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22.10.1998
 
 
   
 

Schreiben ist mein Ding
Ein Gespräch mit Jimmy Sangster

 
Ein Hammer-Plakat
     
 
 
 
 

1957 im herrschaftlichen Landhaus zu Bray, das die aufstrebende Filmproduktionsfirma Hammer Studios zu ihrem Hauptsitz umgebaut hatte: Die Produzenten Michael Carreras und Tony Hinds brüten über einem möglichen Nachfolger für ihren Science-Fiction Film THE QUATERMASS EXPERIMENT, der sich zu einem Überraschungserfolg entwickelt hatte. Mit im Büro sitzt der junge Jimmy Sangster, der seine Laufbahn in den Studios als Produktions- und Regie-Assistent begonnen hatte und mittlerweile als Production Manager angestellt war. Er hat eine Idee: Wie wäre es, wenn in dem Film die Bedrohung mal nicht aus dem Weltraum, sondern aus dem Erdinneren käme! - Sehr schön, findet man. Aber wie weiter?- Man könnte doch...? - Ja genau; und dann? - Dann passiert folgendes...
Binnen einer halben Stunde ist eine Story ausgeheckt - und Jimmy Sangster findet sich verblüfft mit dem Auftrag wieder, ein Drehbuch zu schreiben - X...THE UNKNOWN. Der Film findet großen Anklang, und so beginnt eine lange und fruchtbare Karriere. Sangster gehört bald (obwohl er bei dem Studio keine feste Anstellung mehr hat), wie Regisseur Terence Fisher, Kameramann Jack Asher, Production Designer Bernard Robinson und Komponist James Bernard zum kreativen Stamminventar eines herausragenden Hammer-Films. Seine Feder haucht Frankenstein, Dracula und der Mumie neues Leben ein und begründet damit jene Reihe von Filmen, die "Hammer Horror" in den 60er Jahren weltweit zu dem Prädikat für phantastisches Kino werden lassen - und Peter Cushing und Christopher Lee zu internationalen Stars.
Er schreibt daneben eine Reihe psychologischer Thriller voller raffinierter Wendungen, die ihn als Meister der Plot-Konstruktion ausweisen, die aber bis heute noch auf die gebührende Anerkennung warten. Sangster versucht sich auch (recht erfolgreich) als Produzent und (weniger glücklich) als Regisseur; als Hammers Stern zu sinken beginnt, verlegt er sich zunehmend auf Arbeiten fürs amerikanische Fernsehen (und schreibt dort für Serien wie "Cannon", "Columbo", "Kolchak, The Nightstalker" und "Wonder Woman"). Bis spät in die 80er Jahre hinein betätigt er sich darüberhinaus als Autor von Krimi-Romanen.
Bei alledem wahrt Sangster das Image des professionellen Handwerkers, der nicht im Dienst der hehren Kunst steht. (Seine unlängst bei Midnight Marquee Press erschienene, sehr lesenswerte Autobiographie trägt den schönen Titel "Do You Want It Good Or Tuesday?".) Aber wie bei seinen oben genannten Kollegen aus den Hammer-Tagen, erreicht auch Jimmy Sangsters Arbeit in den meisten Fällen jenes Niveau, auf dem es töricht wäre, bestes Handwerk noch von Kunst trennen zu wollen.

Anläßlich des diesjährigen Fantasy Filmfests war Jimmy Sangster (ein Wahlamerikaner, der ganz britischer Gentleman geblieben ist) zu Gast in München - und fand Gelegenheit zu einem Gespräch mit Thomas Willmann von Artechock.

Artechock:Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, als Sie im Kino waren?

Sangster: Oh, Gott! Das erste Mal, als ich ins Kino ging? Nein. Ich könnte nicht sagen: Das war das Erste, was ich jemals gesehen habe. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich wirklich gefangen war vom Kino - das war GONE WITH THE WIND - ein außergewöhnlicher Film - ich dachte: das ist die wundervollste Sache, die ich je gesehen habe. Ich war vorher schon sehr oft im Kino gewesen. Ich sah mir die Abott & Costello-Filme an, schreckliche Musicals kamen aus Amerika, aber ich liebte alles - I adored the movies. Ich erinnere mich, einen Tag ging ich fünf Mal - fünf Mal - ins Kino, fünf verschiedene Theater. Sie fingen damals in London um 10 Uhr mit der ersten Vorstellung an. Ich ging in die 10 Uhr, 12 Uhr, 3 Uhr... Vorstellung, fünf verschiedene Kinos. Denn ich wollte immer schon im Filmgeschäft arbeiten, immer.

