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"Le Vampire
Der Vampir
The vampire
Frankreich 1939/45, 35 mm, s/w, 9 Minuten
Produktion und Regie: Jean Painlevé
Kamera: André Raymond
Musik: Duke Ellington ("Black and Tan Fantasy", "Echoes
of the Jungle")
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Ich hatte eine ziemlich dumme Cousine, die glaubte, daß der Vampir
so heißt, weil seine Flügel viel Wind produzieren [vent-pire].
(Sie glaubte auch, daß die Flüsse vom Meer zur Quelle fließen,
weil im Meer mehr Wasser ist). Ich weiß noch immer nicht, warum
Finnwale sich umbringen, indem sie sich an die Küste werfen. Dabei
bin ich mit Hunderten von Tierarten vertraut, ganz abgesehen von den Menschen
- und insbesondere den verstorbenen Freunden, die man wieder vor sich
sieht, wenn der Tod näherrückt. - Es muß wohl eine Vorahnung
gewesen sein, als ich 1939, unmittelbar vor dem Krieg, die Bilder vom
Vampir machte. - Fledermäuse sind seit jeher ein Symbol für
den Teufel und werden von den Bauern kurzerhand an die Haustür genagelt.
Murnau machte, gemäß der Legende, aus dem Vampir einen Menschen,
und Sie werden in diesem Film einen kleinen Ausschnitt sehen. - Ich habe
die Effekte mit Musik von Duke Ellington hervorgehoben, was meine skandalöse
Herangehensweise an die Wissenschaft noch unterstrich. Damals gab es in
den großen Bahnhöfen Wochenschaukinos, in denen Kurzfilme gezeigt
wurden; im Hauptbahnhof von Kopenhagen lief LE VAMPIRE zwei Jahre lang.
Der Leiter der dänischen Kinemathek meinte, in dem Film käme
mein ganzer Sadismus zum Ausdruck ... - JP
I had a rather silly cousin who believed that the vampire bat got its
name from the wind made by its wings [vent-pire]. But then she also thought
that rivers flowed from the sea to their source, because there is more
water in the sea. I myself still do not know why rorquals kill themselves
by throwing themselves ashore on the coast. And I know several hundred
species of animals intimately, not to mention the human beings - and the
departed friends you see again as your own death draws near. - It must
have been premonition which made me film vampire bats in 1939. Just before
the war. - Bats have always been a symbol of the devil, and have been
nailed up stupidly on farm doors. Murnau made the vampire into a man,
following the existing legend, and you will see some of his footage in
this film. - As a backing I used Duke Ellington, which only underlined
my scandalous approach to science. At that time, the main railway stations
had newsreel cinemas where they showed short films; at the main station
in Copenhagen they showed THE VAMPIRE for two years. The director of the
Danish Film Library said that the film showed all my sadism ... - JP
L'Hippocampe, ou "Cheval marin"
Das Seepferdchen
The sea horse
Frankreich 1933, 35 mm, s/w, 13 Minuten
Produktion und Regie: Jean Painlevé
Kamera: André Raymond
Musik: Darius Milhaud
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Das Seepferdchen ist der einzige vertikale Fisch. Das männliche Seepferdchen
hat eine Tasche, in die das Weibchen die Eier legt, wo sie von einem Gewebe
aus Blutgefäßen umgeben sind, das die Embryonen ernährt.
Nach etwa dreißig Tagen macht das Männchen eine richtige Geburt
durch, bei der sich die Tasche zusammenzieht, um die Embryonen auszustoßen.
