Über BROKEBACK MOUNTAIN und die Vogelgrippe.
Ein Film über schwule Cowboys. Gewiss: Tabubruch! Dachte
man bei sich, als man erstmals etwas über BROKEBAK MOUNTAIN
las. Und dann auch noch: Ang Lee. Der fabelhafte Eisstürmer.
Und hat sich schon drauf gefreut.
Aber dann: Golden Globe. Oscarnominierung. Und schon müssen
alle Filmjournalisten schreiben wie wild. Über den Film
und den Tabubruch und so weiter. Und dann auch noch: Oscar.
Für die beste Regie. Sofort müssen alle noch mal
was schreiben. Und weil so viele so vieles schreiben, ist
der Film bald ausgelutscht wie eine alte Zitrone. Alle zentralen
Szenen, alle bewegenden Momente, alle kleinen Gesten: schon
beschrieben. Der "Focus" versucht den Dreh und schreibt
einfach auch über schwule Cowboys - aber echte. Titel:
"Küsse unterm Cowboyhut". So verzweifelt kann
man sein. Und man selbst stellt sich die essenzielle Frage:
Muss ich mir den jetzt überhaupt auch noch anschauen?
Muss ich jetzt eigentlich auch noch meinen Senf dazugeben?
Eigentlich nicht. Einerseits.
Andererseits hat George W. Bush den Film angeblich auch noch
nicht gesehen ("Spiegel"). Und mit diesem Menschen
möchte man natürlich möglichst wenig gemein
haben. Andererseits kann der "Spiegel" das natürlich
selbst nicht so genau wissen, ob George den nun gesehen hat
oder nicht. Was anderes bleibt ihm zu sagen schließlich
gar nicht übrig. Denn wenn er zugeben würde, ihn
gesehen zu haben, dann müsste er ihn in Grund und Boden
verdammen. Schwule Cowboys, also bitte. Unterminierung der
amerikanischen Moral. Stammt das Skript vielleicht von Al
Qaida? Schnell mal ein paar Soldaten in das verantwortliche
Hollywoodstudio schicken? Aber das ginge nicht wegen: Oscar.
Ein bisschen ist es so wie mit der Vogelgrippe. Da müssen
jetzt auch alle deutschen Journalisten drüber schreiben.
Tote Schwäne auf Rügen! Drei Katzen angesteckt und
tot! Alle Politiker werfen sich in Position - vorzugsweise
neben Männern in Schutzanzügen. Mit ernster Mine.
Alle Experten sind schon fix und alle, weil sie dauernd Statements
abgeben sollen. Kommt die Pandemie? Wer ist schuld? Und haben
wir genug Tamiflu im Keller? Allen geht es auf den Wecker.
Den Journalisten. Den Lesern. Dabei haben 83 Prozent aller
Deutschen nicht mal Angst vor dem "Killer-Virus"
("Bild").
Zurück zu Brokeback Mountain: Um 16 Uhr startet die
Pressevorführung. Die letzte in München vor dem
Deutschlandstart. Jetzt ist es fünf vor vier. Und ich
beschließe: Die können mich mal, die schwulen Cowboys.
Gewissermaßen Totalverweigerung. Irgendwann schau ich
mir den Film ganz gemütlich im Fernsehen an. Nicht sehr
cineastisch, aber entspannt und von neuer Lässigkeit.
Weil: dem Medien-Hype entkommen.
Nani Fux
|