>>Haben Sie sich, bevor Sie - quasi per Zufall - durch X... THE UNKNOWN zum Drehbuchautor wurden, zum Schreiben hingezogen gefühlt?

Ich vergesse es immer wieder, und ich weiß nicht, wie es zustandekam, aber ich habe etwas vor X... geschrieben - einen kleinen, halbstündigen Film namens THE MAN ON THE BEACH mit Michael Medwin in der Hauptrolle und Joseph Losey als Regisseur. Bis heute weiß ich nicht, wie das zustandekam und warum mich Tony Hinds überhaupt gefragt haben muß, das zu schreiben. Es war keine Original-Story, es basierte auf einem Buch oder einer Kurzgeschichte. Aber selbst nachdem ich das gemacht hatte, habe ich nie daran gedacht, meinen Lebensunterhalt als Schreiber zu verdienen.

>>Und mit X... THE UNKNOWN veränderte sich das alles...?

X... veränderte das alles, in der Tat. Ich merkte plötzlich, daß ich in zwei Monaten soviel Geld verdienen konnte wie vorher in fast einem ganzen Jahr. ...Und wesentlich einfacher noch dazu!

>>Aber Ihnen hat das Schreiben auch gefallen...

Ich liebe das Schreiben!

>>Es war nicht nur das Geld.

Nein, nein.

>>Sie waren Autor, Produzent, Regisseur - welchen der Jobs mögen Sie am liebsten?

Schreiben. Ja. Produzieren machte Spaß, Regie führen... gut, Regie führen war wunderbar, wunderbar, aber ich war sehr schlecht darin. Und der Grund, warum ich schlecht war, glaube ich, war, weil ich gleichzeitig Autor, Regisseur und Produzent war. Das ist das Nächste nach Gott zu sein. Niemand wird Ihnen bei irgendetwas widersprechen. Wenn Sie nur Regisseur sind, gibt es dauernd den Produzenten, der sagt, "Hey, bist Du sicher es wäre nicht besser, wenn...?" Und niemand tut das, wenn Sie alles selbst sind. Es ist keine gute Position.
Das ist, was bei zwei meiner Filme passierte, die beiden, die ich schrieb, produzierte und Regie führte. Der dritte, LUST FOR A VAMPIRE, war einfach nur eine sehr unglückliche Erfahrung. Ich kam da hinein wie ein Verkehrspolizist, der den Verkehr dirigiert, denn das Buch war geschrieben, und die Besetzung stand, und Terry Fisher sollte es eigentlich machen, und er wurde eine Woche vorher krank, also kam ich einfach rein und sagte "Action" und "Cut". Und ich hatte schreckliche Streitereien mit den Produzenten.

>>Und Sie haben sich auch einmal als Schauspieler betätigt, stimmt das?

Ich spielte Winston Churchill in SIEGE OF SYDNEY STREET, und als ich in Amerika war, produzierte ich eine Fernsehserie, "Young Daniel Boone", und ich spielte den englischen Officer - mit Uniform und allem - der Daniel Boone nach Kalifornien, oder wohin auch immer, schickt. Ich habe es gehaßt!

>>Das Schreiben ist Ihr Ding?

Schreiben ist mein Ding. ...Schreiben war mein Ding - jetzt habe ich nicht wirklich ein Ding heutzutage. Ich schreibe gelegentlich, und gelegentlich verkaufe ich etwas, aber ich habe den Drive nicht mehr... Ich werde alt - ich bin alt.

>>Sie wirken aber nicht alt.

Ich bin über 70 - und das ist alt. Ich habe einen Bus-Paß, was bedeutet, daß ich in London umsonst mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann, ich kann umsonst ins Kino gehen, ich komme überall um die Hälfte rein, weil ich alt bin. Und was mich jetzt wütend macht ist - ich meine, vor fünf, sechs Jahren, wenn ich sagte, "Ich hätte gerne eine Seniorenkarte", hieß es, ich muß meinen Ausweis vorzeigen. Jetzt geben sie mir die Karte einfach. Daß jemand einen Altersnachweis verlangt - nie!

