LOVE IS THE DEVIL ist das Spielfilm-Debüt von Regisseur und
Drehbuchautor John Maybury (40), der in den 70er Jahren begann,
Filme über die Londoner Punk-Szene zu drehen und seither eine Reihe
experimenteller Arbeiten fertiggestellt hat. Außerdem führte er bei
Musikvideos Regie.
Artechock: Wie kam es zu LOVE IS THE DEVIL?
Maybury: Die BBC hat mich
angerufen und gefragt, ob ich einen Film über Francis Bacon machen
möchte. Und ich habe gesagt: Ja, natürlich. Allerdings wollten sie
einen biographischen Film. Das hat zunächst dazu geführt, daß ich
das Projekt doch zurückwies. Denn ich wollte etwas anderes: Meine
Lieblingsbilder von Bacon sind die von George Dyer. Sie sind voller
Leidenschaft und Schönheit. Mich interessierte diese eine,
besondere Beziehung zwischen den beiden, weil sie fast eine
archetypische Beziehung zwischen einem Künstler und seinem Model
darstellt. Außerdem interessierte mich George als Charakter, denn
vieles, was ich in ihm sah, erkannte ich in mir wieder.
Was hat Sie an der Beziehung zwischen Bacon und Dyer
interessiert?
Das Interessante daran ist, daß sexuell
gesehen Bacon ein Masochist ist und Dyer ein Sadist, psychologisch
ist es aber genau umgekehrt. Es ist der Konflikt zwischen
körperlich und geistig völlig verschieden Verhältnissen. Ich war
selber in sado-masochistischen Beziehungen und meist ist es so, daß
der Masochist immer die Kontrolle hat. Klasse spielt ebenfalls
eine wichtige Rolle: Die Oberschicht und die Arbeiterklasse hatten
in England immer eine sexuelle Anziehungskraft aufeinander und in
gewisser Weise ähneln sie sich auch.
Wie sahen die Recherchen aus?
Wir haben zuerst die
Rechte an Daniel Farsons Buch "The Gilded Gutter Life of Francis
Bacon" gekauft. Dann bin ich mit Daniel rumgezogen: Wir gingen in
Bacons Lieblingsbar "The Colony Room", trafen andere Freunde des
Malers und haben uns oft sehr betrunken. Natürlich habe ich auch
alles über Bacon gelesen, was ich bekommen konnte, alle
Dokumentationen über ihn gesehen und Radioaufnahmen aus den 60er
und 70er Jahren angehört.
Sie haben viel mit Derek Jarman zusammengearbeitet. Inwiefern
hat er Sie beeinflußt?
Ich habe an seinen Filmen JUBILEE
von 1977 und THE LAST OF ENGLAND mitgearbeitet und die Ausstattung
von WAR REQUIEM übernommen. Sein Einfluß auf mich war nicht so sehr
auf meine Arbeit bezogen, sondern auf mein privates Leben und
meinen Geist. Faule Journalisten behaupten, Sachen von mir sehen
aus wie Jarman-Filme. Das ist genauso simpel und dumm wie zu sagen,
Jarman-Filme sehen aus wie Greenaway-Filme. Für mich war Derek ein
Lehrer und ein Freund - niemals mein Liebhaber. Wir haben mal
versucht, miteinander zu schlafen, aber das hat nicht funktioniert.
Er war ein wundervoller und wichtiger Mann in meinem Leben und ich
vermisse ihn.
Sind die Statements von Bacon, die über einige Szenen des
Films gelegt wurden, Original-Zitate?
Nein, die
Nachlaßverwalter von Francis Bacon drohten, mich zu verklagen, wenn
seine Worte im Film vorgekommen wären und erlaubten auch nicht, daß
irgendeines seiner Bilder gezeigt würde. In Daniel Farsons Buch
waren allerdings Zitate, die ich verwenden durfte. Auf der anderen
Seite paraphrasierte ich Bacon oder schrieb Dinge, die er gesagt
hat, in meiner Sprache um.
"There is no beauty without the wound." Was bedeutet das für
Sie?
Was Bacons Bilder so schön macht ist, daß er die Qual
und den Kampf des Lebens porträtiert. Er hat einmal gesagt, er
wolle einen schreienden Mund malen, der aussieht wie ein
Sonnenuntergang von Monet. Ich denke, Schwule und Lesben verstehen
dieses Zitat, denn in gewisser Weise sind unsere Leben verwundet.
