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1957 im herrschaftlichen Landhaus zu Bray, das die aufstrebende
Filmproduktionsfirma Hammer Studios zu ihrem Hauptsitz umgebaut
hatte: Die Produzenten Michael Carreras und Tony Hinds brüten über
einem möglichen Nachfolger für ihren Science-Fiction Film THE
QUATERMASS EXPERIMENT, der sich zu einem Überraschungserfolg
entwickelt hatte. Mit im Büro sitzt der junge Jimmy Sangster, der
seine Laufbahn in den Studios als Produktions- und Regie-Assistent
begonnen hatte und mittlerweile als Production Manager
angestellt war. Er hat eine Idee: Wie wäre es, wenn in dem Film die
Bedrohung mal nicht aus dem Weltraum, sondern aus dem Erdinneren
käme! - Sehr schön, findet man. Aber wie weiter?- Man könnte
doch...? - Ja genau; und dann? - Dann passiert
folgendes... Binnen einer halben Stunde ist eine Story ausgeheckt
- und Jimmy Sangster findet sich verblüfft mit dem Auftrag wieder,
ein Drehbuch zu schreiben - X...THE UNKNOWN. Der Film findet großen
Anklang, und so beginnt eine lange und fruchtbare Karriere. Sangster
gehört bald (obwohl er bei dem Studio keine feste Anstellung mehr
hat), wie Regisseur Terence Fisher, Kameramann Jack Asher,
Production Designer Bernard Robinson und Komponist James Bernard zum
kreativen Stamminventar eines herausragenden Hammer-Films. Seine
Feder haucht Frankenstein, Dracula und der Mumie neues Leben ein und
begründet damit jene Reihe von Filmen, die "Hammer Horror" in den
60er Jahren weltweit zu dem Prädikat für phantastisches Kino
werden lassen - und Peter Cushing und Christopher Lee zu
internationalen Stars. Er schreibt daneben eine Reihe
psychologischer Thriller voller raffinierter Wendungen, die ihn als
Meister der Plot-Konstruktion ausweisen, die aber bis heute noch auf
die gebührende Anerkennung warten. Sangster versucht sich auch
(recht erfolgreich) als Produzent und (weniger glücklich) als
Regisseur; als Hammers Stern zu sinken beginnt, verlegt er sich
zunehmend auf Arbeiten fürs amerikanische Fernsehen (und schreibt
dort für Serien wie "Cannon", "Columbo", "Kolchak, The Nightstalker"
und "Wonder Woman"). Bis spät in die 80er Jahre hinein betätigt er
sich darüberhinaus als Autor von Krimi-Romanen. Bei alledem wahrt
Sangster das Image des professionellen Handwerkers, der nicht im
Dienst der hehren Kunst steht. (Seine unlängst bei Midnight Marquee
Press erschienene, sehr lesenswerte Autobiographie trägt den schönen
Titel "Do You Want It Good Or Tuesday?".) Aber wie bei seinen oben
genannten Kollegen aus den Hammer-Tagen, erreicht auch Jimmy
Sangsters Arbeit in den meisten Fällen jenes Niveau, auf dem es
töricht wäre, bestes Handwerk noch von Kunst trennen zu wollen.
Anläßlich des diesjährigen Fantasy Filmfests war Jimmy Sangster
(ein Wahlamerikaner, der ganz britischer Gentleman geblieben ist)
zu Gast in München - und fand Gelegenheit zu einem Gespräch mit
Thomas
Willmann von Artechock.
Artechock:Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, als Sie im Kino
waren?
Sangster: Oh, Gott! Das erste Mal, als ich ins Kino ging?
Nein. Ich könnte nicht sagen: Das war das Erste, was ich jemals
gesehen habe. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich wirklich
gefangen war vom Kino - das war GONE WITH THE WIND - ein
außergewöhnlicher Film - ich dachte: das ist die wundervollste
Sache, die ich je gesehen habe. Ich war vorher schon sehr oft im
Kino gewesen. Ich sah mir die Abott & Costello-Filme an,
schreckliche Musicals kamen aus Amerika, aber ich liebte alles -
I adored the movies. Ich erinnere mich, einen Tag ging ich
fünf Mal - fünf Mal - ins Kino, fünf verschiedene Theater. Sie
fingen damals in London um 10 Uhr mit der ersten Vorstellung an.