>>Sie haben für eine ganze Reihe von Produktionsgesellschaften gearbeitet. Was war es, das gerade Hammer so besonders machte.

Nun, was Hammer so besonders machte war, soweit es mich angeht, die Beziehungen, die ich zu den Leuten dort hatte - Michael Carreras war mein allerbester Freund. Die Beziehungen, die ich zu Michael Carreras hatte und zu Tony Hinds.

>>Und die Atmosphäre in Bray?

Oh ja, ja. Aber sie müssen verstehen, daß, als ich anfing, meine was ich Gothic Horror Stories nannte zu schreiben (was mit THE CURSE OF FRANKENSTEIN anfing), ich nur selten zu den Studios ging. Ich schrieb das Script, lieferte es ab, und das war das Ende davon. Vielleicht bat mich Terry Fisher darum, ein paar Änderungen vorzunehmen - nicht sehr oft - aber...
Zuvor, als ich noch Assistant Director war - ich meine die ganze Atmosphäre, der ganze Arbeitsethos von Bray, das war eine sehr freundliche Situation. Wir waren dort jeden Tag miteinander zusammen. Bevor wir überhaupt damit anfingen, die Horror-Filme zu machen, hatten wir die selbe Crew seit drei oder vier Jahren.

>>Als Sie Regisseur und Produzent geworden waren, kamen Sie zurück nach Bray?

Nein, nein, ich arbeitete niemals in Bray als Produzent oder Regisseur. Den ersten Film, den ich machte als Produzent, war TASTE OF FEAR, und das war in Elstree. THE NANNY war in Elstree... Ich habe in Bray nie produziert oder Regie geführt. Das erste Mal, daß ich wieder nach Bray zurückkam, war vor ein paar Wochen. Es gab eine Party dort. Das erste Mal, daß ich in Bray war seit 35, 40 Jahren.

>>Hat es sich viel verändert? Gibt es noch etwas Wiedererkennbares?

Das alte Haus ist noch da. Eigentlich hat sich wenig verändert. Der große Unterschied ist, daß es nun alles sehr klein und schäbig aussieht. Weil ich nun in all den großen Studios von Hollywood gearbeitet habe, die großen Namen, und wenn man sich den Ort jetzt anschaut, wirkt er wie ein kleiner Gartenschuppen.

>>Ist es wahr, daß Sie eigentlich Horror gar nicht mögen?

Nein, ja, mmh...Ich mag... - ich habe meine Filme nie als Horror-Filme gesehen. Ich sehe meine Filme als Märchen: Es war einmal, hoch auf einem Hügel, in einem großen Schloß, da lebte ein böser Baron. Märchen-Geschichten.
Was ich nicht mag, sind die sogenannten Slasher-Filme. Wie sie Leute wie Wes Craven machen. Der erste Film von Wes Craven, den ich je gesehen habe, war SCREAM - und ich fand ihn wunderbar - aber generell mag ich keine Slasher-Filme. Und das scheinen die Horror-Filme von heute zu sein. Man muß Leuten die Eingeweide herausnehmen, heutzutage.

>>Aber für Ihre Zeit war Ihre Phantasie auch reichlich grausam...

War sie das?

>>Nun, in den Filmen ist einiges drin, was selbst heute noch recht schockierend wirkt.

Ich glaube trotzdem, daß sie Märchen sind.

>>Ja, aber dennoch sind sie ziemlich heftig.

Ich vermute, daß waren sie, ja.

>>Weshalb Sie auch Konfrontationen mit den Zensoren hatten.

Wir hatten viele Konfrontationen mit den Zensoren! Es wurde fast zu einem Spiel. Wir schrieben eine sehr üble Szene hinein, von der wir wußten, daß wir sie herausnehmen mußten, und sagten dann: "Na gut, wir nehmen sie heraus - aber können wir dafür die hier drin lassen?" John Trevellian - er war ein sehr guter Zensor - wußte das aber auch. Wir hatten ständige Kämpfe mit den Zensoren.
Vergessen Sie nicht - wir reden von vor 40 Jahren. Alles war viel strenger in dieser Zeit. Es wurde alles zensiert! Die Hälfte aller Filme, die heute gemacht werden, hätten es vor 40 Jahren nie durch die Zensur geschafft.

