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10.04.2003
 
 
         

Zwischen Klüngel und Kultur
Vor der Nominierung zum Deutschen Filmpreis: Kulturstaatsministerin Christina Weiss präsentiert den Entwurf für ein neues Filmfördergesetz und stellt den eigenen Filmpreis zur Disposition

 
       
 
 
 
 

Es ist noch nicht lange her, da machte in Hollywood ein neues Wort die Runde: "Stupid German Money." Bis heute fließt - Krise hin oder her - viel deutsches Geld ins internationale Kino. Gemeint ist damit nicht nur das "byzantinische Subventionssystem" (FAZ), die diversen Beträge, mit denen die Länderinstitutionen der Filmförderung jährlich ausländische Filme im Dutzend subventionieren, sondern noch viel mehr die dreistelligen Steuermillionen, die Jahr für Jahr in Form von Abschreibungen in ausländischen Filmfonds versickern: Allein 2002 belief sich dieser Anteil auf etwa 500 Millionen Euro.

"Wenn die Politik etwas fürs deutsche Kino tun will, könnte sie sich um diese Beträge kümmern, und einiges davon in die deutsche Filmbranche leiten." meint Josef Schnelle, Vorstandsmitglied im "Verband der Filmkritik", "dann müsste man über vieles andere nicht mehr reden." Die deutschen Filmkritiker sind nicht die einzigen, die sich derzeit wieder Gedanken über deutsche Filmpolitik machen. Im kommenden Januar steht die lange angekündigte Novellierung des Filmfördergesetzes an, einen ersten Referentenentwurf hierzu hat Kulturstaatsministerin vergangene Woche vorgestellt. Unmittelbar bevorzustehen scheint auch die Gründung einer deutschen Filmakademie. Doch in beiden Fällen handelt es sich auch um ein Politikum, das die Ministerin von ihrem Vorgänger Julian Nida-Rümelin geerbt hat; Streit scheint vorprogrammiert.

Auch wo von Kultur die Rede ist, geht es beim Thema Film vor allem ums Geld. Beim Filmfördergesetz dreht sich die Diskussion es vor allem um den jeweiligen Anteil der verschiedenen Branchensparten an der Finanzierung der bundesweiten Filmförderanstalt (FFA). Hierzu konnte Weiss jetzt immerhin einen ersten Erfolg präsentieren: Die Fernsehsender stimmten einer Verdoppelung ihrer Förderabgabe von 5,6 Millionen auf 11,2 Millionen Euro zu. Genaugenommen betraf das nur ARD und ZDF, während sich die Privaten Sachleistungen wie Werbetrailern aus der Affaire ziehen wollen. Aber immerhin könnte es, falls es der Ministerin wie erhofft glückt, auch die Abgaben von Kino- und die Videobranche um je ein Prozent des Umsatzes zu erhöhen, gelingen, dass die FFA ab 2004 jährlich 95 Millionen Euro vergibt, etwa 26 Millionen mehr als bisher.

Allerdings sind die Meinungen der Branche zu alldem durchaus geteilt. Während größere Produzentenorganisationen, wie die mit dem Branchenriesen Bernd Eichinger eng verbandelte "Film 20" frohlocken, und die Kulturstaatsministerin als "Blockadebrecher" feieren, hört man von kleineren Produzenten auch eine Menge Kritik: Die zielt etwa auf die Tatsache, dass in Zukunft nur noch Filme mit einem Mindestpublikum von 150.000 (bisher 100.000) automatisch gefördert werden sollen. Dafür sollen zwar erstmals Preise und Festivaleinladungen geltend gemacht werden, doch kann das den Erfolg an der Kasse kaum ersetzen, zumal es mit Festivalpreisen für den deutschen Film zuletzt nicht allzu rosig aussah. Auch Steffen Kuchenreuther, Präsident der Kinobetreiberorganisation SPIO sprach hingegen von einer "Kriegserklärung", da das Gesetz nur den Umsatzriesen zugute käme.

