Es ist noch nicht lange her, da machte in Hollywood ein neues
Wort die Runde: "Stupid German Money." Bis heute
fließt - Krise hin oder her - viel deutsches Geld ins
internationale Kino. Gemeint ist damit nicht nur das "byzantinische
Subventionssystem" (FAZ), die diversen Beträge,
mit denen die Länderinstitutionen der Filmförderung
jährlich ausländische Filme im Dutzend subventionieren,
sondern noch viel mehr die dreistelligen Steuermillionen,
die Jahr für Jahr in Form von Abschreibungen in ausländischen
Filmfonds versickern: Allein 2002 belief sich dieser Anteil
auf etwa 500 Millionen Euro.
"Wenn die Politik etwas fürs deutsche Kino tun
will, könnte sie sich um diese Beträge kümmern,
und einiges davon in die deutsche Filmbranche leiten."
meint Josef Schnelle, Vorstandsmitglied im "Verband der
Filmkritik", "dann müsste man über vieles
andere nicht mehr reden." Die deutschen Filmkritiker
sind nicht die einzigen, die sich derzeit wieder Gedanken
über deutsche Filmpolitik machen. Im kommenden Januar
steht die lange angekündigte Novellierung des Filmfördergesetzes
an, einen ersten Referentenentwurf hierzu hat Kulturstaatsministerin
vergangene Woche vorgestellt. Unmittelbar bevorzustehen scheint
auch die Gründung einer deutschen Filmakademie. Doch
in beiden Fällen handelt es sich auch um ein Politikum,
das die Ministerin von ihrem Vorgänger Julian Nida-Rümelin
geerbt hat; Streit scheint vorprogrammiert.
Auch wo von Kultur die Rede ist, geht es beim Thema Film
vor allem ums Geld. Beim Filmfördergesetz dreht sich
die Diskussion es vor allem um den jeweiligen Anteil der verschiedenen
Branchensparten an der Finanzierung der bundesweiten Filmförderanstalt
(FFA). Hierzu konnte Weiss jetzt immerhin einen ersten Erfolg
präsentieren: Die Fernsehsender stimmten einer Verdoppelung
ihrer Förderabgabe von 5,6 Millionen auf 11,2 Millionen
Euro zu. Genaugenommen betraf das nur ARD und ZDF, während
sich die Privaten Sachleistungen wie Werbetrailern aus der
Affaire ziehen wollen. Aber immerhin könnte es, falls
es der Ministerin wie erhofft glückt, auch die Abgaben
von Kino- und die Videobranche um je ein Prozent des Umsatzes
zu erhöhen, gelingen, dass die FFA ab 2004 jährlich
95 Millionen Euro vergibt, etwa 26 Millionen mehr als bisher.
Allerdings sind die Meinungen der Branche zu alldem durchaus
geteilt. Während größere Produzentenorganisationen,
wie die mit dem Branchenriesen Bernd Eichinger eng verbandelte
"Film 20" frohlocken, und die Kulturstaatsministerin
als "Blockadebrecher" feieren, hört man von
kleineren Produzenten auch eine Menge Kritik: Die zielt etwa
auf die Tatsache, dass in Zukunft nur noch Filme mit einem
Mindestpublikum von 150.000 (bisher 100.000) automatisch gefördert
werden sollen. Dafür sollen zwar erstmals Preise und
Festivaleinladungen geltend gemacht werden, doch kann das
den Erfolg an der Kasse kaum ersetzen, zumal es mit Festivalpreisen
für den deutschen Film zuletzt nicht allzu rosig aussah.
Auch Steffen Kuchenreuther, Präsident der Kinobetreiberorganisation
SPIO sprach hingegen von einer "Kriegserklärung",
da das Gesetz nur den Umsatzriesen zugute käme.
Während es beim Fördergesetz noch genug Zeit zur
Diskussion gibt, ist dies bei der geplanten Akademie anders,
und gerade hier fragen sich manche, ob Weiss in allen Fällen
gut beraten ist, und nicht eher die Fehlentscheidungen ihres
Vorgängers ausbaden muss.
Debattiert wird hier vor allem um die Zukunft des Deutschen
Filmpreises, der der neuen Akademie zugeschlagen werden soll.
