„And the Oscar goes to...“ - nur an wen, das wissen wir noch nicht. Immerhin steht fest, dass Deutschland wieder einmal die Daumen drücken darf - eigentlich sogar gleich zwei, denn mit AUSREISSER der Bremer Regisseurin Ulrike Grote ist ein deutscher Beitrag im Genre Kurzfilm vertreten. Ungleich größeres Medienecho findet natürlich die Nominierung von SOPHIE SCHOLL - DIE LETZTEN TAGE. Nachdem Oliver Hirschbiegels Bunkerdrama DER UNTERGANG im letzten Jahr leer ausging, ist erneut ein deutscher Beitrag, der sich mit dem Dritten Reich beschäftigt, im Rennen um den besten nicht-englischsprachigen Film.
Erster Eindruck der Oscar-Anwärter: Hollywood traut sich wieder was – ein bisschen zumindest. Das zeigen zumindest die Nominierungen für den besten Film
Heißester Favorit für den größten Abräumer der Saison ist in diesem Jahr zweifellos BROKEBACK MOUNTAIN von Ang Lee mit neun Nominierungen. Ein Film über zwei schwule Cowboys - ausgerechnet im uramerikanischsten aller Genres knüpfen hier zwei Männer zarte Liebesbande. John Wayne hätte mit Sicherheit große Augen gemacht.
Noch ein weiterer heißer Anwärter für die nackte Trophäe hat ein schwules Thema: „Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie“, brachte Truman CAPOTE die eigene Existenz auf den Punkt. Doch dieser Film hat nicht nur eine homosexuelle Hauptfigur, er nimmt auch die Todesstrafe kritisch aufs Korn, was Filmkraftmeier und Gouverneur Schwarzenegger, der Gnadengesuche zum Tode Verurteilter bekanntlich gern kategorisch ablehnt, schlecht schmecken dürfte.
Offenbar schlagen sich die Academy-Mitglieder ins politisch liberale Lager: Der Episodenfilm CRASH von Paul Haggis beleuchtet den nach wie vor gärenden Rassismus im Lande. Von Steven Spielbergs MUNICH mag man halten was man will, zumindest wirft er in seinem neuen Film die Frage auf, wohin der blindwütige Kampf gegen Terror führt, wenn man Gewalt mit Gegengewalt beantwortet.
Ganz sicher ein erklärter Gegner von Bush und seinen bigotten Anhängern ist auch George Clooney, der schon auf der letzten Berlinale keinen Hehl aus seiner Aversion gegen das republikanische Lager machte. Und siehe da, er ist gleich zweifach nominiert: Einmal als bester männlicher Nebendarsteller in SYRIANA von Stephen Gaghan, der die Korruption im globalen Spiel ums Öl thematisiert, mit dem auch der Bush-Clan sein Geld verdient. Außerdem als Regisseur von GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK, der außerdem die Kategorie „bester Film“ vervollständigt. Der Film über den Nachrichtenmoderator Edward R. Murrow, der sich auf dem Höhepunkt der Kommunistenhatz mit Senator McCarthy anlegt, hat sicher nicht zufällig Parallelen zur Gegenwart. Heute wie damals schüren die Machthaber Ängste in der Bevölkerung, um die Menschenrechte auszuhebeln – damals die Angst vor der Bedrohung durch Hammer und Sichel, heute die grassierende Furcht vor dem Terror im Zeichen des Halbmonds. Wie auch SOPHIE SCHOLL - DIE LETZTEN TAGE zollt der Film einer historischen Persönlichkeit Tribut, die auch angesichts persönlicher Bedrohung Zivilcourage beweist. Weiße Rosen blühen eben überall. Manchmal sogar in Hollywood.
Nani Fux
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