Während es beim Fördergesetz noch genug Zeit zur Diskussion gibt, ist dies bei der geplanten Akademie anders, und gerade hier fragen sich manche, ob Weiss in allen Fällen gut beraten ist, und nicht eher die Fehlentscheidungen ihres Vorgängers ausbaden muss.
Debattiert wird hier vor allem um die Zukunft des Deutschen Filmpreises, der der neuen Akademie zugeschlagen werden soll. Jeder in der Branche weiß, dass dieses Projekt auf eine Initiative Bernd Eichingers zurückgeht. "Der deutsche Filmpreis ist nicht populär. Welches Gewicht hat ein Preis, der von einer elfköpfigen Jury vergeben wird?" moserte dieser, und stellte im vergangenen Sommer seine Pläne zur Neuorganisation des Filmpreises nach Vorbild des US-Oscars vor, der von den Akademiemitgliedern in mehrheitlicher Abstimmung vergeben wird - freilich mit dem entscheidenden Unterschied, dass es für den Oscar kein Geld gibt, während Eichinger darauf besteht, die bisherigen staatlichen Preisgelder des höchstdotierten Kulturpreises der Republik uneingeschränkt der Akademie zukommen zu lassen.

Dagegen hagelt es von mehreren Seiten Kritik. Die deutsche Filmbranche sei zu klein, um ohne Rücksicht auf Sympathien und Beziehungen zu urteilen, brachte schon im letzten Jahr die neue Oscar-Preisträgerin Caroline Link das Hauptdilemma auf den Punkt. Und "Die Neuorganisation des Filmpreises ist sinnlos", sagt Regisseur Christian Petzold, vor zwei Jahren mit "Die Innere Sicherheit" Preisträger - ein unbestritten ausgezeichneter Film, der aber kaum eine breite Mehrheit hinter sich bringen könnte. "Jurys sind besser als breite Abstimmungen. Das neue Modell würde den kulturellen Wert nur verwässern." Ähnlich äußert sich auch Bernd Neumann, in der CDU/CSU-Fraktion für Film zuständig, und überdies Mitglied der derzeitigen Filmpreisjury: "Ich bin noch nicht überzeugt" meinte Neumann, "soll der Bundestag weiter Geld bezahlen, aber keinen Einfluß mehr haben?" Überdies sieht er die Gefahr, dass die derzeitige, in der Filmpreissatzung festgehaltene Kulturvorbehalt des Preises zugunsten einer reinen Wirtschaftsförderung aufgegeben werden könnte: "Das jetzige Verfahren garantiert, dass eine Jury ohne Anfechtungen entscheidet, und kulturelle Aspekte nicht zu kurz kommen. Ein anderes Verfahren würde die Gefahr bergen, dass ausschließlich Mainstream prämiert wird. Ich glaube nicht daran, dass das der deutschen Filmbranche helfen und kleine Produzenten stärken würde."

Auch aus Reihen kleiner Produzenten hört man Kritik - nur leider traut sich keiner, sie auch öffentlich zu äußern. Zu weit reicht Einfluss und Lobbyarbeit Bernd Eichingers: "Wenn ich öffentlich sage, was ich denke, dann bekäme ich keine Aufträge mehr." meinte erst Anfang April ein Produzent aus München im Gespräch - zitiert werden soll es hier nur, um klar zu machen, wie manche Dinge hinter den Kulissen laufen.

Weiteren Diskussionsbedarf, sprich: Streit am Horizont sieht auch der "Verband der Filmkritik". "Wir fürchten, dass ein Klüngelkreis die kulturelle Filmförderung des Bundes im Handstreich abschaffen könnte." so Josef Schnelle, "Dabei ist der Deutsche Filmpreis einst als Reaktion auf die Unfähigkeit der Branche entstanden, Filme von kulturellem Rang herstellen zukönnen." Schnelle fordert auch ein Bewusstsein für Tradition und Charakter eines staatlichen Kulturpreises. Immerhin sei der Deutsche Filmpreis einer der wenigen Kulturpreise, die vom Bund verliehen werden. In einem offenen Brief hat sein Verband jetzt der Ministerin jetzt einen Fragenkatalog zur "kulturellen Filmförderung präsentiert." Auf die Antworten, nicht nur den Filmpreis betreffend, darf man gespannt sein.
Immerhin ist auch Christina Weiss den Richtlinien verpflichtet: "Die Filmförderung der BKM dient dem Ziel, den künstlerischen Rang des deutschen Films zu steigern und zur Verbreitung deutscher Filme mit künstlerischem Rang beizutragen." Die Diskussion darüber, wie das geschehen kann, hat erst begonnen.

Rüdiger Suchsland

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