Ich ging in die 10 Uhr, 12 Uhr, 3 Uhr... Vorstellung, fünf
verschiedene Kinos. Denn ich wollte immer schon im Filmgeschäft
arbeiten, immer.
Haben Sie sich, bevor Sie - quasi per Zufall - durch X... THE
UNKNOWN zum Drehbuchautor wurden, zum Schreiben hingezogen
gefühlt?
Ich vergesse es immer wieder, und ich weiß nicht,
wie es zustandekam, aber ich habe etwas vor X... geschrieben
- einen kleinen, halbstündigen Film namens THE MAN ON THE BEACH mit
Michael Medwin in der Hauptrolle und Joseph Losey als Regisseur.
Bis heute weiß ich nicht, wie das zustandekam und warum mich Tony
Hinds überhaupt gefragt haben muß, das zu schreiben. Es war keine
Original-Story, es basierte auf einem Buch oder einer
Kurzgeschichte. Aber selbst nachdem ich das gemacht hatte, habe ich
nie daran gedacht, meinen Lebensunterhalt als Schreiber zu
verdienen.
Und mit X... THE UNKNOWN veränderte sich das
alles...?
X... veränderte das alles, in der Tat. Ich merkte
plötzlich, daß ich in zwei Monaten soviel Geld verdienen konnte wie
vorher in fast einem ganzen Jahr. ...Und wesentlich einfacher noch
dazu!
Aber Ihnen hat das Schreiben auch
gefallen...
Ich liebe das Schreiben!
Es war nicht nur
das Geld.
Nein, nein.
Sie waren Autor, Produzent, Regisseur - welchen der Jobs mögen
Sie am liebsten?
Schreiben. Ja. Produzieren machte Spaß,
Regie führen... gut, Regie führen war wunderbar, wunderbar, aber
ich war sehr schlecht darin. Und der Grund, warum ich schlecht war,
glaube ich, war, weil ich gleichzeitig Autor, Regisseur und
Produzent war. Das ist das Nächste nach Gott zu sein. Niemand wird
Ihnen bei irgendetwas widersprechen. Wenn Sie nur Regisseur sind,
gibt es dauernd den Produzenten, der sagt, "Hey, bist Du sicher es
wäre nicht besser, wenn...?" Und niemand tut das, wenn Sie alles
selbst sind. Es ist keine gute Position. Das ist, was bei zwei
meiner Filme passierte, die beiden, die ich schrieb, produzierte
und Regie führte. Der dritte, LUST FOR A VAMPIRE, war einfach nur
eine sehr unglückliche Erfahrung. Ich kam da hinein wie ein
Verkehrspolizist, der den Verkehr dirigiert, denn das Buch war
geschrieben, und die Besetzung stand, und Terry Fisher sollte es
eigentlich machen, und er wurde eine Woche vorher krank, also kam
ich einfach rein und sagte "Action" und "Cut". Und ich hatte
schreckliche Streitereien mit den Produzenten.
Und Sie haben
sich auch einmal als Schauspieler betätigt, stimmt das?
Ich
spielte Winston Churchill in SIEGE OF SYDNEY STREET, und als ich in
Amerika war, produzierte ich eine Fernsehserie, "Young Daniel
Boone", und ich spielte den englischen Officer - mit Uniform und
allem - der Daniel Boone nach Kalifornien, oder wohin auch immer,
schickt. Ich habe es gehaßt!
Das Schreiben ist Ihr
Ding?
Schreiben ist mein Ding. ...Schreiben war mein Ding -
jetzt habe ich nicht wirklich ein Ding heutzutage. Ich schreibe
gelegentlich, und gelegentlich verkaufe ich etwas, aber ich habe
den Drive nicht mehr... Ich werde alt - ich bin alt.
Sie
wirken aber nicht alt.
Ich bin über 70 - und das ist alt.
Ich habe einen Bus-Paß, was bedeutet, daß ich in London umsonst mit
den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, ich kann umsonst ins
Kino gehen, ich komme überall um die Hälfte rein, weil ich alt bin.
Und was mich jetzt wütend macht ist - ich meine, vor fünf, sechs
Jahren, wenn ich sagte, "Ich hätte gerne eine Seniorenkarte", hieß
es, ich muß meinen Ausweis vorzeigen. Jetzt geben sie mir die Karte
einfach. Daß jemand einen Altersnachweis verlangt - nie!
