Wie kaum ein anderer Künstler, hat ein Filmregisseur
mit dem Problem zu kämpfen, dass (selbst bei einem Dogma-Film)
die Umsetzung seiner künstlerischen Vision nur durch
die Zusammenarbeit mit zahlreichen, oft sehr eigenwilligen
Menschen möglich wird. Die gewissenhafte Auswahl seiner
Mitarbeiter und Mitkünstler kann da schnell über
Gelingen oder Scheitern seines Projekts entscheiden.
Manche Regisseur wollen bzw. müssen sich bei jedem Film
mit einer komplett neuen Mannschaft umgeben, was sowohl spannend
als auch riskant ist. Andere greifen deshalb nach Möglichkeit
auf bewährte Crewmitglieder (z.B. Kameramänner,
Komponisten) oder Stammschauspieler zurück.
Und einige wenige, werden zum Mittelpunkt eines kreativen
Kosmos, in dem sich Künstler mit ähnlichen Ideen
und Grundsätzen zusammenfinden, sich gegenseitig unterstützen,
sich bei den jeweiligen Projekten aushelfen und sich dabei
zwangsläufig auch gegenseitig beeinflussen, wie etwa
bei der Scorsese-de Niro-Tribeca-Connection.
Der momentan wohl aufregendste Braintrust dieser Art, schart
sich aber um den Regisseur Steven Soderbergh und den damit
eng verbundenen Schauspieler George Clooney, der mit seinem
hervorragenden Regiedebüt CONFESSIONS OF A DANGEROUS
MIND das aktuellste Beispiel für die Produktivität
dieses Zirkels liefert.
Passender Anlaß, um einen kurzen Blick auf die Welt
des Steven Soderbergh, seine wichtigsten Trabanten und seine
vielen Satelliten zu werfen.
Intensive Regisseur-Schauspieler Partnerschaften gab und
gibt es viele, doch nur wenige vereinen eine solche künstlerische
Sprengkraft, wie die Verbindung Soderbergh/Clooney.
Auf der einen Seite Soderbergh, mit dem klassischen Wunderkindsyndrom:
Schneller und überwältigender Erfolg mit SEX, LIES
AND VIDEOTAPE, umgehender Misserfolg (wirtschaftlich wohlgemerkt,
nicht künstlerisch!) mit KAFKA, die vier nächsten
Filme unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit,
Arbeit an fremden Filmen u.a. als Autor, mächtiges Comeback
mit OUT OF SIGHT und ERIN BROCKOVICH, seither etabliert zwischen
Kassenerfolgen und Filmkunst, als einer der intelligentesten
Querdenker Hollywoods, der sich nicht in wirkungsloser Verweigerung
verliert, sondern selber (und meist geschickter als alle anderen)
am großen Rad mitdreht.
Auf der anderen Seite Clooney, in der Mainstreamstar-mit-Köpfchen-Misere:
Aufstieg im Fernsehen zum Superstar, durch die Serie EMERGENCY
ROOM zum männlichen Sexsymbol schlechthin, radikaler
Einstieg ins große Filmgeschäft mit FROM DUSK TILL
DAWN, seither - mit einigen ertragreichen Ausnahmen - immer
stärkere Beschäftigung mit Arthouse und Independent-Filmen,
seine Popularität dabei immer wieder in den Dienst des
anspruchsvollen Films stellend.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden mündete bald
in der Gründung der gemeinsamen Produktionsfirma Section
Eight Ltd., die nun die eigenen, assoziierte und fremde Projekte
ermöglicht, wobei die Unterstützung nicht nur finanzieller,
sondern im entsprechenden Rahmen, durchaus auch kreativer
Art sein kann. Ermöglicht wird das durch eine gerne verkannte
Symbiose zwischen Blockbusterkino und Kunstfilm.
Denn jeder der sich über die 20 Mio. Dollar Gagen in
Hollywood echauffiert, übersieht, dass eine nicht unerhebliche
Zahl von Stars, einen Teil ihres Verdienstes in die Verwirklichung
anspruchsvoller Filme steckt oder sich die Freiheit nimmt,
bei unabhängigen Produktionen für ein Taschengeld
mitzuwirken, um somit den Film durch den eigenen Ruf zu unterstützen
(was z.B. in Soderberghs kommenden Low Budget-Film FULL FRONTAL
der Fall ist).
Da es sich aber um eine Symbiose handelt, hat auch der Star
einen konkreten Nutzen davon (von der Befriedigung, gute Kunst
zu schaffen, einmal abgesehen), da er durch solche Auftritte
künstlerische Credibility erhält, die entscheidend
dafür ist, den eigenen Marktwert auf Dauer zu erhalten.