Sie enthalten aber auch große Kraft und viel Poesie.
Teilweise erinnert Ihre Filmsprache an Bacons Art zu malen.
Wie haben Sie das gemacht?
Ich entschied mich, keine
großartigen Special-Effects benutzen. Das wäre sehr einfach und
schäbig gewesen. Ich wollte traditionelle, altmodische Techniken
verwenden. Es sollte pures Kino sein. So haben wir z.B. durch einen
Aschenbecher oder ein Glas gefilmt oder verrückte Linsen benutzt,
die einen Teil des Bildes unscharf machen. Eigentlich war Francis
Bacon der Art-Director des Films, denn seine Bilder sagten mir, wie
ich zu drehen hatte: Die Klaustrophobie, die Farbigkeit und die
Verzerrung liegt in seinen Gemälden.
Francis Bacon wird von Derek Jacobi gespielt. Warum fiel die
Wahl auf ihn?
Zuerst hatte ich Malcom McDowell als Bacon
vorgesehen. Ich hatte die Vorstellung, daß Alex DeLarge aus
CLOCKWORK ORANGE und der anarchistische Teenager, den er in IF...
spielt, zusammengenommen Francis Bacon ergeben könnten. McDowell
sagte zu, doch kurz vor Vertragsunterzeichnung stieg er plötzlich
aus. Ich weiß bis heute nicht warum. Mein Agent schlug dann Derek
Jacobi vor, aber ich dachte, er ist viel zu wichtig, viel zu
großartig. Trotzdem schickte ich ihm das Skript, und es gefiel ihm
sehr gut. Also nahm er die Rolle an. Es ist bemerkenswert, wie sehr
Jacobi im Film Bacon ähnelt, zumal er in Wirklichkeit überhaupt
nicht so aussieht. So hat er zum Beispiel Bacons Körpersprache
perfekt rübergebracht.
Wie kamen Daniel Craig und Tilda Swinton ins
Team?
Tilda ist eine alte Freundin von mir. Sie hat in
meinem letzten Film mitgespielt und war auch 1992 bei MAN TO MAN
dabei, in dem sie eine Frau spielt, die als Mann lebt. Auf Daniel
Craig kam ich, als ich mir Sachen von Malcom McDowell ansah: Er
trat in der TV-Serie "Our Friends From The North" auf, und in jeder
Szene, in der er zu sehen war, schaute ich ständig nur auf den
anderen Mann neben ihm. Das war Daniel Craig. Von Anfang an war
klar, daß mir der Darsteller von George Dyer gefallen mußte. Ich
mußte ihn sexy finden. Und er ist sexy. Ich habe die ganze Zeit wie
verrückt mit ihm geflirtet. Und ich habe ihn gewarnt: Es kann
passieren, daß du zu einer schwulen Ikone wirst. Er antwortete: Das
ist mir recht. Zur Zeit ist er übrigens mit der deutschen
Schauspielerin Heike Makatsch zusammen.
Haben Sie unterschiedliche Reaktionen von homosexuellen und
heterosexuellen ZuschauerInnen auf LOVE IS THE DEVIL
bekommen?
Bis jetzt noch nicht. Ich glaube, jeder, der
schon mal in einer Beziehung war, kann Teile der Geschichte
wiedererkennen. Natürlich hoffe ich, daß der Film Schwule und
Lesben anzieht, aber ich möchte auch, daß Heteros ihn sehen. Dies
ist mein erster Versuch, mich zum konventionellen Kino hinzubewegen
und eine möglichst großes Publikum anzusprechen. Meine früheren
Filme waren ja fast außschließlich an schwullesbische
ZuschauerInnen gerichtet. In Zukunft möchte ich auch wieder Filme
für dieses Publikum machen, denn es ist mein Publikum. Anderseits
will ich mich nicht begrenzen. Selbstbeschränkung sehe ich als ein
Hauptproblem schwullesbischen Kinos. Wir leben schließlich in
dieser Welt und nicht auf einer süßen, kleinen, glücklichen
Regenbogen-Insel. Was mich besonders in England am schwullesbischen
Filmen deprimiet ist, daß soviel verleugnet wird. AIDS war zum
Beispiel in den letzten Jahren meine Realität; ich habe so viele
Freunde verloren. Da kann ich doch nicht so tun, als wäre alles
wunderbar und glücklich.
Interview und Übersetzung Nadine
Lange
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