Sie haben für eine ganze Reihe von Produktionsgesellschaften
gearbeitet. Was war es, das gerade Hammer so besonders
machte.
Nun, was Hammer so besonders machte war, soweit es
mich angeht, die Beziehungen, die ich zu den Leuten dort hatte -
Michael Carreras war mein allerbester Freund. Die Beziehungen, die
ich zu Michael Carreras hatte und zu Tony Hinds.
Und die
Atmosphäre in Bray?
Oh ja, ja. Aber sie müssen verstehen,
daß, als ich anfing, meine was ich Gothic Horror Stories
nannte zu schreiben (was mit THE CURSE OF FRANKENSTEIN anfing), ich
nur selten zu den Studios ging. Ich schrieb das Script, lieferte es
ab, und das war das Ende davon. Vielleicht bat mich Terry Fisher
darum, ein paar Änderungen vorzunehmen - nicht sehr oft -
aber... Zuvor, als ich noch Assistant Director war - ich meine
die ganze Atmosphäre, der ganze Arbeitsethos von Bray, das war eine
sehr freundliche Situation. Wir waren dort jeden Tag miteinander
zusammen. Bevor wir überhaupt damit anfingen, die Horror-Filme zu
machen, hatten wir die selbe Crew seit drei oder vier Jahren.
Als Sie Regisseur und Produzent geworden waren, kamen Sie
zurück nach Bray?
Nein, nein, ich arbeitete niemals in Bray
als Produzent oder Regisseur. Den ersten Film, den ich machte als
Produzent, war TASTE OF FEAR, und das war in Elstree. THE NANNY war
in Elstree... Ich habe in Bray nie produziert oder Regie geführt.
Das erste Mal, daß ich wieder nach Bray zurückkam, war vor ein paar
Wochen. Es gab eine Party dort. Das erste Mal, daß ich in Bray war
seit 35, 40 Jahren.
Hat es sich viel verändert? Gibt es noch
etwas Wiedererkennbares?
Das alte Haus ist noch da.
Eigentlich hat sich wenig verändert. Der große Unterschied ist, daß
es nun alles sehr klein und schäbig aussieht. Weil ich nun in all
den großen Studios von Hollywood gearbeitet habe, die großen Namen,
und wenn man sich den Ort jetzt anschaut, wirkt er wie ein kleiner
Gartenschuppen.
Ist es wahr, daß Sie eigentlich Horror gar nicht mögen?
Nein, ja, mmh...Ich mag... - ich habe meine Filme nie als
Horror-Filme gesehen. Ich sehe meine Filme als Märchen: Es war
einmal, hoch auf einem Hügel, in einem großen Schloß, da lebte ein
böser Baron. Märchen-Geschichten. Was ich nicht mag, sind die
sogenannten Slasher-Filme. Wie sie Leute wie Wes Craven
machen. Der erste Film von Wes Craven, den ich je gesehen habe,
war SCREAM - und ich fand ihn wunderbar - aber generell mag ich
keine Slasher-Filme. Und das scheinen die Horror-Filme von
heute zu sein. Man muß Leuten die Eingeweide herausnehmen,
heutzutage.
Aber für Ihre Zeit war Ihre Phantasie auch
reichlich grausam...
War sie das?
Nun, in den Filmen
ist einiges drin, was selbst heute noch recht schockierend
wirkt.
Ich glaube trotzdem, daß sie Märchen
sind.
Ja, aber dennoch sind sie ziemlich heftig.
Ich
vermute, daß waren sie, ja.
Weshalb Sie auch Konfrontationen
mit den Zensoren hatten.
Wir hatten viele Konfrontationen
mit den Zensoren! Es wurde fast zu einem Spiel. Wir schrieben eine
sehr üble Szene hinein, von der wir wußten, daß wir sie
herausnehmen mußten, und sagten dann: "Na gut, wir nehmen sie
heraus - aber können wir dafür die hier drin lassen?" John
Trevellian - er war ein sehr guter Zensor - wußte das aber auch.
Wir hatten ständige Kämpfe mit den Zensoren. Vergessen Sie
nicht - wir reden von vor 40 Jahren. Alles war viel strenger in
dieser Zeit. Es wurde alles zensiert! Die Hälfte aller Filme, die
heute gemacht werden, hätten es vor 40 Jahren nie durch die Zensur
geschafft.
Was sind ihre Lieblingsgenres?
