens Humor so abgründig, bitter, wenn nicht sogar schmerzhaft.


"Im Kino gewesen - gelacht", hätte wohl Franz Kafka in sein Tagebuch vermerkt, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, SHADOWS AND FOG zu sehen. Mit einem erfrischenden Eklektizismus kombiniert Allen die Welt Kafkas mit dem Stil des deutschen expressionistischen Films, packt noch die knarrende Musik von Kurt Weill oben drauf und vermischt das Ganze zu einem pittoresken Schwarz-Weiß-Traum voller unheimlicher Schatten und magischer Nebel.

Im Mittelpunkt steht der von Allen gespielte Kleinman, ein nervöser Duckmäuser, der unfreiwillig Teil einer Bürgerwehr zur Jagd auf einen würgenden Serienmörder wird. Plötzlich steckt Kleinman mitten in einem "großen Plan", nur dumm, dass er nicht erfährt, wie dieser aussieht und welche Rolle er darin einnehmen soll. Bei seinem (natürlich) vergeblichen Versuch, die ihm zugeteilte Aufgabe herauszufinden, verstrickt er sich mehr und mehr in das absurde Treiben, gerät zwischen die Fronten verfeindeter Bürgerwehren, entgeht nur knapp dem echten Mörders, wird schließlich selber für die Verbrechen verantwortlich gemacht und gejagt und dann ist da auch noch die Sache mit dem Wettkampf um eine Beförderung....
Der Film schwelgt in stimmungsvollen Bilder, in Zitaten und Anspielungen und beeindruckt darüber hinaus durch ein erstaunliches Schauspielerensemble, das von John Malkovich über Lily Tomlin und Kathy Bates bis hin zu Madonna und Donald Pleasence (großartig als besessener Arzt) reicht.

Abschließend sei noch auf den Dokumentarfilm WILD MAN BLUES (14.8., 21.00 Uhr), der Woody Allen auf Tournee mit seiner Jazzband durch Europa zeigt, hingewiesen. Diese Doku bietet ungewohnt private Aufnahmen, stellt den begabten Musiker Allen vor, läßt einen angesichts der plappernden Fans oft an STARDUST MEMORIES denken und hat vor allem diese eine unglaubliche Szene, die für sich alleine schon den Besuch des Films wert ist, und die so bizarr ist, dass man sofort an die gestellten Interviews in ZELIG denken muss.

Beladen mit zahlreichen Preisen, die man ihm in Europa verliehen hat, besucht Allen in New York seine alten aber immer noch agilen Eltern und muss sich ernsthaft von seiner Mutter vorhalten lassen, dass er doch besser Apotheker geworden wäre.
Man stelle sich nur vor, es wäre wirklich so gekommen! Dann würde sich heute der 67jährige Apotheker Allan Stewart Konigsberg wahrscheinlich Gedanken über seine Rente und einen möglichen Umzug nach Florida machen und wir hätten keinen einzigen der wunderbaren Filme, die er unter dem Namen Woody Allen gemacht hat. So viele Pillen hätte der Apotheker Konigsberg gar nicht verkaufen können, um die Menschen im gleichen Ausmaß glücklich zu machen, wie es die Filme des Regisseurs Allen getan haben.


Michael Haberlander

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