Vergangene Woche trafen sich im Berliner Hotel Adlon eine
Reihe verdienter Damen und Herren des Deutschen Films, um
einen Verein zu gründen. Dieser Verein soll "Deutsche
Filmakademie e.V." heißen und hat hehre Ziele.
Laut Einladung möchte man "denen, die in herausragender
Weise daran beteiligt sind, dass Jahr für Jahr wichtige,
preiswürdige deutsche Filme entstehen, eine Organisation
anbieten, in der sie sich wiederfinden können."
Die Deutsche Filmakademie wolle "die institutionelle
Mitte" sein, "die Gemeinschaft, in der sich die
Filmkünstler dieses Landes zu Hause fühlen".
"Darüber hinaus", so schreiben die Initiatoren
bescheiden, soll der Verein "im Zusammenwirken mit der
Bundesregierung" auch den Deutschen Filmpreis vergeben.
Dahinter verbirgt sich der weniger bescheidene Plan, den
Deutschen Filmpreis, der heute ein Preis des Bundestages ist,
mit Haut und Haar zu privatisieren. Das Modell ist dabei einmal
mehr Amerika und seine Academy of Motion Pictures, Sciences
and Arts, die jedes Jahr den Oscar vergibt.
Man wolle "wieder stolz sein können auf den Deutschen
Film", erklärte dazu Bernd Eichinger, einer der
Initiatoren, im Bundeskulturausschuss. Und die Kulturstaatsministerin
Frau Weiss sekundierte, der deutsche Film stehe nicht unter
"Artenschutz", sondern müsse "seine Existenzberechtigung
vor dem Publikum nachweisen" - deshalb wolle sie "Klasse
und Kasse" verbunden wissen. Interessanter Weise aber
ist der Deutsche Filmpreis ein Instrument der kulturellen
Filmförderung. "Stolz" oder "Kasse"
sind bislang keine Kriterien für diesen Kunstpreis. Vielmehr
geht es um "herausragende Leistungen im deutschen Film"
- und die werden mit beachtlichen Preisgeldern von insgesamt
über 2,8 Millionen Euro gefördert.
Überrumpelung und Desinformation
Es geht also um öffentliche Gelder, die die ganze Branche
betreffen, und die bislang in eine funktionierende Förderpraxis
eingebunden sind. Vor diesem Hintergrund ist die bis heute
anhaltende Geheimdiplomatie, die Tatsachen schaffen möchte,
bevor eine echte Diskussion stattfinden konnte, mehr als nur
Unhöflichkeit und Formfehler. Vielmehr verbirgt sich
hinter dieser Taktik ganz offenbar die Angst, eine mehrheitliche
Zustimmung der Branche nicht anders organisieren zu können,
als durch Überrumpelung und Desinformation. Trotzdem
wird immerfort von dem Austausch gesprochen, den man verbessern
wolle, von Gemeinschaft und Gespräch. Es ist diese Doppelstrategie,
mit der sich die Akademie verdächtig macht. Ihre Initiatoren
sprechen von Kommunikation, sind aber nicht in der Lage, ihre
Pläne offen zu Tage zu legen. Sie sprechen von und für
die ganze Branche, ohne sie in die Diskussion einzubeziehen.
Sie schreiben Ideale auf ihre Fahnen, die sie längst
hätten umsetzen können - aber das Flattern der bunten
Wimpel soll offensichtlich von dem eigentlichen Ziel ablenken:
Der Übernahme des Deutschen Filmpreises.
Nun kann man sich natürlich wie die Ministerin freuen,
dass die Filmwirtschaft überhaupt Initiative zeigt. Der
Vorschlag der Akademie, den Deutschen Filmpreis zu übernehmen,
hat aber unübersehbare Mängel. Zwar ist der Satzungsentwurf
bis heute (8.9.2003 - mitlerweile ist die Satzung unter www.deutsche-filmakademie.de
online) nicht öffentlich, was für sich schon Skandal
genug ist. Fest steht aber immerhin, dass die Nominierungen
und Auszeichnungen des Deutschen Filmpreises in einem dreistufigen,
hochbürokratischen Prozess bestimmt werden sollen, der
in seiner letzten Phase 2500 Mitglieder oder mehr involviert.
Fest steht weiterhin, dass sowohl die Auszeichnungen (über
die alle Mitglieder abstimmen), als auch Nominierung und Vornominierung,
(über die die jeweiligen Berufsgruppen abstimmen) nicht
auf Basis einer gemeinsamen Kinosichtung fallen werden. Es
ist vielmehr davon auszugehen, dass viele der Delegierten
die Filme, über die sie abstimmen, nicht aus eigener
Anschauung kennen. Aber selbst wenn alle Akademie-Mitglieder
die knapp 100 deutschen Filme sähen, die jedes Jahr in
Deutschland produziert werden, wären es die Filme der
großen Werbebudgets und Zuschauerzahlen, die von dem
neuen System profitieren. Dieser Verstärkereffekt ist
aus den Akademien anderer Länder bekannt. Was bei "Demokratisierungen"
dieser Art notwendiger Weise auf der Strecke bleibt, ist Vielfalt
und Eigensinn. Die Mehrheitswahl war noch nie ein taugliches
Mittel, künstlerische Qualität zu bestimmen - nicht
ohne Grund wählen wir weder die Bilder in unseren Museen
noch die Musiker in unseren Orchestern.
Marketing für den Mainstream
Ein von einer Akademie verliehener Filmpreis wäre also
vor allen Dingen eine Marketingveranstaltung für den
Mainstream, mit populären Preisen und tollen Fernsehquoten,
aber ohne künstlerische Autorität. Die Industrie
mag daran ein legitimes Interesse haben - Gelder der kulturellen
Filmförderung dürfen hierfür nicht umgewidmet
werden.
Die jetzige Praxis mag verbesserungswürdig sein - im
Prinzip ist sie richtig. Eine kleine qualifizierte Jury, die
ihre Entscheidungen in intensiver Diskussion sucht, wird immer
engagierter und mutiger Entscheiden, als ein Wahlvolk von
2500 oder mehr Personen. Dabei ist es völlig gleichgültig,
ob sich dieses Volk aus Preisträgern, Professoren oder
Tennisspielern zusammensetzt. Es kann eben nicht um den kleinsten
gemeinsamen Nenner gehen, sondern es muss um die Kultur gehen,
die wir brauchen, die unsere Identität schärft,
unsere Gegenwart herausfordert, unsere Zukunft beleuchtet.
Diese Filme herauszufiltern, ist einer unabhängigen -
also auch: nicht betroffenen - Jury eher zuzutrauen, als der
Filmbranche in ihrer Gesamtheit, die natürlicher Weise
von Egoismen geprägt ist und niemals zu einer Entscheidung
wie der von 1993 käme, in der die Jury den Hauptpreis
- das Filmband in Gold - nicht vergeben hat, weil das Niveau
"nicht preiswürdig" war. Eine solche Entscheidung,
die eben auch Kritik sein wollte, Herausforderung und Kommentar,
würde eine Akademie niemals getroffen haben. Eine Akademie
will sich selbst feiern, und genau dafür muss sich der
Deutsche Filmpreis zu schade sein.
Christoph Hochhäusler
Christoph Hochhäusler stammt aus München und
hat die Münchner Filmhochschule besucht. Er gehört
zu den Gründern und Redakteuren der schönen Filmzeitschrift
revolver.
Sein erster Langfilm MILCHWALD lief mit großem Erfolg
im "Internationalen Forum des Jungen Films" auf
der Berlinale 2003, sowie auf dem Filmfestival von Montréal.
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