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08.05.2003
 
 
       

Planet Soderbergh
Die Welt des Steven Soderbergh, seine wichtigsten Trabanten und seine vielen Satelliten

 
 
CONFESSIONS OF A DANGEROUS MIND
   
 
 
 
 

Wie kaum ein anderer Künstler, hat ein Filmregisseur mit dem Problem zu kämpfen, dass (selbst bei einem Dogma-Film) die Umsetzung seiner künstlerischen Vision nur durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen, oft sehr eigenwilligen Menschen möglich wird. Die gewissenhafte Auswahl seiner Mitarbeiter und Mitkünstler kann da schnell über Gelingen oder Scheitern seines Projekts entscheiden.

Manche Regisseur wollen bzw. müssen sich bei jedem Film mit einer komplett neuen Mannschaft umgeben, was sowohl spannend als auch riskant ist. Andere greifen deshalb nach Möglichkeit auf bewährte Crewmitglieder (z.B. Kameramänner, Komponisten) oder Stammschauspieler zurück.

Und einige wenige, werden zum Mittelpunkt eines kreativen Kosmos, in dem sich Künstler mit ähnlichen Ideen und Grundsätzen zusammenfinden, sich gegenseitig unterstützen, sich bei den jeweiligen Projekten aushelfen und sich dabei zwangsläufig auch gegenseitig beeinflussen, wie etwa bei der Scorsese-de Niro-Tribeca-Connection.

Der momentan wohl aufregendste Braintrust dieser Art, schart sich aber um den Regisseur Steven Soderbergh und den damit eng verbundenen Schauspieler George Clooney, der mit seinem hervorragenden Regiedebüt CONFESSIONS OF A DANGEROUS MIND das aktuellste Beispiel für die Produktivität dieses Zirkels liefert.
Passender Anlaß, um einen kurzen Blick auf die Welt des Steven Soderbergh, seine wichtigsten Trabanten und seine vielen Satelliten zu werfen.

Intensive Regisseur-Schauspieler Partnerschaften gab und gibt es viele, doch nur wenige vereinen eine solche künstlerische Sprengkraft, wie die Verbindung Soderbergh/Clooney.
Auf der einen Seite Soderbergh, mit dem klassischen Wunderkindsyndrom: Schneller und überwältigender Erfolg mit SEX, LIES AND VIDEOTAPE, umgehender Misserfolg (wirtschaftlich wohlgemerkt, nicht künstlerisch!) mit KAFKA, die vier nächsten Filme unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, Arbeit an fremden Filmen u.a. als Autor, mächtiges Comeback mit OUT OF SIGHT und ERIN BROCKOVICH, seither etabliert zwischen Kassenerfolgen und Filmkunst, als einer der intelligentesten Querdenker Hollywoods, der sich nicht in wirkungsloser Verweigerung verliert, sondern selber (und meist geschickter als alle anderen) am großen Rad mitdreht.

Auf der anderen Seite Clooney, in der Mainstreamstar-mit-Köpfchen-Misere: Aufstieg im Fernsehen zum Superstar, durch die Serie EMERGENCY ROOM zum männlichen Sexsymbol schlechthin, radikaler Einstieg ins große Filmgeschäft mit FROM DUSK TILL DAWN, seither - mit einigen ertragreichen Ausnahmen - immer stärkere Beschäftigung mit Arthouse und Independent-Filmen, seine Popularität dabei immer wieder in den Dienst des anspruchsvollen Films stellend.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden mündete bald in der Gründung der gemeinsamen Produktionsfirma Section Eight Ltd., die nun die eigenen, assoziierte und fremde Projekte ermöglicht, wobei die Unterstützung nicht nur finanzieller, sondern im entsprechenden Rahmen, durchaus auch kreativer Art sein kann. Ermöglicht wird das durch eine gerne verkannte Symbiose zwischen Blockbusterkino und Kunstfilm.

Denn jeder der sich über die 20 Mio. Dollar Gagen in Hollywood echauffiert, übersieht, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Stars, einen Teil ihres Verdienstes in die Verwirklichung anspruchsvoller Filme steckt oder sich die Freiheit nimmt, bei unabhängigen Produktionen für ein Taschengeld mitzuwirken, um somit den Film durch den eigenen Ruf zu unterstützen (was z.B. in Soderberghs kommenden Low Budget-Film FULL FRONTAL der Fall ist).

Da es sich aber um eine Symbiose handelt, hat auch der Star einen konkreten Nutzen davon (von der Befriedigung, gute Kunst zu schaffen, einmal abgesehen), da er durch solche Auftritte künstlerische Credibility erhält, die entscheidend dafür ist, den eigenen Marktwert auf Dauer zu erhalten.

