Alter Affe Angst: Vor Peter Jackson KING KONG-Remake lohnt
die Erinnerung an das Original.
Ein Schrei. Ein Affe. Eine weiße Frau. Ein wilder Film,
voller Leidenschaft, mit sensationellen ungesehenen Bildern,
und dabei die große Tragödie einer unerfüllten
Liebe. Man hat KING KONG ein wenig vergessen, scheint doch
der Film Ernest B. Schoedsacks und Merian C. Coopers gegenüber
anderem aus der Glanzzeit des frühen Tonfilms, gegenüber
Langs Thrillern, Chaplins Komödien, Renoirs Melodramen
und Riefenstahls Propagandakino in der oberflächlichen,
ersten Erinnerung vergleichsweise banal. Doch man muss die
Distanz der Jahre aufbrechen, näher herantreten und genauer
hinschauen.
Dann entdeckt man einen der Archetypen des Kinos, eine Film-Ikone.
Denn als KING KONG 1933 ins Kino kam, war dies "der"
Monster- und Sensationsfilm schlecht, nicht nur, weil er im
Gegensatz zu FRANKENSTEIN oder DRACULA nicht auf literarischen
Vorlagen fußt, sondern ein ureigenes Geschöpf der
Filmgeschichte ist. Besser als andere Filme beherrscht dieser
die Kinodialektik von Verbergen und Zeigen, souverän
spielt er auf der stilistischen Klaviatur des Mediums, ist
Jahrmarktvergnügen, intellektuelles Vexierspiel und große
Poesie in einem.
Wenn nun Peter Jackson nach seinem dreiteiligen Hobbit-Tagtraum
DER HERR DER RINGE kommende Woche nun die Welt mit seinem
persönlichen Remake von KING KONG beglückt, dann
hat dies zumindest ein Gutes: Dass er uns daran erinnert,
dass es ein Original gibt, dass wir wiedersehen sollten.
Ein Hollywood-Filmteam reist auf die unbekannte, merkwürdig
verlorene Südseeinsel "Scull Island", um deren
Geheimnis zu lüften. Die Eingeborenen sind feindselig.
Sie verehren den Riesengorilla King Kong als Gott, und wollen
ihm die Schauspielerin Ann, die einzige Frau, die das Team
begleitet, opfern. Darum entführen sie Ann des nachts
heimlich vom Schiff. Tatsächlich taucht der Riesenaffe
auf, doch tötet er Ann nicht, sondern behandelt sie fürsorglich,
und schützt sie in vielen Kämpfen gegen furchterregende
Urwelttiere wie Saurier und Drachen. Indem sie die Liebe Kongs
zu Ann ausnutzen, gelingt es den Filmleuten, den Affen zu
fangen und nach New York zu entführen, wo er von der
Unterhaltungsindustrie als "Achtes Weltwunder" vermarktet
wird. Dort befreit sich Kong, kidnapped Ann erneut, und wird
von der US-Luftwaffe schließlich in einem sagenhaften
Showdown auf dem Empire State Building getötet.
KING KONG war ein Blockbuster, Liebesmelo und Katastrophenfilm,
Horror, Thriller und Abenteuermovie in einem. Vieles liegt
in diesem Stoff: Die klassische Geschichte von der Schönen
und dem Biest, eine ungleiche, einseitige Liebe über
Grenzen von Klasse, Rasse und Natur. Abgesehen von der Metapher
des Verhältnisses von Zivilisation und Natur, Disziplin
und Wildheit hatte dies - ein großer schwarzer Affe
entblättert eine weiße, blonde Frau - 1932 auch
einen eindeutig rassistischen Unterton.
Die Faszination dieses Stoffes liegt in vielen gesellschaftspolitisch
relevanten Themen: Die unverstellte Maskulinität des
Affen, der cultural clash zwischen den modernen Amerikanern
und den Ureinwohnern der unbekannten Insel, schließlich
der Einsatz roher Gewalt als ultima ratio der sich urbanisierenden
Gesellschaft im Amerika des New Deal. Sieht man den Film heute
wieder - gelegentlich im Fernsehen oder Kino, oder auf DVD
(die US-Special Edition ist kaum teurer als die deutsche DVD,
aber durch ihre Extras wesentlich lohnenswerter) - ist man
auch erstaunt über die Deutlichkeit, mit der politische
Themen der damaligen Zeit angesprochen werden: Dynamik und
Psychologie der modernen Massengesellschaft, die Not der wirtschaftlichen
Depression und die daraus folgende Sehnsucht nach einer Utopie
- gespiegelt durch das gedankliche Spiel mit dem eigenen Untergang,
die mehrfach aufscheinende unterbewusste Sehnsucht nach einer
Katastrophe der Verhältnisse.
Sehr klar analysiert der Film auch die Mechanismen der Unterhaltungsindustrie:
Immer wieder sieht man den Filmemachern hier beim Filmen zu.
Und bis heute atemberaubend ist die Szene, in der Ann noch
vor Erreichen der Inseln die verschiedenen Stadien der Angst,
bis hin zum nackten Entsetzen für Probeaufnahmen simuliert
- die sie später tatsächlich in den Händen
Kongs empfinden wird. Eine Entlarvung des Kinos - und bezeichnenderweise
eine der wenigen Szenen, die Jackson aus seinem Remake komplett
entfernt hat.
Fay Wray, die Darstellerin der Ann, spielte hier die Rolle
ihres Lebens. Doch der eigentliche Star des Originals waren
die Monster, tricktechnisch per Stop-motion-Verfahren in einer
Perfektion zum Leben erweckt, die erst in den 80ern mit den
ersten Computern übertroffen wurde. Allen voran King
Kong selbst. In zahlreichen Remakes erstand er seitdem immer
wieder auf, vor allem in Japan, wo zudem mit GODZILLA ein
Bruder in Form und Geist, ein tollpatschiger, nicht wirklich
böser, aber doch ins Leben der Menschen nicht integrierbarer
Bruder im Geiste entstand.
1976 kam es schließlich zu einem Hollywood-Remake,
das sich eng ans Original hielt, es aber in die Gegenwart
der 70er übertrug. Jessica Lange begann als "weiße
Frau" ihre Karriere, auch Jeff Bridges war zu sehen -
trotzdem blieb von dem Film nicht viel in Erinnerung. Wie
vor ihm viele andere klaute Steven Spielberg schamlos aus
diesem Film, schon in DER WEISSE HAI, vor allem aber in JURASSIC
PARC und LOST WORLD.
Nun also Peter Jackson. Wie man hört, will auch er sich
eng an die Vorlage halten, will er sie nicht in unsere Gegenwart
verlagern. Doch wenig ist aktueller, als genau solche Flucht
ins Zeitlose, vermeintlich Vergangene. Es wird sich also lohnen,
auch dieses Remake auf unbewusste und versteckte Botschaften
hin zu befragen.
Ob es Jackson, bei allem Geld, aller technischer Perfektion
gelingt, an Schoedsack/Coopers Geniestreich anzuknüpfen?
Zumindest in seiner Unschuld und Unbefangenheit bleibt der
KING KONG von 1933 ein unübertroffener Meilenstein, eine
zeitlose Parabel auf unser aller Angst vor dem Unbekannten,
und zugleich ein wunderschöner Film.
Rüdiger Suchsland
|