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14.04.2054
 
 
       

Auf den Film gekommen
Anmerkungen zu den DVD-Reihen der ZEIT, der Süddeutschen und des Stern

 
 
Die DVD-Sammlung der Süddeutschen Zeitung
   
 
 
 
 

Innerhalb kurzer Zeit haben die Wochenzeitung DIE ZEIT, die Süddeutsche Tageszeitung und das Magazin Der Stern jeweils eine eigene DVD-Reihe mit einer Auswahl an Spielfilmen aufgelegt (ZEIT und Süddeutsche mit je 50 Titeln, Stern mit 12). Auch wenn man davon ausgehen muss, dass dieser auffälligen Häufung vor allem Marketingüberlegungen zu Grunde liegen, bieten die Reihen doch Anlass genug, sich einige Gedanken über ihren (cineastischen) Sinn und Zweck zu machen.

Vorab muss man nüchtern feststellen, dass die Hauptmotivation hinter allen drei Filmreihen eine rein wirtschaftliche ist. In der heutigen Zeit verdienen Tankstellen das meiste Geld mit Lebensmitteln, leben Kinos vom Erlös ihrer Snack-Bar, verkaufen Baumärkte Bekleidung und Getränkemärkte Elektrogeräte. Diese sogenannten Nebengeschäfte haben auch die Zeitungen und Zeitschriften für sich entdeckt, weshalb man in deren jeweiligen Shops vom Kaffeebecher bis zum DVD-Player eine Vielzahl von nichtjournalistischen Produkten erwerben kann.

Besonders erfolgreich war diesbezüglich im letzten Jahr die (im Ausland bereits bewährte) Idee der Süddeutschen, Literaturklassiker in einer einheitlich gestalteten Sammelreihe unters Volk zu bringen. Angesichts des großen Erfolges zog bald die Konkurrenz mit ähnlichen Projekten nach. Eine Fortsetzung dieser Erfolge versprechen sich die Zeitungen nun mit DVD-Serien, die einige (mal mehr, mal weniger) Klassiker der Filmgeschichte vereinen.

Obwohl dieses Serien von filmkritischen Texten begleitet bzw. vorgestellt werden, wollte doch keine der Zeitungen der Eindruck erwecken, hier werde eine Art Kino-Kanon aufgestellt. Vielmehr habe man Filme ausgewählt, die auf ihre Art bahnbrechend, stilbildend oder sonstwie kinogeschichtlich von Relevanz sind. Angesichts solch unbestimmter und vieldeutiger Begriffe ist es dann auch unmöglich, die Auswahl der Filme zu kritisieren. Tatsächlich finden sich unter ihnen aber zahlreiche Meisterwerke, sehr viele gute Filme und der Rest ist zumindest diskussionswürdig.

Was ist nun aber der cineastische Anspruch dieser Reihen und was hat man als Filminteressierter davon?

Grundsätzlich sind diese Projekte zu begrüßen, da sie in jedem Fall etwas zur Verbreitung und Vermittlung der Filmkunst beitragen. Das ist wichtiger denn je, denn - so paradox es auch klingen mag - trotz der Omnipräsenz von Film und Kino, verschwindet die Filmkunst langsam aus unserer Gesellschaft. Das Medium Film und damit auch seine Berichterstattung und sein Einfluss auf unsere Gesellschaft, leidet seit Jahren an einer inneren Spaltung, die zu dieser widersprüchlichen Entwicklung führt.