Soderbergh stehen in diesem Sinne alle Möglichkeiten offen. Er ist einerseits selber in der Lage (und auch Willens!) im Bedarfsfall einen kommerziellen Film zu drehen (siehe OCEAN'S ELEVEN, dem sogar eine Fortsetzung mit OCEAN'S TWELVE folgen soll) und kann andererseits auf die Unterstützung von zahlreichen Stars, allen voran Clooney und Julia Roberts, vertrauen.

Diese Voraussetzungen erlauben es ihm, seine eigenen, oft schwierigen, komplizierten, kontroversen, massenuntauglichen Projekte umzusetzen, aber auch unangepasste fremde Filme, wie eben Clooneys CONFESSIONS... oder WELCOME TO COLLINWOOD von Joe und Anthony Russo oder die in Planung befindliche Elmore Leonard Verfilmung TISHOMINGO BLUES, bei der der Soderbergh Stammschauspieler Don Cheadle erstmals Regie führen soll, zu ermöglichen.

Wo liegt nun aber die Gemeinsamkeit, die solche Filme mit dem Werk von Steven Soderbergh verbinden? Oberflächliche Ähnlichkeiten sucht man hier vergebens, was nur logisch ist, da sich schon Soderberghs eigene Filme stilistisch enorm unterscheiden. Die Gemeinsamkeiten sind hier grundsätzlicher.

Augenfällig ist etwa das unglaubliche technische Können von Soderbergh und seinen Kompagnons und wie so oft in der Kunst, gilt auch hier: nur wer die notwendige Technik absolut beherrscht, kann sich wirklich mit der Interpretation seines Werkes befassen.
Dieses handwerkliche Können erlaubt es ihnen auch, filmisch aus den Vollen zu schöpfen, was beispielhaft in CONFESSIONS... zu bewundern ist.

Hier kommen die verschiedensten Stilmittel zum Einsatz, erhält die Erzählung einen ganz eigenen Rhythmus, variieren Ton und Musik immer wieder, wird visuell jede Möglichkeit genutzt, wobei gerade der auffällige Umgang mit Farbe (etwa in den Szenen, die aussehen als hätte man beim Fernseher den Kontrast überdreht) bezeichnend ist.

Auch Soderbergh setzt seit jeher die Farbgestaltung ganz gezielt ein, benutzt fast monochrom eingefärbte Szenen zur Beschreibung einer Stimmungslage, verzichtete bei KAFKA fast vollständig auf Farbe, nutzte farbliche Unterschiede in TRAFFIC zur Abgrenzung der einzelnen Handlungsstränge oder setzte dem kühlen Blau in SOLARIS das psychedelische Farbspiel des außerirdischen Nebels als Kontrapunkt entgegen.
Kein Wunder, dass Section Eight auch an der Produktion von Todd Haynes Technicolor-Reminiszenz FAR FROM HEAVEN beteiligt war.

Ähnlich uneinheitlich und zugleich äußerst präzise ist die Auswahl und der Einsatz der Schauspieler. Die Bandbreite reicht vom Superstar, über reaktivierte Schauspiellegenden, Seriendarsteller, Newcomern und Nobodies, bis hin zu schauspielerischen Quereinsteigern; und oft findet sich das ganze Spektrum in einem einzigen Film.
Erstaunlicherweise entsteht daraus immer ein einheitliches Ensemble, dessen Spiel nicht nur den Zuschauer beeindruckt, sondern scheinbar auch den Darstellern selber großen Spaß macht. Wie wäre es sonst zu erklären, dass Darsteller wie Don Cheadle, Luis Guzman oder Isaiah Washington regelmäßig die Zusammenarbeit mit Soderbergh & Co. suchen, dass selbst Stars wie Brad Pitt und Matt Damon nach ihrer Arbeit bei OCEAN'S ELEVEN für einen netten Cameo-Auftritt in CONFESSIONS... zur Verfügung standen und dass George Clooney und Julia Roberts kaum noch in Filmen anderer Regisseure zu sehen sind?

Am faszinierendsten ist angesichts dieser stilistischen Vielfalt aber, dass alle diese Filme eine unglaubliche Eleganz besitzen, wobei Eleganz nicht im modischen, sondern im mathematischen Sinn zu verstehen ist. Finden Mathematiker oder Physiker eine Lösung für eine schwieriges Problem, in der sich alles nahtlos und perfekt zusammenfügt, es keine störenden Widersprüche gibt, dann sprechen sie von einer eleganten Lösung bzw. Formel.

In diesem Sinne sind die Filme von Soderbergh und aus seinem Umfeld, elegant, da auch bei ihnen alles nahtlos ineinander übergeht, alles passt, alles schlüssig ist und nichts das makellose Gesamtbild stört. Die Filme von Soderbergh, Clooney und Kollegen bilden somit (um mit den Titel eines erfolgreichen Sachbuchs zu sprechen) ein "elegantes Universum".

Michael Haberlander

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