Mein liebstes war immer,
was ich die Psycho type-Filme nenne. Der erste den ich
machte war TASTE OF FEAR. Ich mag diese Art, und es hat mir
gefallen, sie zu machen. Ich machte drei Sorten von Filmen: Ich
machte Psychos, Gothic und ein paar "Tits-and-Swords".
Es
scheint mir, daß Sie auch ein guter Komödien-Autor geworden
wären.
Ich wäre sehr gern ein Komödien-Schreiber geworden,
aber das hat sich nie ergeben.
Eine Menge Ihrer Bücher,
selbst in den grausigsten Geschichten, haben etwas Humor
dabei.
Ja, ich finde, in Horror-Filmen muß man das haben,
was wir anfingen die "Pass-the-Marmalade"-Dialogzeile zu nennen. In
CURSE OF FRANKENSTEIN gibt es den Moment, als die schwangere
Haushälterin in ein Zimmer geht, und das Monster sie schnappt. Sie
versucht zu fliehen, und Frankenstein knallt die Tür zu und
schließt sie ein, und man hört das Monster auf der anderen Seite
der Tür machen, was immer es auch macht, und die Frau gibt
schreckliche Geräusche von sich, furchtbare Geräusche - Gott weiß,
was mit dem armen Mädchen geschieht. Und dann Schnitt, die
Frankensteins sitzen am anderen Morgen um den Frühstückstisch, und
der Baron sagt - "Pass the Marmalade" ("Reich die Marmelade
rüber"). Und ich schwöre, das Haus brach zusammen, als wir das zum
ersten Mal zeigten. Und ich glaube, es ist sehr wichtig, daß,
wenn man ein Publikum genug geängstigt hat, man ihm etwas Raum zum
Durchatmen gibt. Und die beste Art, ihnen Raum zum Atmen zu geben,
ist es, sie zum Lachen zu bringen. Und dann kann man beginnen, zum
nächsten Schrecken hin aufzubauen.
Aber Sie machen sich sehr
selten über den Horror selbst lustig.
Nein, nein, der
Horror ist nicht zum Lachen.
Als Sie mit den Horrorfilmen begannen, haben Sie da
recherchiert, alte Filme geschaut, Bücher gelesen?
Nein.
Als ich ein Script für CURSE OF FRANKENSTEIN schreiben sollte, las
ich "Frankenstein", und ich las "Dracula". Aber, nein,... X...THE
UNKNOWN? Welche Bücher würden Sie anschauen für so eine Story -
etwas kommt aus dem Erdinneren.
Bei den Gothics böten sich
Autoren an...
Ich las die Vorlagen. Ich las das originale
Buch von Shelley - wobei, wenn ich darüber nachdenke, ich glaube
ich habe nicht einmal das Shelley-Buch gelesen. Denn es scheint
mir, bei Frankenstein wußte ich ohnehin, was die Story war - ich
habe also wohl nicht einmal den berühmten Roman gelesen. Ich weiß,
daß ich Bram Stokers "Dracula" gelesen habe.
Griffen Sie auf
einige der klassischen "gothic" Autoren zurück - Walpoole, Lewis,
Radcliffe...
Nein. Ich habe etwas Poe gelesen. Denn ich
sollte eine Poe-Story machen - ich kann mich nicht erinnern, welche
- mit Vincent Price. Und dann kam das aus irgendeinem Grunde nicht
zustande. Ich habe immer Poe gelesen, lange bevor ich zum Film kam,
schon als Kind. Ich mag Poe. Wen noch...? Nein, ich glaube das
war's, keine anderen Autoren der Art.
Ich habe gelesen, daß
sie es nicht mögen, zu recherchieren.
Ich hasse Recherche,
hasse sie! Ich sage: Wenn's nicht in der Encyclopedia Britannica
ist, dann wechsle ich das Thema. Ich mag wirklich keine Rechereche.
Wissen Sie, für meine Art von Filmen, was für Recherche braucht
man? Niemand wird mich bei technischen Details widerlegen - wie man
beispielsweise ein Monster macht. Auf wieviele Arten kann man ein
Monster machen?
Sie haben drei wesentliche Zyklen von Hammer-Horror gemacht:
Science-fiction, die Gothics und die
Psycho-type-Filme.
Nur, als ich die
Psycho-type-Filme machte, drehten sie immer noch die
Gothics. Meine Psycho-Filme haben glaube ich nie viel Geld
eingespielt. Es war o.k., sie haben sich ausgezahlt, aber sie haben
nie soviel Geld gemacht wie die Gothics.
