KINO MÜNCHEN FILM AKTUELL ARCHIV FORUM LINKS SITEMAP
22.12.2005
 
 
       
King Kong 1933 - Traumspiel und Apokalypse


 
 
Die Schöne und das Biest
   
 
 
 
 

Alter Affe Angst: Vor Peter Jackson KING KONG-Remake lohnt die Erinnerung an das Original.

Ein Schrei. Ein Affe. Eine weiße Frau. Ein wilder Film, voller Leidenschaft, mit sensationellen ungesehenen Bildern, und dabei die große Tragödie einer unerfüllten Liebe. Man hat KING KONG ein wenig vergessen, scheint doch der Film Ernest B. Schoedsacks und Merian C. Coopers gegenüber anderem aus der Glanzzeit des frühen Tonfilms, gegenüber Langs Thrillern, Chaplins Komödien, Renoirs Melodramen und Riefenstahls Propagandakino in der oberflächlichen, ersten Erinnerung vergleichsweise banal. Doch man muss die Distanz der Jahre aufbrechen, näher herantreten und genauer hinschauen.

Dann entdeckt man einen der Archetypen des Kinos, eine Film-Ikone. Denn als KING KONG 1933 ins Kino kam, war dies "der" Monster- und Sensationsfilm schlecht, nicht nur, weil er im Gegensatz zu FRANKENSTEIN oder DRACULA nicht auf literarischen Vorlagen fußt, sondern ein ureigenes Geschöpf der Filmgeschichte ist. Besser als andere Filme beherrscht dieser die Kinodialektik von Verbergen und Zeigen, souverän spielt er auf der stilistischen Klaviatur des Mediums, ist Jahrmarktvergnügen, intellektuelles Vexierspiel und große Poesie in einem.

Wenn nun Peter Jackson nach seinem dreiteiligen Hobbit-Tagtraum DER HERR DER RINGE kommende Woche nun die Welt mit seinem persönlichen Remake von KING KONG beglückt, dann hat dies zumindest ein Gutes: Dass er uns daran erinnert, dass es ein Original gibt, dass wir wiedersehen sollten.

Ein Hollywood-Filmteam reist auf die unbekannte, merkwürdig verlorene Südseeinsel "Scull Island", um deren Geheimnis zu lüften. Die Eingeborenen sind feindselig. Sie verehren den Riesengorilla King Kong als Gott, und wollen ihm die Schauspielerin Ann, die einzige Frau, die das Team begleitet, opfern. Darum entführen sie Ann des nachts heimlich vom Schiff. Tatsächlich taucht der Riesenaffe auf, doch tötet er Ann nicht, sondern behandelt sie fürsorglich, und schützt sie in vielen Kämpfen gegen furchterregende Urwelttiere wie Saurier und Drachen. Indem sie die Liebe Kongs zu Ann ausnutzen, gelingt es den Filmleuten, den Affen zu fangen und nach New York zu entführen, wo er von der Unterhaltungsindustrie als "Achtes Weltwunder" vermarktet wird. Dort befreit sich Kong, kidnapped Ann erneut, und wird von der US-Luftwaffe schließlich in einem sagenhaften Showdown auf dem Empire State Building getötet.

KING KONG war ein Blockbuster, Liebesmelo und Katastrophenfilm, Horror, Thriller und Abenteuermovie in einem. Vieles liegt in diesem Stoff: Die klassische Geschichte von der Schönen und dem Biest, eine ungleiche, einseitige Liebe über Grenzen von Klasse, Rasse und Natur. Abgesehen von der Metapher des Verhältnisses von Zivilisation und Natur, Disziplin und Wildheit hatte dies - ein großer schwarzer Affe entblättert eine weiße, blonde Frau - 1932 auch einen eindeutig rassistischen Unterton.

Die Faszination dieses Stoffes liegt in vielen gesellschaftspolitisch relevanten Themen: Die unverstellte Maskulinität des Affen, der cultural clash zwischen den modernen Amerikanern und den Ureinwohnern der unbekannten Insel, schließlich der Einsatz roher Gewalt als ultima ratio der sich urbanisierenden Gesellschaft im Amerika des New Deal. Sieht man den Film heute wieder - gelegentlich im Fernsehen oder Kino, oder auf DVD (die US-Special Edition ist kaum teurer als die deutsche DVD, aber durch ihre Extras wesentlich lohnenswerter) - ist man auch erstaunt über die Deutlichkeit, mit der politische Themen der damaligen Zeit angesprochen werden: Dynamik und Psychologie der modernen Massengesellschaft, die Not der wirtschaftlichen Depression und die daraus folgende Sehnsucht nach einer Utopie - gespiegelt durch das gedankliche Spiel mit dem eigenen Untergang, die mehrfach aufscheinende unterbewusste Sehnsucht nach einer Katastrophe der Verhältnisse.

Sehr klar analysiert der Film auch die Mechanismen der Unterhaltungsindustrie: Immer wieder sieht man den Filmemachern hier beim Filmen zu. Und bis heute atemberaubend ist die Szene, in der Ann noch vor Erreichen der Inseln die verschiedenen Stadien der Angst, bis hin zum nackten Entsetzen für Probeaufnahmen simuliert - die sie später tatsächlich in den Händen Kongs empfinden wird. Eine Entlarvung des Kinos - und bezeichnenderweise eine der wenigen Szenen, die Jackson aus seinem Remake komplett entfernt hat.

Fay Wray, die Darstellerin der Ann, spielte hier die Rolle ihres Lebens. Doch der eigentliche Star des Originals waren die Monster, tricktechnisch per Stop-motion-Verfahren in einer Perfektion zum Leben erweckt, die erst in den 80ern mit den ersten Computern übertroffen wurde. Allen voran King Kong selbst. In zahlreichen Remakes erstand er seitdem immer wieder auf, vor allem in Japan, wo zudem mit GODZILLA ein Bruder in Form und Geist, ein tollpatschiger, nicht wirklich böser, aber doch ins Leben der Menschen nicht integrierbarer Bruder im Geiste entstand.

1976 kam es schließlich zu einem Hollywood-Remake, das sich eng ans Original hielt, es aber in die Gegenwart der 70er übertrug. Jessica Lange begann als "weiße Frau" ihre Karriere, auch Jeff Bridges war zu sehen - trotzdem blieb von dem Film nicht viel in Erinnerung. Wie vor ihm viele andere klaute Steven Spielberg schamlos aus diesem Film, schon in DER WEISSE HAI, vor allem aber in JURASSIC PARC und LOST WORLD.

Nun also Peter Jackson. Wie man hört, will auch er sich eng an die Vorlage halten, will er sie nicht in unsere Gegenwart verlagern. Doch wenig ist aktueller, als genau solche Flucht ins Zeitlose, vermeintlich Vergangene. Es wird sich also lohnen, auch dieses Remake auf unbewusste und versteckte Botschaften hin zu befragen.

Ob es Jackson, bei allem Geld, aller technischer Perfektion gelingt, an Schoedsack/Coopers Geniestreich anzuknüpfen? Zumindest in seiner Unschuld und Unbefangenheit bleibt der KING KONG von 1933 ein unübertroffener Meilenstein, eine zeitlose Parabel auf unser aller Angst vor dem Unbekannten, und zugleich ein wunderschöner Film.


Rüdiger Suchsland

  top
   
 
 
[KINO MÜNCHEN] [FILM AKTUELL] [ARCHIV] [FORUM] [LINKS] [SITEMAP] [HOME]