- Meine ersten Unterwasseraufnahmen machte ich mit einem kleinen wasserdichten
Kasten, in den eine 35 mm-Kamera paßte. Sie hieß "Sieben",
weil sie sieben Meter Film faßte. Wir mußten daher alle paar
Sekunden auftauchen, um den Film zu wechseln. - Die Aufnahmen machte ich
in Arcachon. Die Seeleute der dortigen Station drehten das Rad, mit dessen
Hilfe Luft in die Maske des Tauchgeräts gepumpt wurde. Bei dieser
Maske drückten die Gläser gegen die Augen, was bei einer bestimmten
Tiefe durch einen okular-kardialen Reflex eine Beschleunigung des Herzschlags
auslöste. Viel mehr störte mich jedoch, daß ich plötzlich
keine Luft mehr bekam. Voller Panik tauchte ich auf und sah, wie die beiden
darüber stritten, in welchem Rhythmus man das Rad zu drehen hätte.
- JP
The sea horse is the only vertical fish. The male sea horse has a pouch
into which the female lays her eggs and which surrounds these with a network
of arterioles and veins which feeds the embryos. After approximately thirty
days, the male undergoes a genuine form of childbirth, with contractions
of the pouch to expel the embryos. - I did my first underwater filming
with a small waterproof box which could hold a 35 mm camera. It was called
a "Seven" because the film was seven meters long. So we only
had a few seconds time before we needed to resurface to reload the camera.
- This took place at Arcachon. The crew of the station turned the wheel
which sent air down to the mask of the diving suit I was wearing. The
goggles were pressing onto my eyes, which, at a given depth, triggers
an acceleration of the heart by oculo-cardiac reflex. But what bothered
me most was that at one point I was no longer getting any air. I rose
hurriedly to the surface, only to find the two seamen quarreling about
the pace at which the wheel should be turned. - JP
Histoires de crevettes
Garnelen-Geschichten
Shrimp stories
Frankreich 1964, 35 mm, Farbe, 10 Minuten
Produktion, Kamera und Regie: Jean Painlevé & Geneviève
Hamon
Musik: Pierre Conté
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Wie alle Schalentiere schälen sich auch die Felsgarnelen, sie stoßen
ihre Haut ab. Das ist vielleicht weniger beeindruckend als die Umwandlung
bei Insekten, wo das Tier erst restlos zerstört wird, bevor ein neues
Tier entsteht, dennoch ist es ein bewegendes Schauspiel. Häutet sich
die Garnele (zunächst täglich, dann wöchentlich, später
monatlich) nicht vollständig können beispielsweise die
Antennen nicht vollständig befreit werden , stirbt sie an Ort
und Stelle, ihre Exuvie hinter sich herziehend (um diesen schönen
Ausdruck anzubringen!). Unmittelbar nach der Häutung ist die Garnele
ganz weich zu diesem Zeitpunkt sollte, wenn die Geschlechtsreife
erreicht ist, eine kurze Kopulation stattfinden , danach muß
sie sich verstecken, bis sie einige Tage später wieder hart geworden
ist. Bei uns im Aquarium haben sich einige Garnelen ihrer bemächtigt
und sie gefressen. Andere hingegen blieben völlig passiv. Ist es
die Angst vor den Mächtigen, oder habe sie aus irgendeinem Grund
keinen Appetit? - Der wunderbare Körperbau der Garnele ist ebenso
starr festgelegt wie die Reinigung der verschiedenen Körperteile
einschließlich der Augen durch die Putzfüße.
Alle sensorischen Organe müssen in gepflegtem Zustand sein. - JP
Like all other crustacea, the rock shrimp moults, it shreds its skin.