>>Was sind ihre Lieblingsgenres?

Mein liebstes war immer, was ich die Psycho type-Filme nenne. Der erste den ich machte war TASTE OF FEAR. Ich mag diese Art, und es hat mir gefallen, sie zu machen. Ich machte drei Sorten von Filmen: Ich machte Psychos, Gothic und ein paar "Tits-and-Swords".

>>Es scheint mir, daß Sie auch ein guter Komödien-Autor geworden wären.

Ich wäre sehr gern ein Komödien-Schreiber geworden, aber das hat sich nie ergeben.

>>Eine Menge Ihrer Bücher, selbst in den grausigsten Geschichten, haben etwas Humor dabei.

Ja, ich finde, in Horror-Filmen muß man das haben, was wir anfingen die "Pass-the-Marmalade"-Dialogzeile zu nennen. In CURSE OF FRANKENSTEIN gibt es den Moment, als die schwangere Haushälterin in ein Zimmer geht, und das Monster sie schnappt. Sie versucht zu fliehen, und Frankenstein knallt die Tür zu und schließt sie ein, und man hört das Monster auf der anderen Seite der Tür machen, was immer es auch macht, und die Frau gibt schreckliche Geräusche von sich, furchtbare Geräusche - Gott weiß, was mit dem armen Mädchen geschieht. Und dann Schnitt, die Frankensteins sitzen am anderen Morgen um den Frühstückstisch, und der Baron sagt - "Pass the Marmalade" ("Reich die Marmelade rüber"). Und ich schwöre, das Haus brach zusammen, als wir das zum ersten Mal zeigten.
Und ich glaube, es ist sehr wichtig, daß, wenn man ein Publikum genug geängstigt hat, man ihm etwas Raum zum Durchatmen gibt. Und die beste Art, ihnen Raum zum Atmen zu geben, ist es, sie zum Lachen zu bringen. Und dann kann man beginnen, zum nächsten Schrecken hin aufzubauen.

>>Aber Sie machen sich sehr selten über den Horror selbst lustig.

Nein, nein, der Horror ist nicht zum Lachen.

>>Als Sie mit den Horrorfilmen begannen, haben Sie da recherchiert, alte Filme geschaut, Bücher gelesen?

Nein. Als ich ein Script für CURSE OF FRANKENSTEIN schreiben sollte, las ich "Frankenstein", und ich las "Dracula". Aber, nein,... X...THE UNKNOWN? Welche Bücher würden Sie anschauen für so eine Story - etwas kommt aus dem Erdinneren.

>>Bei den Gothics böten sich Autoren an...

Ich las die Vorlagen. Ich las das originale Buch von Shelley - wobei, wenn ich darüber nachdenke, ich glaube ich habe nicht einmal das Shelley-Buch gelesen. Denn es scheint mir, bei Frankenstein wußte ich ohnehin, was die Story war - ich habe also wohl nicht einmal den berühmten Roman gelesen. Ich weiß, daß ich Bram Stokers "Dracula" gelesen habe.

>>Griffen Sie auf einige der klassischen "gothic" Autoren zurück - Walpoole, Lewis, Radcliffe...

Nein. Ich habe etwas Poe gelesen. Denn ich sollte eine Poe-Story machen - ich kann mich nicht erinnern, welche - mit Vincent Price. Und dann kam das aus irgendeinem Grunde nicht zustande. Ich habe immer Poe gelesen, lange bevor ich zum Film kam, schon als Kind. Ich mag Poe. Wen noch...? Nein, ich glaube das war's, keine anderen Autoren der Art.

>>Ich habe gelesen, daß sie es nicht mögen, zu recherchieren.

Ich hasse Recherche, hasse sie! Ich sage: Wenn's nicht in der Encyclopedia Britannica ist, dann wechsle ich das Thema. Ich mag wirklich keine Rechereche. Wissen Sie, für meine Art von Filmen, was für Recherche braucht man? Niemand wird mich bei technischen Details widerlegen - wie man beispielsweise ein Monster macht. Auf wieviele Arten kann man ein Monster machen?

>>Sie haben drei wesentliche Zyklen von Hammer-Horror gemacht: Science-fiction, die Gothics und die Psycho-type-Filme.