Das Interessante an
diesen Zyklen scheint mir, daß es eine soziale Relevanz gibt, was
den Leuten zu welcher Zeit Angst einjagt. Mit X...THE UNKNOWN war
es offensichtlich die Angst vor
Atomenergie...
Richtig.
Bei den Gothics sehe ich
nicht so richtig, warum sie gerade zu der Zeit
zurückkamen.
Ich glaube, Gothic kam zu der Zeit zurück,
weil Jim Carreras, der die Gesellschaft leitete, ein sehr cleverer
Mann war. Er wußte überhaupt nichts über das Filmemachen, nichts,
aber er hatte eine gute Idee und sagte: laßt uns das hier
versuchen!
Aber wenn es keinen Nerv beim Publikum getroffen
hätte, hätte es keinen solchen Erfolg gehabt.
Nein, hätte
es tatsächlich nicht. Es wurde sehr gut verkauft - sehr gute
Publicity, gute Werbung. Es war der erste der Gothics, der je in
Farbe gemacht wurde. Es hatte seit langer Zeit keinen Gothic mehr
gegeben. Der letzte Karloff war zehn Jahre davor gemacht worden.
Ich weiß nicht... es war einfach die richtige Sache zur richtigen
Zeit. Warum wird etwas zu einer Zeit Mode? Das wird es einfach. Und
als sie merkten, daß sie hier auf eine gute Sache gestoßen waren,
haben sie einfach immer weiter gemacht.
Bei den
Psycho-type-Filmen hat offensichtlich PSYCHO den Trend
gestartet. Aber TASTE OF FEAR scheint mehr auf LES DIABOLIQUES
zurückzugreifen?
Ah, das ist etwas Interessantes, LES
DIABOLIQUES. Als ich den sah... ich sah ihn mit meiner früheren
Frau, als sie hochschwanger war. Und wir wußten überhaupt nichts
über den Film. Wir waren bei einer Privatvorführung - und sie hätte
beinahe das Baby dort auf der Stelle bekommen, bei LES DIABOLIQUES.
Als der Typ sich aus der Badewanne erhebt... Und ich dachte: mein
Gott, das war der aufregendste Film-Moment, an den ich mich
erinnern kann. Und ich dachte: Ich hätte nichts dagegen zu
versuchen, soetwas zu schreiben. Ich gebe es zu, DIABOLIQUES war
mein Muster für die meisten dieser Filme - eigentlich für alle.
Was ihre Drehbücher von anderen des Genres zu unterscheiden
scheint ist, daß sie eine moralische Komplexität haben, die andere
Filme der Art nicht haben. Es gibt nie die klare Trennung von Gut
und Böse...
Jeder ist ein bißchen böse
(lacht).
Besonders in CURSE OF FRANKENSTEIN gibt es nicht
allzuviele sympathische Charaktere.
Die sympathischste
Figur in CURSE OF FRANKENSTEIN ist das Monster. Und das ist, glaube
ich, der größte Unterschied: In meinem Film ist der Baron ein
echter Bösewicht. Das Monster ist recht mitleiderregend. Und ich
finde, daß eine der besten Performances, die Christopher Lee je
gegeben hat, die des Monsters war.
Selbst in X...THE UNKNOWN,
wo es eine klare Trennung zu geben scheint, gibt es diesen Moment
am Ende, wo es noch einmal eine unerklärte Explosion gibt, und der
Mann vom Militär einfach sagt: "Alles ist in Ordnung." Kein toller
Triumph für das Gute.
Nein, es läßt das Publikum
nachdenken, wenn es rausgeht: "Ich frage mich, was das zu bedeuten
hatte." Ich habe einen anderen Film im Moment, den ich bald machen
werde, wo es aufhört, es ist Schluß - und dann hängt man noch eine
Kleinigkeit dran, die das Publikum fragen läßt: "Warum ist das
passiert?" Was schön ist, wenn man ein Publikum so zum Nachdenken
bringt.
Sie sind also noch im Geschäft?
Nicht wirklich...Ich
sitze an meinem Computer, an meiner Textverarbeitung, drücke die
Tasten... Ich habe seit ewigen Zeiten nicht wirklich etwas
verkauft... hatte seit ewigen Zeit nichts auf dem Markt, ehrlich
gesagt.