Jeder in der Branche weiß, dass dieses Projekt auf eine
Initiative Bernd Eichingers zurückgeht. "Der deutsche
Filmpreis ist nicht populär. Welches Gewicht hat ein
Preis, der von einer elfköpfigen Jury vergeben wird?"
moserte dieser, und stellte im vergangenen Sommer seine Pläne
zur Neuorganisation des Filmpreises nach Vorbild des US-Oscars
vor, der von den Akademiemitgliedern in mehrheitlicher Abstimmung
vergeben wird - freilich mit dem entscheidenden Unterschied,
dass es für den Oscar kein Geld gibt, während Eichinger
darauf besteht, die bisherigen staatlichen Preisgelder des
höchstdotierten Kulturpreises der Republik uneingeschränkt
der Akademie zukommen zu lassen.
Dagegen hagelt es von mehreren Seiten Kritik. Die deutsche
Filmbranche sei zu klein, um ohne Rücksicht auf Sympathien
und Beziehungen zu urteilen, brachte schon im letzten Jahr
die neue Oscar-Preisträgerin Caroline Link das Hauptdilemma
auf den Punkt. Und "Die Neuorganisation des Filmpreises
ist sinnlos", sagt Regisseur Christian Petzold, vor zwei
Jahren mit "Die Innere Sicherheit" Preisträger
- ein unbestritten ausgezeichneter Film, der aber kaum eine
breite Mehrheit hinter sich bringen könnte. "Jurys
sind besser als breite Abstimmungen. Das neue Modell würde
den kulturellen Wert nur verwässern." Ähnlich
äußert sich auch Bernd Neumann, in der CDU/CSU-Fraktion
für Film zuständig, und überdies Mitglied der
derzeitigen Filmpreisjury: "Ich bin noch nicht überzeugt"
meinte Neumann, "soll der Bundestag weiter Geld bezahlen,
aber keinen Einfluß mehr haben?" Überdies
sieht er die Gefahr, dass die derzeitige, in der Filmpreissatzung
festgehaltene Kulturvorbehalt des Preises zugunsten einer
reinen Wirtschaftsförderung aufgegeben werden könnte:
"Das jetzige Verfahren garantiert, dass eine Jury ohne
Anfechtungen entscheidet, und kulturelle Aspekte nicht zu
kurz kommen. Ein anderes Verfahren würde die Gefahr bergen,
dass ausschließlich Mainstream prämiert wird. Ich
glaube nicht daran, dass das der deutschen Filmbranche helfen
und kleine Produzenten stärken würde."
Auch aus Reihen kleiner Produzenten hört man Kritik
- nur leider traut sich keiner, sie auch öffentlich zu
äußern. Zu weit reicht Einfluss und Lobbyarbeit
Bernd Eichingers: "Wenn ich öffentlich sage, was
ich denke, dann bekäme ich keine Aufträge mehr."
meinte erst Anfang April ein Produzent aus München im
Gespräch - zitiert werden soll es hier nur, um klar zu
machen, wie manche Dinge hinter den Kulissen laufen.
Weiteren Diskussionsbedarf, sprich: Streit am Horizont sieht
auch der "Verband der Filmkritik". "Wir fürchten,
dass ein Klüngelkreis die kulturelle Filmförderung
des Bundes im Handstreich abschaffen könnte." so
Josef Schnelle, "Dabei ist der Deutsche Filmpreis einst
als Reaktion auf die Unfähigkeit der Branche entstanden,
Filme von kulturellem Rang herstellen zukönnen."
Schnelle fordert auch ein Bewusstsein für Tradition und
Charakter eines staatlichen Kulturpreises. Immerhin sei der
Deutsche Filmpreis einer der wenigen Kulturpreise, die vom
Bund verliehen werden. In einem offenen Brief hat sein Verband
jetzt der Ministerin jetzt einen Fragenkatalog zur "kulturellen
Filmförderung präsentiert." Auf die Antworten,
nicht nur den Filmpreis betreffend, darf man gespannt sein.
Immerhin ist auch Christina Weiss den Richtlinien verpflichtet:
"Die Filmförderung der BKM dient dem Ziel, den künstlerischen
Rang des deutschen Films zu steigern und zur Verbreitung deutscher
Filme mit künstlerischem Rang beizutragen." Die
Diskussion darüber, wie das geschehen kann, hat erst
begonnen.
Rüdiger Suchsland
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