Nur, als ich die Psycho-type-Filme machte, drehten sie immer noch die Gothics. Meine Psycho-Filme haben glaube ich nie viel Geld eingespielt. Es war o.k., sie haben sich ausgezahlt, aber sie haben nie soviel Geld gemacht wie die Gothics.

>>Das Interessante an diesen Zyklen scheint mir, daß es eine soziale Relevanz gibt, was den Leuten zu welcher Zeit Angst einjagt. Mit X...THE UNKNOWN war es offensichtlich die Angst vor Atomenergie...

Richtig.

>>Bei den Gothics sehe ich nicht so richtig, warum sie gerade zu der Zeit zurückkamen.

Ich glaube, Gothic kam zu der Zeit zurück, weil Jim Carreras, der die Gesellschaft leitete, ein sehr cleverer Mann war. Er wußte überhaupt nichts über das Filmemachen, nichts, aber er hatte eine gute Idee und sagte: laßt uns das hier versuchen!

>>Aber wenn es keinen Nerv beim Publikum getroffen hätte, hätte es keinen solchen Erfolg gehabt.

Nein, hätte es tatsächlich nicht. Es wurde sehr gut verkauft - sehr gute Publicity, gute Werbung. Es war der erste der Gothics, der je in Farbe gemacht wurde. Es hatte seit langer Zeit keinen Gothic mehr gegeben. Der letzte Karloff war zehn Jahre davor gemacht worden. Ich weiß nicht... es war einfach die richtige Sache zur richtigen Zeit. Warum wird etwas zu einer Zeit Mode? Das wird es einfach. Und als sie merkten, daß sie hier auf eine gute Sache gestoßen waren, haben sie einfach immer weiter gemacht.

>>Bei den Psycho-type-Filmen hat offensichtlich PSYCHO den Trend gestartet. Aber TASTE OF FEAR scheint mehr auf LES DIABOLIQUES zurückzugreifen?

Ah, das ist etwas Interessantes, LES DIABOLIQUES. Als ich den sah... ich sah ihn mit meiner früheren Frau, als sie hochschwanger war. Und wir wußten überhaupt nichts über den Film. Wir waren bei einer Privatvorführung - und sie hätte beinahe das Baby dort auf der Stelle bekommen, bei LES DIABOLIQUES. Als der Typ sich aus der Badewanne erhebt... Und ich dachte: mein Gott, das war der aufregendste Film-Moment, an den ich mich erinnern kann. Und ich dachte: Ich hätte nichts dagegen zu versuchen, soetwas zu schreiben. Ich gebe es zu, DIABOLIQUES war mein Muster für die meisten dieser Filme - eigentlich für alle.

>>Was ihre Drehbücher von anderen des Genres zu unterscheiden scheint ist, daß sie eine moralische Komplexität haben, die andere Filme der Art nicht haben. Es gibt nie die klare Trennung von Gut und Böse...

Jeder ist ein bißchen böse (lacht).

>>Besonders in CURSE OF FRANKENSTEIN gibt es nicht allzuviele sympathische Charaktere.

Die sympathischste Figur in CURSE OF FRANKENSTEIN ist das Monster. Und das ist, glaube ich, der größte Unterschied: In meinem Film ist der Baron ein echter Bösewicht. Das Monster ist recht mitleiderregend. Und ich finde, daß eine der besten Performances, die Christopher Lee je gegeben hat, die des Monsters war.

>>Selbst in X...THE UNKNOWN, wo es eine klare Trennung zu geben scheint, gibt es diesen Moment am Ende, wo es noch einmal eine unerklärte Explosion gibt, und der Mann vom Militär einfach sagt: "Alles ist in Ordnung." Kein toller Triumph für das Gute.

Nein, es läßt das Publikum nachdenken, wenn es rausgeht: "Ich frage mich, was das zu bedeuten hatte." Ich habe einen anderen Film im Moment, den ich bald machen werde, wo es aufhört, es ist Schluß - und dann hängt man noch eine Kleinigkeit dran, die das Publikum fragen läßt: "Warum ist das passiert?" Was schön ist, wenn man ein Publikum so zum Nachdenken bringt.

>>Sie sind also noch im Geschäft?

Nicht wirklich...Ich sitze an meinem Computer, an meiner Textverarbeitung, drücke die Tasten... Ich habe seit ewigen Zeiten nicht wirklich etwas verkauft... hatte seit ewigen Zeit nichts auf dem Markt, ehrlich gesagt.

