Richard Oehmann interviewte Stephan Wagner, Regisseur
von KUBANSICH RAUCHEN, auf der diesjährigen Berlinale. Stephan
Wagner hat in Wien Film studiert und wohnt derzeit in Berlin.
"Kubanisch rauchen" ist sein erster Spielfilm und seit letzter
Woche ist er endlich auch in München zu sehen (im Arena und im
Maxim) - und das jetzt schon in der zweiten Woche!
Artechock:Weshalb dreht man einen österreichischen
Spielfilm auf altem DDR-Material aus Wolfen?
Der Film ist meines Wissens nach der letzte
Schwarz-Weiss-Film weltweit, der auf ORWO hergestellt wurde. Wir
haben dieses Material in mehreren osteuropäischen Ländern
zusammenkaufen müssen, wir hatten richtige Scouts, die bis nach
Polen vorgestoßen sind, um die letzten Rollen zu besorgen. Für ORWO
haben wir uns einerseits deshalb entschieden, weil es meiner
Meinung nach eines der besten Schwarz-Weiss-Materialien ist. Es ist
eine Schande, daß die Produktion eingestellt worden ist.
Andrerseits war es natürlich einen budgetäre Frage, denn der Film
ist ja mit dem entstanden, was so ein Geldautomat pro Tag hergibt,
und das Material war weit billiger als andere. Wir sind auch sehr
zufrieden damit. Ich habe sogar ein Kompliment bekommen, daß mich
lange beschäftigt hat. Ein Zuschauer kam zu mir und hat mir gesagt,
er sei erst nach einer Stunde draufgekommen, daß es sich um einen
Schwarz-Weiss-Film handelt, weil er so von der Kraft der Bilder
beeindruckt war. Ich denke, das spricht für sich, und ich hoffe,
daß die Verleiher etwas mehr Flexibilität an den Tag legen, und
nicht vor solchen Filmen zurückwenden,. Ich glaube, daß
Schwarz-Weisse sehr wohl eine Zukunft hat, wenn es richtig
eingesetzt ist.
Wie haben Sie es fertiggebracht, den
renommierten Hollywood-Darsteller Seymour Cassel in "Kubanisch
rauchen" auftreten zu lassen?
Seymour Cassel habe ich vor drei Jahren bei der Viennale
kennengelernt, wir haben uns sehr gut verstanden. Er hat mir das
Angebot gemacht, in meinem ersten Spielfilm eine Rolle zu
übernehmen, und um dies zu unterstreichen, hat er mir das sogar
schriftlich gegeben. Ich habe dann zwei Jahre keinen Kontakt zu ihm
gehabt. Bei den Dreharbeiten hatten wir schließlich das Gefühl, daß
wir einen Schauspieler brauchen, der die Kraft hat, die kleine
Rolle des Dragan so zu füllen, daß sie nicht nur zur Strichfigur
wird, sondern einen Unterbau bekommt. Da hab ich ihm ein Fax
geschickt und Cassel an sein Versprechen erinnert. Er hat sofort
geantwortet und gefragt, wann er wo zu sein hat. Seine einzige
Bedingung war ein anständiges Hotelzimmer und ein Businessflug. So
haben wir das unmögliche hingekriegt, in einem fast budgetlosen
Film, den keiner haben will, einen Hollywoodstar unterzubringen.
Dadurch haben wir auch in Österreich und Deutschland leichter einen
Verleih bekommen, und jetzt, wo das Ergebnis vorliegt, gibt es
plötzlich ein Bedürfnis nach dem Film.
Es geht in "Kubanisch rauchen" um Liebes-,
Freundschafts und Gangstergeschichten. Von welcher Grundidee sind
Sie ursprünglich ausgegangen?
Ursprünglich ging es um die Situation, wenn man nicht weiß, ob
man einen Menschen liebt oder ob man soviel Liebe in sich hat, daß
es auch für zwei reicht. Es war die Geschichte zweier Freunde und
zweier Frauen, im Verlauf der Entwicklung hat mich das Umfeld
dieser beiden Freunde immer mehr interessiert. Die Freundschaft
beruht auf einer Lüge, die sich vor Jahren eingeschlichen hat, und
die alles zum Zusammenbruch bringt. Ansonsten hieß die
Konstellation Liebesgeschichte gegen Doppelleben, was nicht
besonders klassisch ist. Dabei kann man sich auch leicht
verstricken in den Ebenen. Mir war sehr wichtig, dem Film eine
gewisse Heterogenität zu geben. Mir ging es nicht darum, ein Genre
zu bedienen, sondern ein Lebensgefühl zutransportieren. Ich sag
immer: 'Das ist ein Film über's Lebn', und ein solcher Film muß
eine persönliche Komponente, wie auch eine alltägliche Komponente
haben. Der östereichische Alltag hat eine ganz eigene Qualität von
absurdem Humor. Ein Humor, dessen Wahrnehmung mir besonders
naheliegt. Ich kann mich stundenlang aufregen, und ebenso
stundenlang amüsieren über diese kleinen Unterschiede zwischen dem
österreichsichen und dem deutschen Alltag. Solche Erfahrungen haben
den Film stark beeinflußt.
Sie sind ein deutscher Filmemacher, der in
Österreich studiert hat. Wie unterscheidet sich für sie die Arbeit
in den beiden Ländern?
Die Situation als österreichischer Filmemacher ist natürlich
immens härter, weil die Menge der produzierten Filme viel kleiner
ist. Das heißt: Es streiten sich viele Menschen um sehr wenige
Projekte, was dazu führt, daß viele Leute stagnieren. Die
Frustration schlägt sich wiederum in den Projekten nieder. Ein
frustrierter Mensch hat es ja viel schwerer etwas Kraftvolles zu
schreiben, als jemand er aus dem Vollen schöpfen kann. Insofern ist
es einfacher in Deutschland zu arbeiten, weil die
Wahrscheinlichkeit viel größer ist, auf jemanden zu treffen, der am
gleichen Strang zieht.
- Die Kritik zu Kubanisch
Rauchen von Richard Oehmann
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