Man ist im Filmgeschäft so von Jugendlichkeit
besessen.
Wenn Sie über 40 sind - vergessen Sie's! Als ich
Hollywood verlassen habe, was vor zwanzig Jahren war, 1979, 1980,
hatte die Writers Guild bereits ein Anti-Age-Committee
eingerichtet, um nachzufragen, warum keiner ihrer älteren Autoren
arbeitete. Filme in Hollywood werden alle von 25-jährigen
geschrieben.
Und meistens 15 davon.
Richtig...es wird
immer umgeschrieben und umgeschrieben und umgeschrieben. Und mehr
Bücher werden geschrieben, die nicht gemacht werden, als umgekehrt.
Sehen Sie, das passierte früher in meinen Tagen weniger. Mir ist es
nie passiert, nie. Ich weiß nicht, ob sie diese Geschichte
kennen: Ich ging zu einer Party in Hollywood, bevor ich dort lebte,
als ich noch in England arbeitete, und ich wurde gefragt "Was
machen Sie?", und ich sagte, "Ich bin Drehbuchautor!" "Ach,
wirklich? Haben Sie schon Bücher geschrieben?" "Ja, so um die 24,
25." Er sagte, "Ja gut, aber wie viele davon wurden gemacht?" Und
ich sagte, "Na, 25." Denn in jenen Tagen schrieb man ein Script
und... So ging das: Jemand sagte, würden Sie ein Buch schreiben,
man sagte Ja und schrieb das Buch, und dann wurde es als Film
gemacht. Er sagte, "Mal ehrlich, wieviele davon wurden gemacht?"
Und ich sagte "25!" Ich verstand nicht, von was er redet. Was wäre
der Sinn, ein Drehbuch zu schreiben, wenn es niemand verfilmen
würde? Aber ich war sehr jung damals...
Um auf die Leute zu kommen, mit denen Sie gearbeitet haben.
zunächst zu den Regisseuren. Terence Fisher... Was können Sie mir
über ihn sagen?
Terence - mit ihm habe ich als
Assistant gearbeitet bei ein paar Filmen. Er ist so
liebenswürdig - er ist einfach ein sehr netter Mann. Er wäre ebenso
überrascht gewesen wie ich über diese Faszination für Hammer 40
Jahre nach dem Entstehen der Filme. Wir machten einfach nur Filme.
Und er machte CURSE OF FRANKENSTEIN nur, weil er aus einem Vertrag
über drei oder vier Filme noch einen Film übrig hatte - da machte
er FRANKENSTEIN. Er war einfach ein sehr netter Mann. Ich finde, er
war ein guter Regisseur - aber er war nichts Besonderes oder
Innovatives, er war nur ein sehr guter Regisseur, und die
Schauspieler mochten ihn. Er wußte, wo er die Kamera aufzustellen
hatte... Er war zuvor Cutter gewesen, was meiner Meinung nach die
besten Regisseure hervorbringt. Und er hatte einige sehr gute Filme
gemacht. Und wiederum hat er einen Film gemacht, den ich oft als
Muster benutzt habe, der hieß SO LONG AT THE FAIR. Er hatte ihn für
Pinewood gemacht, mit Jean Simmons.Ich würde sagen, er machte
einige sehr gute Filme. Dann kam er zu Hammer und machte einige
Filme von der Stange, ich weiß nicht mehr welche, aber ich war sein
Assistant bei zwei oder drei davon, und dann "he hit the
porridge", genau wie ich. Und wie ich sagte - er wäre genauso
überrascht wie ich, daß diese Sache so lang überdauert hat wie sie
es tat.
Es scheint mir, daß einfach jeder der Beteiligten
(Set, Kamera, Regie, Buch...) zumindest ein sehr, sehr guter
Handwerker war.
Ja, okay. Aber die meisten Leute - Sie zum
Beispiel - waren noch nicht einmal geboren, als wir diese Filme
machten. Und ich wette, die meisten Leute, die heute Nachmittag zu
der Veranstaltung kommen, waren noch nicht einmal geboren als wir
diese Sachen machten. Was hat sie überdauern lassen? What has made
them last? Einige von den Filmen, die wir machten, bevor wir mit
den Horror-Filmen begannen, waren sehr professionell gemachte
Filme. Aber es waren einfach nur Filme. Sie hatten kein Genre
drumherum. Es war das Genre, das abhob.