>>Man ist im Filmgeschäft so von Jugendlichkeit besessen.

Wenn Sie über 40 sind - vergessen Sie's! Als ich Hollywood verlassen habe, was vor zwanzig Jahren war, 1979, 1980, hatte die Writers Guild bereits ein Anti-Age-Committee eingerichtet, um nachzufragen, warum keiner ihrer älteren Autoren arbeitete. Filme in Hollywood werden alle von 25-jährigen geschrieben.

>>Und meistens 15 davon.

Richtig...es wird immer umgeschrieben und umgeschrieben und umgeschrieben. Und mehr Bücher werden geschrieben, die nicht gemacht werden, als umgekehrt. Sehen Sie, das passierte früher in meinen Tagen weniger. Mir ist es nie passiert, nie.
Ich weiß nicht, ob sie diese Geschichte kennen: Ich ging zu einer Party in Hollywood, bevor ich dort lebte, als ich noch in England arbeitete, und ich wurde gefragt "Was machen Sie?", und ich sagte, "Ich bin Drehbuchautor!" "Ach, wirklich? Haben Sie schon Bücher geschrieben?" "Ja, so um die 24, 25." Er sagte, "Ja gut, aber wie viele davon wurden gemacht?" Und ich sagte, "Na, 25." Denn in jenen Tagen schrieb man ein Script und... So ging das: Jemand sagte, würden Sie ein Buch schreiben, man sagte Ja und schrieb das Buch, und dann wurde es als Film gemacht. Er sagte, "Mal ehrlich, wieviele davon wurden gemacht?" Und ich sagte "25!" Ich verstand nicht, von was er redet. Was wäre der Sinn, ein Drehbuch zu schreiben, wenn es niemand verfilmen würde? Aber ich war sehr jung damals...

>>Um auf die Leute zu kommen, mit denen Sie gearbeitet haben. zunächst zu den Regisseuren. Terence Fisher... Was können Sie mir über ihn sagen?

Terence - mit ihm habe ich als Assistant gearbeitet bei ein paar Filmen. Er ist so liebenswürdig - er ist einfach ein sehr netter Mann. Er wäre ebenso überrascht gewesen wie ich über diese Faszination für Hammer 40 Jahre nach dem Entstehen der Filme. Wir machten einfach nur Filme. Und er machte CURSE OF FRANKENSTEIN nur, weil er aus einem Vertrag über drei oder vier Filme noch einen Film übrig hatte - da machte er FRANKENSTEIN. Er war einfach ein sehr netter Mann. Ich finde, er war ein guter Regisseur - aber er war nichts Besonderes oder Innovatives, er war nur ein sehr guter Regisseur, und die Schauspieler mochten ihn. Er wußte, wo er die Kamera aufzustellen hatte... Er war zuvor Cutter gewesen, was meiner Meinung nach die besten Regisseure hervorbringt. Und er hatte einige sehr gute Filme gemacht. Und wiederum hat er einen Film gemacht, den ich oft als Muster benutzt habe, der hieß SO LONG AT THE FAIR. Er hatte ihn für Pinewood gemacht, mit Jean Simmons.Ich würde sagen, er machte einige sehr gute Filme. Dann kam er zu Hammer und machte einige Filme von der Stange, ich weiß nicht mehr welche, aber ich war sein Assistant bei zwei oder drei davon, und dann "he hit the porridge", genau wie ich. Und wie ich sagte - er wäre genauso überrascht wie ich, daß diese Sache so lang überdauert hat wie sie es tat.

>>Es scheint mir, daß einfach jeder der Beteiligten (Set, Kamera, Regie, Buch...) zumindest ein sehr, sehr guter Handwerker war.

Ja, okay. Aber die meisten Leute - Sie zum Beispiel - waren noch nicht einmal geboren, als wir diese Filme machten. Und ich wette, die meisten Leute, die heute Nachmittag zu der Veranstaltung kommen, waren noch nicht einmal geboren als wir diese Sachen machten. Was hat sie überdauern lassen? What has made them last?
Einige von den Filmen, die wir machten, bevor wir mit den Horror-Filmen begannen, waren sehr professionell gemachte Filme. Aber es waren einfach nur Filme. Sie hatten kein Genre drumherum. Es war das Genre, das abhob.