Its change is less extraordinary than that of insects, where the animal
is entirely destroyed before being reconstituted as a different animal,
but it remains highly moving. If this shedding (daily at first, then weekly,
then monthly) is not complete, if for instance it fails to free its antennae,
the shrimp will die on the spot, trailing its exuviae (at last, an excuse
to use this wonderful word!). Immediately after moulting, the shrimp is
totally soft - this is when a brief copulation should take place, if the
sexual products are ripe. The shrimp must then hide until it has hardened
a few days later. Here, in the aquarium, other shrimps have caught and
devoured it. Some shrimps remain passive. Frightened of the domineering
ones, or just without appetite, for some reason? - The impressive architectural
structure of the shrimp is clearly outlined and its different parts -
including its eyes - are kept clean by cleaning legs. All the sensory
organs must be kept in good repair. - JP
Les Amours de la pieuvre
Das Liebesleben des Kraken
The love life of the octopus
Frankreich 1958/65, 35 mm, Farbe, 13 Minuten
Produktion, Kamera und Regie: Jean Painlevé & Geneviève
Hamon
Musik: Pierre Henry
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Ich lernte den Kraken im Jahr 1911 kennen: Ich war neun Jahre alt und
fuhr mit meiner Familie nach Roscoff, dessen Meeresbiologische Station
damals aus einem großen Aquarium bestand, das die Touristen bestaunen
konnten. Ich war so beeindruckt, daß ich Zoologie studieren wollte
und tatsächlich machte ich 1922, als Student, nähere Bekanntschaft
mit diesem Tier. Es wurde zum Thema meines ersten öffentlich gezeigten
Films im Jahr 1927. Er wurde in Port-Blanc bei meinen Freunden, der Familie
Hamon gedreht, und seit dieser Zeit ist eine ihrer Töchter, Geneviève,
meine unersetzliche Mitarbeiterin. Um das Jahr 1958 begannen wir, im Arago-Labor
von Banyuls in den Pyrenäen, mit der Arbeit an einem weiteren Film,
diesmal in Farbe, zum selben Thema. Dieses Epos sollte sich über
zehn Jahre hinziehen, da es nur im Monat August möglich war, das
Ablaichen und die Entwicklung der Eier zu verfolgen. Mein Ziel war es,
den Kraken dabei zu erwischen, wie er sich tastend mit einem Tentakel
außerhalb des Wassers bewegt, wo er üblicherweise doch immer
im Wasser gezeigt wird. - Das Schlüpfen schließlich wurde von
Geneviève Hamon gefilmt. Nach 48 Stunden vergeblichen Wartens war
ich auf einem Feldbett neben dem Aquarium eingeschlafen, und sie hatte
es nicht geschafft, mich wachzurütteln. - JP
My first meeting with the octopus was in 1911: I was nine years old, and
my family took me to Roscoff, where the Marine Biology Station consisted
of a large aquarium which tourists could contemplate. I was so captivated
that it lead me to choose Zoology as a degree. The octopus was the subject
of my first public film in 1927, filmed in Port-Blanc where I was staying
with my friends, the Hamonses. One of their daughters, Geneviève,
became my indispensable collaborator. Around 1958 we began another film,
in colour. The project lasted ten years, since August was the only month
during which one could monitor the laying and the development of the eggs.
I was hoping to show the octopus moving on the bottom with one tentacle
out of the water as a pointer (at that time they were always shown in
the water). - The hatching was filmed by Geneviève Hamon because
I was asleep. I had collapsed on a camp bed beside the aquarium after
having waited in vain for 48 hours, and she had been unable to wake me
up. - JP
Acera, ou Le Bal des sorcières
Akera, oder Der Tanz der Hexen
Acera, or The witches' dance
Frankreich 1972, 35 mm, Farbe, 13 Minuten
Produktion, Kamera und Regie: Jean Painlevé & Geneviève
Hamon
Musik: Pierre Jansen
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Zahlreiche Weichtiere sind Zwitter. Bei den Kugelschnecken, den Akera
Zwittern, die bei der Kopulation eine Kette bilden übernimmt
das Tier am Anfang die Rolle des Weibchens, das am Ende die Rolle des
Männchens. Die Tiere dazwischen sind Weibchen für das folgende
Tier, Männchen für das vorhergehende. Während der Kopulation
entweicht dem Hals ein Band von mehreren tausend Eiern. Diese entwickeln
sich im Verlauf des Sommers ganz hervorragend, degenerieren jedoch, wenn
sich die Legezeit zum Ende der Saison verschiebt. Normalerweise wird jedes
Ei in der Schale von Flimmerhärchen hin- und hergewendet und verwandelt
sich in eine Larve. Wenn die Eier jedoch degenerieren, wachsen die Flimmerhärchen
an x-beliebiger Stelle, woraus wahre Monster entstehen. Nachdem die Larven
geschlüpft sind, treiben sie an die Wasseroberfläche, wo sie
zumeist als Plankton gefressen werden. Andernfalls sinken sie auf den
Grund, wo sie sich mithilfe ihres Kriechfußes fortbewegen. Die sich
entwickelnde Schale bietet dem erwachsenen Tier keine Möglichkeit,
seinen ganzen Körper darin unterzubringen: sie ist Ballast, wenn
das Tier tanzt zweifellos, um sich einen Partner zu suchen. (Aus
ästhetischen Gründen habe ich für die Aufzeichnung der
Tänze diesen Lappen abgeschnitten.) - JP
Many molluscs are hermaphrodite. With Acera, hermaphrodites which copulate
in a chain pattern, the lead animal plays the part of the female, the
last one that of the male, and all those in between will play a double
role: female with the one behind, and male with the one in front. During
copulation a thread of several thousands of eggs emerges from the neck.
