Artechock: In Frankreich wurde vor kurzem
die Kulisse für das kleine gallische Dorf errichtet, in dem die
Aussenaufnmahmen für den Asterix-Realfilm erstellt werden sollen.
Sie drehen dort demnächst in der Rolle als Gutemine.
Sägebrecht: Jaa, ich werd jetzt Bürgermeisterin. Wollt' ich ja
nie, aber jetzt muß ich mich da reinfügen...
Haben sie nicht die Befürchtung, daß sich dieses
Filmprojekt bei den Asterix-Fans Feinde machen wird?
Nein, die Franzosen haben das ganz zärtlich gemacht.
Wie die besetzt haben! Wenn ich mir die Figuren vorstelle. Zum
Beispiel den Christian Clavier als Asterix: Der hat eine Seele,
eine Ausstrahlung, den könnt' ich sofort in den Arm nehmen. Und
Gerard Depardieu als Obelix ist phantastisch. Der IST Obelix. Das
sagt er auch selbst: "Das bin ich. Das ist mein alter ego." Mein
Mann, Majestix, wird Michel Galabru sein, ein hochintelligenter
Theaterschauspieler. Und Gottfried John als Cäsar! Wunderbar!!!
Naja, das Gedankenspiel mit der Figurenbesetzung mag
noch ganz lustig sein, aber ob auch die Umsetzung für 90 Minuten
noch so hinreißend ist?
Das Ganze muß erstmal in Schwung kommen. Aber die
historische Recherche stimmt, und auch der Humor. Alle sind
willens, daß da keine Klischeefiguren entstehen. Ich spiele die
Gutemine ganz ernst. Das ist nun die Aufgabe, daß man diese Figuren
menschlich aufführt. Ich hab da ein gutes Gefühl.
Sie betonen ja auch sonst gerne, daß Sie Rollen
ablehnen, die zu klischeebeladen sind. In "Left Luggage" auf der
Berlinale waren Sie neben Maximilian Schell und Isabella Rosselini
dennoch in einer Rolle zu sehen, die stark über's Essen definiert
wird.
Es geht bei dieser Figur um Kuchen, und darum, daß
sie das, was sie im Konzentrationslager erlebt hat, sprichwörtlich,
nicht verdaut hat, und. daß sie das Thema nicht anrühren kann.
Bevor irgend jemand was sagen kann, bietet diese Frau lieber Kuchen
an. Zu allem, was sie erlebt hat, kommt noch hinzu, daß sie sich
schuldig fühlt. Van daher ist es klar, daß sie das zudeckt mit
Süßigleiten. Ich hab ja schon mal eine Rolle zu dem Thema gespielt.
Das war die "Frau nach Maß", wo eine runde Frau, die sich mit ihrem
Körper wohlfühlt in ihrer Firma gemobbt wird. Übergeewichtige
Menschen werden in unserer gesellschaft absolut ausgeschlossen und
diskriminiert. Und nicht nur der dicke mensch, auch der alte, oder
nicht mehr ganz dynamische Mensch. Kinder sondert man ja auch aus.
Kinder sind lästig und existieren erst ab dem siebten Lebensjahr,
wenn sie langsam Konsumenten werden.
Jeroen Krabbé, der Regisseur von "Left Luggage", hat
gesagt, daß er nicht an die amerikanische Art von Schauspielerei
glaubt, sondern daß es für ihn genügt, zum Drehort zu gehen, zu
spielen und wieder heim zu gehen. Trifft das auch auf ihre
Arbeisweise zu?
Nein. Bei mir geht das so: Bei mir werden Innenbilder
wachgerufen aus meinem Leben, wo viel Lachen war, wo viel Weinen
war. Die hol ich mir dann. Ich muß meine Figuren total erfinden und
mit meinem eigenen Leben vermählen. Ich kann nicht nur da
reingehen, und sagen: Ich schau mal, was ich, als Marianne
Sägebrecht, dabei erlebe.
Ist diese verinnerlichte Schauspielerei auf die Dauer
nicht ein bissel albern, wenn beispielsweise ein Szene beim Drehen
zwanzigmal wiederholt werden muß?
Grundsätzlich reichen einer bis fünf Takes völlig
aus. Denn zu viele Takes sind einfach absurd, es sei denn es hat
technische Gründe. Aber normalerweise ist das absurd. Das ist ja
das Schöne am europäischen Film - gezwungenermaßen - ,weil die
meistens kein so hohes Budget haben. Da wird nicht so viel
rumgetüftelt.
Weswegen sind Sie eigentlich überhaupt nicht am
neudeutschen Filmaufschwung beteiligt?
Neee, der deutsche Film! Das erledigt sich ja von
selber. Ich habe zwar mit dem Sönke Wortmann schon mal was gemacht,
den "Mr Bluesman", aber ansonsten hat das was mit grundsätzlichen
Kriterien zu tun. Ein Bernd Eichinger würde von seiner ästhetischen
Einstellung her niemals die Sägebrecht besetzen. Die Ausländer, die
Europäer tun mich aus ganz anderen Gründen rein. Die sehen mich
ganz anders und haben Respekt vor mir.
Mit Marianne Sägebrecht sprach Richard Oehmann und er fand sie
sehr nett
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