>>Horror-Fans sind sehr loyal.

Sie sind loyal, in der Tat.

>>Vielleicht, weil Horrorfilme die Zuschauer in anderer Art berühren, sie zu stärkeren Reaktionen auffordern. Und weil, wie ich denke, Horrorfilme innovativ sind, denn in ihnen geht es meistens doch irgendwie ums Kino. Ich glaube, daß man keinen guten Horrorfilm machen kann, ohne einige grundlegende Sachen über das Kino verstanden zu haben.

Ja, da stimme ich zu. Und ich nehme an, wir lernte es alle von der Pieke auf. Wir wußten, was wir taten. Wir kannten uns in unseren Jobs aus. Bernard Robinson insbesondere, Jimmy Bernard - Jimmy Bernard hat Glück, Musiker haben Glück, sie werden so reich -, die Kameraleute waren gut, Jack Asher, das Make-Up war gut, Phil Leakey, dann Roy Ashton. Und so weiter, die Leiter hinab. Leute wie Len Harris, der Operator - jeder wußte ganz genau, was er tat. Deswegen nahmen sie es nicht so gut auf, wenn jemand von außen kam. Produzenten von außen, wie Harry Fine und Michael Style, die LUST FOR A VAMPIRE produzierten. Sie brachten den Stoff zu Hammer, also sagte Hammer, in Ordnung, ihr zwei produziert es. Die Unit arbeitete nie so recht wie sonst, wenn Leute von außen kamen. Es ging mit Regisseuren, den meisten Regisseuren - wenn sie erst mal dachten, daß sie ihn in ihre Art zu arbeiten eingearbeitet hatten. "Wir arbeiten so - aber wir sagen es ihm nicht. In zwei, drei Tagen wird er genau wissen, wie wir arbeiten."

>>Ein anderer Regisseur, über den ich Sie fragen wollte, ist Seth Holt.

Seth Holt - ich finde, er war ein super Regisseur. Er machte TASTE OF FEAR für mich, und THE NANNY, und ich wollte ihn unbedingt für THE ANNIVERSARY. Aber er konnte den nicht machen, er war nicht verfügbar. Und er war sehr selbstzerstörerisch - in der Tat zerstörte er sich auch selbst. Er trank sich zu Tode. Er kümmerte sich überhaupt nicht um sich selbst und er starb sehr jung an einem Herzinfarkt. Aber er war sehr, sehr gut. Bette Davis nannte ihn einen "Mountain of Evil", aber sie arbeitete gern mit ihm, und sie war sehr aufgebracht, als ich ihn für THE ANNIVERSARY nicht bekommen konnte. Ein wirklich sehr guter Regisseur. Kein sehr einfacher Mann, aber sehr, sehr gut.

>>Haben Sie je John Houston getroffen bei PHOBIA?

Nein, ich habe ihn nie getroffen. Das war etwas, was ich gemacht habe, während ich in Amerika war. Ich schrieb das Buch, gab es weiter, und vergaß ganz darauf. Plötzlich erscheint es, acht oder neun Monate später, mit den Namen anderer Autoren drauf, und John Houston führte Regie. Ich weiß nicht, warum John Houston es machte, er kann nicht sehr glücklich damit gewesen sein. Es muß recht pleite gewesen sein zu der Zeit - er brauchte das Geld, oder so etwas. Ich weiß gar nicht, ob ich ihn gesehen habe - ich glaube, ich habe ihn nie gesehen. Aber es macht sich gut in meinem Lebenslauf - "Directed by John Houston".

>>Und dann gab es die Stars. Zunächst Peter Cushing, über den ich gelesen habe, daß er Sie nicht besonders mochte?

Nein, er mochte mich durchaus, er dachte nur, daß ich überhaupt nicht gescheit schreiben konnte - er mochte meine Arbeiten als Autor nicht.

>>Und dann waren Sie sein Regisseur?