So ist Film einerseits eine ernsthafte Kunstform mit dem selben Anspruch wie etwa Literatur, Musik oder die Bildende Kunst. Andererseits ist Film (bzw. Kino) aber auch Show, Unterhaltung oder "Event". Das große Verhängnis besteht nun darin, dass eigentlich jeder Film beide Aspekte enthält (selbst wenn das Verhältnis 98 zu 2 ist), man aber beides vollkommen voneinander getrennt betrachten kann bzw. soll bzw. muss. Von der Allgemeinheit werden aber zunehmend nur noch die Äußerlichkeiten wahrgenommen und diskutiert, während die "inneren Wert", also die künstlerischen Aspekte, immer mehr zu einem hermetischen Spezialgebiet (von Kennern für Kenner) verkommt. So läßt sich z.B. erklären, dass die Berichterstattung über Filmfestivals wie in Berlin zwar große Aufmerksamkeit in den Massenmedien und bei deren Publikum findet, dass aber die dort preisgekrönten Filme bei ihrem Kinostart weit hinter den Besucherzahlen von durchschnittlichen Mainstreamfilmen zurückbleiben.

Es stellt sich die Frage, ob die Sammelreihen von Süddeutsche & Co. tatsächlich den ernsthaften (was keineswegs gleichbedeutend mit akademisch-freudlos ist!) Umgang mit der Kunstform Film fördern (wollen) oder ob sie ihrerseits nur eine gehobene Form des kulturellen Devotionalienhandels darstellen. Denn so lobenswert es ist, dass guten Filmen in auflagenstarken Zeitungen in einem ansprechenden Rahmen und mit intelligenten Texten eine neue Aufmerksamkeit beschert wird, so fraglich ist es doch, wer sich davon angesprochen fühlen soll und mit welchem Ergebnis.

Wer etwa glaubt, hier mit Hilfe der Meilensteine und Eckpfeiler des Kinos einen Crashkurs in Filmgeschichte machen zu können, der wird wohl enttäuscht werden. Ein Meilenstein singulär betrachtet (selbst mit einem erklärenden Text als Hilfe) bringt vielleicht ein cineastisches Erlebnis aber kaum einen Erkenntnisgewinn über die Entwicklung des Kinos. Wenn es wirklich so einfach wäre, könnte sich z.B. das Münchner Filmmuseum seine umfangreichen Werkschauen und Themenschwerpunkt sparen und nur noch die "Essenz" zeigen.

Gerade beim Programm des Filmmuseums kann man lernen, dass das Setzen von Schwerpunkten (in welcher Form auch immer) in der Regel spannender und aufschlussreicher ist, als ein kunterbuntes best-of Programm.

Nun kann man natürlich alle filmtheoretischen Überlegungen hinter sich lassen und die Filme zum reinen Vergnügen sammeln, schließlich ist z.B. Kubricks 2001 voranging ein toller Film und eben darüber hinaus auch noch ein bahnbrechendes Kunstwerk. Aber auch zur privaten Filmbibliothek für schöne Heimkinostunden eignen sich die Filmreihen nur bedingt, da sich (der unbestrittenen Qualität der einzelnen Werke zum Trotz) durch die weit gestreute Auswahl eine Genre-, Stil-, Sujetvielfalt ergibt, die selbst den Geschmack von leidenschaftlichen Filmliebhabern streckenweise überfordert.

Womit man zu der Frage kommt, an welche Personengruppe sich die Filmreihen richten. Cineastisch unbeleckte Menschen werden von der anspruchsvollen Auswahl vermutlich überfordert, echten Cineasten dagegen bieten sich hier kaum neue Erkenntnisse oder Erfahrungen.

Am ehesten profitieren noch die moderaten und neugierigen Kulturliebhaber, die ihre filmischen Kenntnisse vertiefen wollen und verstärkt nach dem vielschichtigen Vergnügen eines guten Filmes suchen. So ist es für Interessierte dann wohl auch am sinnvollsten, weniger auf die gesamte Serie abzuzielen, als vielmehr mit Hilfe der begleitenden Texte einzelne Werke für sich (wieder) zu entdecken und so einen ganz persönlichen Filmgeschmack zu entwickeln.

Dagegen das mit Abstand schlimmste Schicksal, dass die Film der DVD-Reihen von ZEIT, Süddeutsche und Stern ereilen kann, wäre es, wenn sie um der Vollständigkeit willen oder aus kultureller Angeberei oder sonstigen niederen Gründen gesammelt würden, um dann im Regal ungesehen zu verstauben.

Michael Haberlander

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