Das Herz des Weltkinos schlägt in Asien. Man kann, man muss
dem asiatischen Kino rettungslos verfallen, wenn man einige
der neueren Filme aus dieser Gegend sieht. Überfällig, trotz
aller Anstrengungen des Filmfests und des Fantasy Filmfest,
dass man ihm nun in München endlich auch noch ein eigenes
Festival gewidmet hat - es gibt einfach zu viele zu gute Filme,
die gezeigt werden müssen. Manche hätte vermutlich auch das
Filmfest München gern gehabt: Die neuen Filme von Zhang Yimou
und Johnnie To sind hier erstmals in München zu sehen.
Wie die Vorführbedingungen sein werden, wie das dreitägige
Festival im Einzelnen laufen wird, muss man abwarten. Aber
es läßt sich alles gut an: Die Filme laufen sämtlich im Original
mit englischen oder deutschen Untertiteln, das Mathäser-Kino
bietet einen excellenten Vorführrahmen und die Preise sind
mit 7 Euro pro Vorführung nicht zu hoch. Außerdem gibt es
- davon kann sich das Filmfest eine fette Scheibe abschneiden
- eine Dauerkarte für 55 Euro. Ebenfalls wichtig: Zwei Filme,
ALIVE und AZUMI liefen zwar erst kürzlich auf dem Fantasy
Filmfest - aber nicht in der von den Regisseuren ursprünglich
auitorisierten Langfassung, in der sie hier nun gezeigt werden.
Wem diese Fime also gefallen haben, für den lohnt sich vielleicht
der zweite Blick (der sich natürlich immer lohnt) gleich doppelt.
Auch die Filmauswahl stimmt. Nur zwei Tips: Etwa HOUSE OF
FLYING DAGGERS von Zhang Yimou. Wieder spielt Zhang Ziyi die
Hauptrolle, sie ist die neue Große des chinesischen Kinos,
neben Maggie Cheung und Gong Li. Nach HERO hat Zhang Yimou
seinen zweiten Martial-Arts gedreht, wieder große Oper und
reines Kino, ein Fest aus Blut, Seide und Leidenschaft, aber
bodenständiger, als das abstrakte Farbspektakel in HERO, dominiert
von den satten Farben des Herbstwaldes. Kämpfe im Bambuswald
a la King Hu gibt es auch - einen chinesischen Western könnte
man das Ganze nennen. Es ist atemberaubend, wie sich dieser
Regisseur zur Zeit, nach Dissidenten-Filmen und seiner neorealistischen
Phase, neu erfindet, seinen Stil ändert, nicht einfach einen
Zhang-Yimou-Film an den nächsten reiht, sondern lieber manche
Fans vor den Kopf stößt.
Johnnie To's neuester Film ebnet die Grenzen zwischen Genre
und Kunst einmal mehr ein - wieder eine Glanzleistung, im
Gegensatz zu Reinfällen wie RUNNING ON KARMA (Berlin) und
RUDAO LONGHU BANG (Venedig). BREAKING NEWS ist eine komplexe
Studie über Macht und Medien im Stil eines Hongkong-Gangsterfilms,
Kino als Kinese, massive und doch flüchtig leichte Bewegung
von Materie durch den Raum. Wenn Wong Kar-wais Filme an Jazzkonzerte
in einem verrauchten Keller mit hübscher Damentoilette erinnern,
dann ist BREAKING NEWS ein brilliant choreographiertes Ballett
mit angeschlossener Garküche: Denn gekocht wird hier viel
und gut. Ein Höhepunkt des Films ist jene Szene, in der die
zwei Gangster gemeinsam mit ihren Geiseln ein Mehr-Gänge-Menü
zubereiten und essen, und den ganzen Vorgang live ins Fernsehen
übertragen.
Mit anderen Worten: Wer einigermaßen bei Trost ist, wird
das kommende Wochenende im Matthäser verbringen. Wir jedenfalls
sind ausnahmsweise einmal Partei und wünschen Machern wie
Filmemachern viele Besucher, viel Erfolg!
Rüdiger Suchsland
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