Die Regisseurin Nina Grosse (geb.1958) wuchs in München, Genf
und Paris auf. In München studierte sie auch an der
Filmhochschule. Mit ihrem Abschlußfilm "Der gläserne Himmel"
gewann sie 1987 den bayrischen Filmpreis. Neben mehreren
TV-Filmen, unter anderem für "Tatort", ist FEUERREITER über den
Dichter Friedrich Hölderlin ihr vierter Spielfilm. Mit ihr sprach Rüdiger Suchsland.
Artechock: FEUERREITER schildert einerseits ein historisches
Ereignis, andererseits ist es ein durchaus moderner Liebesfilm.
Welcher Aspekt überwiegt denn für Sie?
Grosse: Der aktuelle. Es sind sogar zwei Liebesgeschichten.
Die zu Susette Gontard und die zu Isaac von Sinclair. Beide
stehen für zwei Komponenten, die uns die Figur Hölderlin wichtig
machen. Einerseits Sinclair, der Hölderlin immer wieder auffordert,
herauszugehen in die Gesellschaft, Erfolg und Ruhm zu ernten.
Und auf der anderen Seite Susette. Sie konfrontiert Hölderlin
mit der Frage, ob ein Künstler überhaupt glücklich in einer
Familie leben kann. Das ist ja eine alte Frage. Beides haben
wir herausgearbeitet, weil sich damit Hölderlins Geschichte
sehr aktuell und heutig erzählen läßt.
Wenn das so zeitgemäß ist, warum machen Sie dann
einen Historienfilm?
Hölderlin ist nach wie vor eine sehr große
deutsche Figur. Er geistert immer durch Deutschland. Nicht nur mit
seinen schönen Texten, sondern auch mit dem Mythos, der diese
Figur umgibt. Und das ist interessanterweise ein Mythos vom
Scheitern. Es ist etwas Kühnes, Entschlossenes im ihn, und das
berührt uns nach wie vor.
Wie sehen Sie Hölderlin?
Das war ein radikaler Künstler. Letztlich hat
er seiner Kunst jede menschliche Beziehung untergeordnet, bis in
den Wahnsinn hinein. Er hat die Einsamkeit, den Schmerz und die
Nacht gebraucht. Dieses Radikale von dem Mann berührt mich sehr,
weil wir so radikal nicht mehr sind.
Sind Sie selber denn so radikal? Wie ähnlich sind
wir Heutigen noch diesen 200 Jahre alten Menschen?
Liebesgeschichten sind zeitlos, auch welche,
die tragisch enden. Was sich vielleicht geändert hat, ist die
Wucht und Intensität, mit der die Menschen das damals gelebt
haben. Ich denke schon, daß wir da flüchtiger geworden sind. Heute
stirbt keine Frau mehr am gebrochenen Herzen. Ich selbst bin da
auch ein Kind meiner Zeit. Wir haben ja sehr gelernt, vernünftig
zu sein. Aber diese Anarchie des Gefühls.
Ist Ihnen Hölderlin auch irgendwann unsympathisch
geworden?
Oh ja! Zum Beispiel, als er in frühen Jahren
und glaublich ehrgeizig hinter Schiller hergewieselt ist, bis zur
Selbstaufgabe gewinselt und gejammert hat. Das war mir fremd, das
mochte ich nicht. Vor allem wenn man weiß, wie radikal er dem
allen später abgesagt hat. Was ich auch nicht mag ist das
Humorlose, das diese Figur umgibt. So etwas gnadenlos Deutsches.
Wo sehen Sie sich in der deutschen Kinolandschaft.
Ihr Film ist ein Bekenntnis zum -durchaus epischen- Erzählkino im
Stil der 60er, 70er Jahre. Zugleich gehören Sie genau zu der
Generation, die jetzt gerne sketchhafte Komödien dreht.
FEUERREITER ist eine Abgrenzung dazu.
Ja schon, obwohl ich mich auch gar nicht von
irgendwem abgrenzen will. Aber die Figur Hölderlin hat auch einen
bestimmten Stil diktiert, einen Atem verlangt. Es hat keinen Sinn,
Hölderlin nicht episch erzählen zu wollen. Wir mußten trotzdem auf
vieles verzichten. Ich hätte mir gewünscht, daß er noch etwas
länger geworden wäre, aber die typischen Zwänge ließen das nicht
zu. Ich selbst mag epische Filme sehr gern. Kino muß auch eine
Zeitreise sein. Solche Filme wirken ganz anders nach. Allerdings
gibt es auch im Genre der schnellen, comicartigen Filme Sachen,
die ich sehr mag, LOLA RENNT zum Beispiel. Nur verlangt Hölderlin
eben ein anderes Tempo.
Woran arbeiten Sie jetzt? Wieder an einem
historischen Stoff?
Nein, um Gottes willen, keine Historie mehr.
Wenn man solange an so etwas arbeitet, dann schreit alles nach der
Moderne. Zunächst mache ich wieder mal einen Tatort für den
Südwestfunk. Und dann mache ich wieder etwas fürs Kino: Ein
heutiges, jetziges Road-Movie über eine kleine junge Göre, die in
die Welt aufbricht. Also eine dieser flapsigen kleinen
Komödien.
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