Dann führte ich Regie für ihn, und er war ein Schatz, wirklich wahr. Es war einer der ersten Filme, die er machte, als er zur Arbeit zurückkehrte, nachdem seine Frau gestorben war.
Er war in Ordnung. Er war ein Gentleman: Wenn er zusagte, einen Film zu machen, dann machte er den Film, und er machte, was man ihm sagte. Er sagte höchstens "Dear boy, vielleicht kann ich nicht wirklich DAS hier machen." (Sangster schiebt das Kaffeeservice ein Stück nach vorne.) "Wäre es nicht besser, wenn ich DAS hier mache?" (schiebt das Kaffeeservice ein Stück nach hinten.) Ich sagte: "In Ordnung, Peter, wenn Du das machen willst, dann mache das."
Er war wirklich höflich und nett. Alles freundliche, was Sie je über ihn gehört haben, ist wahr.

>>Und Christopher Lee?

Christopher Lee ist......okay. Was kann ich Ihnen über Christopher Lee erzählen? - Wofür er mich nicht verklagt? Christopher Lee hat unglücklicherweise keinen Sinn für Humor. Nicht den geringsten. Und ich finde es sehr schwer, mit Leuten umzugehen, die keinerlei Sinn für Humor haben. Denn alles, was wir tun, ist ohnehin ein bißchen ein Witz.

>>Eine Schauspielerin, über die ich Sie fragen wollte, ist Bette Davis.

Bette Davis - sie ist die professionellste Person, mit der ich je gearbeitet habe. Sie ist auch die schwierigste Person, mit der ich je gearbeitet habe. Aber alles, wonach sie je verlangt hat - wie schwierig es auch immer war - war nur für das, was sie am besten für den Film hielt. Nun, ich mußte es nicht unbedingt auch für das für den Film Beste halten, so daß wir uns darüber stritten, aber sie hätte nie nach einem größeren Wohnwagen am Set verlangt, oder früher Schluß machen wollen, oder all diese Sachen. Eine sehr schwierige Lady - aber der ultimative Profi.
Sie begann jedes Gespräch mit "Ich war der Star in 87 Filmen", und man dachte, "Gott ja, sie war der Star in 87 Filmen, also nehme ich an, sie muß wissen, wovon sie redet".

>>Und sie ist brillant in THE NANNY.

Ja, das ist sie. Sie ist wundervoll in THE NANNY. Aber das liegt auch an Seth Holt.

>>Aber die beiden kamen nicht miteinander klar?

Nein, sie mochte ihn nicht. Aber sie respektierte ihn ganz enorm als Regisseur.

>>Und es war recht mutig von ihr, THE NANNY zu machen. Viele der alternden Divas versuchten, an ihrem Image festzuhalten.

Das hat sie nicht gemacht. Sie war nicht so dumm.

>>Es ist ein toller Film.

Ja, ich liebe diesen Film. Ich würde nur das Ende ändern. Ich würde diese zusätzliche Szene am Ende wegnehmen. Die Szene, wo Mutter im Krankenhaus ist und Jerry sagt "Nanny wird bestraft für das, was sie getan hat, bla, bla, bla". Das war nicht richtig, das kam später hinzu. Ursprünglich merkt Nanny, was sie getan hat, und sie geht in ihr Zimmer und fängt an zu packen - Ende des Films. Und ich zeigte es den Leuten von Fox, den großen Bossen, in einem Rohschnitt. Ich erinnere mich, wie wir ihn im Kino zeigten, Seth und ich, und der Film war zu Ende. Und Stille von hinten. Und wir schauten uns um, und sie sagten "Wo ist das Ende?" Und ich sagte "Das ist das Ende, Sie haben es gesehen." Und sie sagten "Nein, nein, nein. Es muß das Publikum in fröhlicher Stimmung zurücklassen."
Und das selbe passierte übrigens mit einem Film, den ich gemacht habe, der THE SNORKLE hieß. Wir verlassen den Bösewicht, er ist unter einer Fußbodendiele gefangen, er weiß, daß er dort sterben wird. Er hat furchtbare Sachen gemacht, furchtbare Sachen, und er wird sterben unter diesen Brettern. Und das Auto mit der Familie und dem kleinen Mädchen, das das arrangiert hat, fährt weg, und sie schaut zurück zum Haus, und man weiß, was passieren wird. Aber sie haben mich ein anderes Ende drehen lassen, in dem sie an einer Polizeistation anhält und denen alles erzählt...ach.

>>Eine letzte Frage: Von all den Filmen, die Sie gemacht haben, welches ist Ihre liebste Arbeit?

(denkt nach) TASTE OF FEAR, sehr, sehr eng gefolgt von THE NANNY. Das sind meine beiden Liebsten.

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