Horror-Fans sind sehr
loyal.
Sie sind loyal, in der Tat.
Vielleicht, weil
Horrorfilme die Zuschauer in anderer Art berühren, sie zu
stärkeren Reaktionen auffordern. Und weil, wie ich denke,
Horrorfilme innovativ sind, denn in ihnen geht es meistens doch
irgendwie ums Kino. Ich glaube, daß man keinen guten Horrorfilm
machen kann, ohne einige grundlegende Sachen über das Kino
verstanden zu haben.
Ja, da stimme ich zu. Und ich nehme
an, wir lernte es alle von der Pieke auf. Wir wußten, was wir
taten. Wir kannten uns in unseren Jobs aus. Bernard Robinson
insbesondere, Jimmy Bernard - Jimmy Bernard hat Glück, Musiker
haben Glück, sie werden so reich -, die Kameraleute waren gut, Jack
Asher, das Make-Up war gut, Phil Leakey, dann Roy Ashton. Und so
weiter, die Leiter hinab. Leute wie Len Harris, der Operator
- jeder wußte ganz genau, was er tat. Deswegen nahmen sie es nicht
so gut auf, wenn jemand von außen kam. Produzenten von außen, wie
Harry Fine und Michael Style, die LUST FOR A VAMPIRE produzierten.
Sie brachten den Stoff zu Hammer, also sagte Hammer, in Ordnung,
ihr zwei produziert es. Die Unit arbeitete nie so recht wie sonst,
wenn Leute von außen kamen. Es ging mit Regisseuren, den meisten
Regisseuren - wenn sie erst mal dachten, daß sie ihn in ihre Art zu
arbeiten eingearbeitet hatten. "Wir arbeiten so - aber wir sagen es
ihm nicht. In zwei, drei Tagen wird er genau wissen, wie wir
arbeiten."
Ein anderer Regisseur, über den ich Sie fragen wollte, ist
Seth Holt.
Seth Holt - ich finde, er war ein super
Regisseur. Er machte TASTE OF FEAR für mich, und THE NANNY, und ich
wollte ihn unbedingt für THE ANNIVERSARY. Aber er konnte den nicht
machen, er war nicht verfügbar. Und er war sehr selbstzerstörerisch
- in der Tat zerstörte er sich auch selbst. Er trank sich zu Tode.
Er kümmerte sich überhaupt nicht um sich selbst und er starb sehr
jung an einem Herzinfarkt. Aber er war sehr, sehr gut. Bette Davis
nannte ihn einen "Mountain of Evil", aber sie arbeitete gern mit
ihm, und sie war sehr aufgebracht, als ich ihn für THE ANNIVERSARY
nicht bekommen konnte. Ein wirklich sehr guter Regisseur. Kein sehr
einfacher Mann, aber sehr, sehr gut.
Haben Sie je John Houston getroffen bei PHOBIA?
Nein,
ich habe ihn nie getroffen. Das war etwas, was ich gemacht habe,
während ich in Amerika war. Ich schrieb das Buch, gab es weiter,
und vergaß ganz darauf. Plötzlich erscheint es, acht oder neun
Monate später, mit den Namen anderer Autoren drauf, und John
Houston führte Regie. Ich weiß nicht, warum John Houston es machte,
er kann nicht sehr glücklich damit gewesen sein. Es muß recht
pleite gewesen sein zu der Zeit - er brauchte das Geld, oder so
etwas. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn gesehen habe - ich glaube,
ich habe ihn nie gesehen. Aber es macht sich gut in meinem
Lebenslauf - "Directed by John Houston".
Und dann gab es die Stars. Zunächst Peter Cushing, über den
ich gelesen habe, daß er Sie nicht besonders mochte?
Nein,
er mochte mich durchaus, er dachte nur, daß ich überhaupt nicht
gescheit schreiben konnte - er mochte meine Arbeiten als Autor
nicht.
Und dann waren Sie sein Regisseur?
Dann führte
ich Regie für ihn, und er war ein Schatz, wirklich wahr. Es war
einer der ersten Filme, die er machte, als er zur Arbeit
zurückkehrte, nachdem seine Frau gestorben war. Er war in
Ordnung. Er war ein Gentleman: Wenn er zusagte, einen Film zu
machen, dann machte er den Film, und er machte, was man ihm sagte.