Soderbergh stehen in diesem Sinne alle Möglichkeiten
offen. Er ist einerseits selber in der Lage (und auch Willens!)
im Bedarfsfall einen kommerziellen Film zu drehen (siehe OCEAN'S
ELEVEN, dem sogar eine Fortsetzung mit OCEAN'S TWELVE folgen
soll) und kann andererseits auf die Unterstützung von
zahlreichen Stars, allen voran Clooney und Julia Roberts,
vertrauen.
Diese Voraussetzungen erlauben es ihm, seine eigenen, oft
schwierigen, komplizierten, kontroversen, massenuntauglichen
Projekte umzusetzen, aber auch unangepasste fremde Filme,
wie eben Clooneys CONFESSIONS... oder WELCOME TO COLLINWOOD
von Joe und Anthony Russo oder die in Planung befindliche
Elmore Leonard Verfilmung TISHOMINGO BLUES, bei der der Soderbergh
Stammschauspieler Don Cheadle erstmals Regie führen soll,
zu ermöglichen.
Wo liegt nun aber die Gemeinsamkeit, die solche Filme mit
dem Werk von Steven Soderbergh verbinden? Oberflächliche
Ähnlichkeiten sucht man hier vergebens, was nur logisch
ist, da sich schon Soderberghs eigene Filme stilistisch enorm
unterscheiden. Die Gemeinsamkeiten sind hier grundsätzlicher.
Augenfällig ist etwa das unglaubliche technische Können
von Soderbergh und seinen Kompagnons und wie so oft in der
Kunst, gilt auch hier: nur wer die notwendige Technik absolut
beherrscht, kann sich wirklich mit der Interpretation seines
Werkes befassen.
Dieses handwerkliche Können erlaubt es ihnen auch, filmisch
aus den Vollen zu schöpfen, was beispielhaft in CONFESSIONS...
zu bewundern ist.
Hier kommen die verschiedensten Stilmittel zum Einsatz, erhält
die Erzählung einen ganz eigenen Rhythmus, variieren
Ton und Musik immer wieder, wird visuell jede Möglichkeit
genutzt, wobei gerade der auffällige Umgang mit Farbe
(etwa in den Szenen, die aussehen als hätte man beim
Fernseher den Kontrast überdreht) bezeichnend ist.
Auch Soderbergh setzt seit jeher die Farbgestaltung ganz
gezielt ein, benutzt fast monochrom eingefärbte Szenen
zur Beschreibung einer Stimmungslage, verzichtete bei KAFKA
fast vollständig auf Farbe, nutzte farbliche Unterschiede
in TRAFFIC zur Abgrenzung der einzelnen Handlungsstränge
oder setzte dem kühlen Blau in SOLARIS das psychedelische
Farbspiel des außerirdischen Nebels als Kontrapunkt
entgegen.
Kein Wunder, dass Section Eight auch an der Produktion von
Todd Haynes Technicolor-Reminiszenz FAR FROM HEAVEN beteiligt
war.
Ähnlich uneinheitlich und zugleich äußerst
präzise ist die Auswahl und der Einsatz der Schauspieler.
Die Bandbreite reicht vom Superstar, über reaktivierte
Schauspiellegenden, Seriendarsteller, Newcomern und Nobodies,
bis hin zu schauspielerischen Quereinsteigern; und oft findet
sich das ganze Spektrum in einem einzigen Film.
Erstaunlicherweise entsteht daraus immer ein einheitliches
Ensemble, dessen Spiel nicht nur den Zuschauer beeindruckt,
sondern scheinbar auch den Darstellern selber großen
Spaß macht. Wie wäre es sonst zu erklären,
dass Darsteller wie Don Cheadle, Luis Guzman oder Isaiah Washington
regelmäßig die Zusammenarbeit mit Soderbergh &
Co. suchen, dass selbst Stars wie Brad Pitt und Matt Damon
nach ihrer Arbeit bei OCEAN'S ELEVEN für einen netten
Cameo-Auftritt in CONFESSIONS... zur Verfügung standen
und dass George Clooney und Julia Roberts kaum noch in Filmen
anderer Regisseure zu sehen sind?
Am faszinierendsten ist angesichts dieser stilistischen Vielfalt
aber, dass alle diese Filme eine unglaubliche Eleganz besitzen,
wobei Eleganz nicht im modischen, sondern im mathematischen
Sinn zu verstehen ist. Finden Mathematiker oder Physiker eine
Lösung für eine schwieriges Problem, in der sich
alles nahtlos und perfekt zusammenfügt, es keine störenden
Widersprüche gibt, dann sprechen sie von einer eleganten
Lösung bzw. Formel.
In diesem Sinne sind die Filme von Soderbergh und aus seinem
Umfeld, elegant, da auch bei ihnen alles nahtlos ineinander
übergeht, alles passt, alles schlüssig ist und nichts
das makellose Gesamtbild stört. Die Filme von Soderbergh,
Clooney und Kollegen bilden somit (um mit den Titel eines
erfolgreichen Sachbuchs zu sprechen) ein "elegantes Universum".
Michael Haberlander
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