Er sagte höchstens "Dear boy, vielleicht kann ich nicht wirklich
DAS hier machen." (Sangster schiebt das Kaffeeservice ein Stück
nach vorne.) "Wäre es nicht besser, wenn ich DAS hier mache?"
(schiebt das Kaffeeservice ein Stück nach hinten.) Ich
sagte: "In Ordnung, Peter, wenn Du das machen willst, dann mache
das." Er war wirklich höflich und nett. Alles freundliche, was
Sie je über ihn gehört haben, ist wahr.
Und Christopher
Lee?
Christopher Lee ist......okay. Was kann ich Ihnen über
Christopher Lee erzählen? - Wofür er mich nicht verklagt?
Christopher Lee hat unglücklicherweise keinen Sinn für Humor. Nicht
den geringsten. Und ich finde es sehr schwer, mit Leuten umzugehen,
die keinerlei Sinn für Humor haben. Denn alles, was wir tun, ist
ohnehin ein bißchen ein Witz.
Eine Schauspielerin, über die
ich Sie fragen wollte, ist Bette Davis.
Bette Davis - sie
ist die professionellste Person, mit der ich je gearbeitet habe.
Sie ist auch die schwierigste Person, mit der ich je gearbeitet
habe. Aber alles, wonach sie je verlangt hat - wie schwierig es
auch immer war - war nur für das, was sie am besten für den Film
hielt. Nun, ich mußte es nicht unbedingt auch für das für den Film
Beste halten, so daß wir uns darüber stritten, aber sie hätte nie
nach einem größeren Wohnwagen am Set verlangt, oder früher Schluß
machen wollen, oder all diese Sachen. Eine sehr schwierige Lady -
aber der ultimative Profi. Sie begann jedes Gespräch mit "Ich
war der Star in 87 Filmen", und man dachte, "Gott ja, sie
war der Star in 87 Filmen, also nehme ich an, sie muß
wissen, wovon sie redet".
Und sie ist brillant in THE
NANNY.
Ja, das ist sie. Sie ist wundervoll in THE NANNY.
Aber das liegt auch an Seth Holt.
Aber die beiden kamen nicht
miteinander klar?
Nein, sie mochte ihn nicht. Aber sie
respektierte ihn ganz enorm als Regisseur.
Und es war recht
mutig von ihr, THE NANNY zu machen. Viele der alternden Divas
versuchten, an ihrem Image festzuhalten.
Das hat sie nicht
gemacht. Sie war nicht so dumm.
Es ist ein toller
Film.
Ja, ich liebe diesen Film. Ich würde nur das Ende
ändern. Ich würde diese zusätzliche Szene am Ende wegnehmen. Die
Szene, wo Mutter im Krankenhaus ist und Jerry sagt "Nanny wird
bestraft für das, was sie getan hat, bla, bla, bla". Das war nicht
richtig, das kam später hinzu. Ursprünglich merkt Nanny, was sie
getan hat, und sie geht in ihr Zimmer und fängt an zu packen - Ende
des Films. Und ich zeigte es den Leuten von Fox, den großen Bossen,
in einem Rohschnitt. Ich erinnere mich, wie wir ihn im Kino
zeigten, Seth und ich, und der Film war zu Ende. Und Stille von
hinten. Und wir schauten uns um, und sie sagten "Wo ist das Ende?"
Und ich sagte "Das ist das Ende, Sie haben es gesehen." Und sie
sagten "Nein, nein, nein. Es muß das Publikum in fröhlicher
Stimmung zurücklassen." Und das selbe passierte übrigens mit
einem Film, den ich gemacht habe, der THE SNORKLE hieß. Wir
verlassen den Bösewicht, er ist unter einer Fußbodendiele gefangen,
er weiß, daß er dort sterben wird. Er hat furchtbare Sachen
gemacht, furchtbare Sachen, und er wird sterben unter diesen
Brettern. Und das Auto mit der Familie und dem kleinen Mädchen, das
das arrangiert hat, fährt weg, und sie schaut zurück zum Haus, und
man weiß, was passieren wird. Aber sie haben mich ein anderes Ende
drehen lassen, in dem sie an einer Polizeistation anhält und denen
alles erzählt...ach.
Eine letzte Frage: Von all den Filmen, die Sie gemacht haben,
welches ist Ihre liebste Arbeit?
(denkt nach) TASTE
OF FEAR, sehr, sehr eng gefolgt von THE NANNY. Das sind meine
beiden Liebsten.
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