These eggs develop favourably during summer, but degenerate at large when
laid towards the end of the season. Normally, the cilia make the egg turn
around in the shell, where it develops into a larva. But when the eggs
degenerate, the cilia grow all over the place, and create monsters. Following
hatching, the larvae rise to the surface and are devoured as plancton.
Or else they fall to the bottom, where their creeping foot enables them
to move around. The developing shell cannot house the entire body of the
adult animal: it will be used as ballast in dances which are probably
linked to the search of a mate. (For the dances, I removed the lobe for
aesthetic reasons.) - JP
Les Pigeons du square
Die Tauben im Park
Pigeons of the square
Frankreich 1982, 16 mm, Farbe, 28 Minuten
Produktion und Regie: Jean Painlevé
Kamera: Vincent Berczi
Musik: Ramon der Herrera
Weltrechte / Herkunft der Kopie: Les Documents cinématographiques,
Paris
Vögel haben mich nie besonders interessiert; ich lernte gerade so
viel über sie, um gesellschaftsfähig zu sein. Einen Film über
Tauben machte ich nur, weil ich mich für ihr Verhalten interessierte:
Mir war aufgefallen, daß sich im Park häufig ein oder zwei
Tauben aufhielten, die nicht aus dem Viertel stammten, zu den einheimischen
Artgenossen Distanz hielten und deren Futter nicht anrührten. Zwei
oder drei Tage später waren sie entweder von den anderen akzeptiert
worden oder wieder verschwunden. Ich wollte dieses Verhalten filmen und
Kindern vorführen, um zu sehen, wie sie darauf reagieren. Doch dann
war plötzlich alles anders, und ich begann, mich für das Federvieh
zu interessieren. - Mir fiel auf, daß jede zehnte Taube verkrüppelte
Füße hat: Schlingen, Frost, ein Virus? Doch mir fiel auch auf,
daß ihr Leiden ein Ende hat, sobald ihr die Zehen abfallen. Sie
tänzelt dann auf ihren Stümpfen, und da sie nicht mehr zur Ruhe
kommt, stirbt sie schließlich. - Der Film endet mit einer Hommage
an Marey, den Erfinder des wissenschaftlichen Films. Es sei darauf hingewiesen,
daß Vögel viel weniger Energie verbrauchen, wenn sie in dichten
Scharen fliegen, und daß eine dichtgedrängte Menschenmenge
ein kollektives Wesen entwickelt, wo jeder sich verhält wie die anderen,
und anders, als wenn er allein wäre ... - JP
I was never very interested in birds, but I learned what I needed to know
about them for drawing-room conversation. If I made a film about pigeons,
it was a matter of ethology: I had noticed that in the square there were
often one or two pigeons who were strangers to the neighbourhood who kept
away from the natives, and did not share their food. Two or three days
later they had either left or been accepted. I wanted to film this behaviour,
and show it to some kids and find out what they thought about it. That
changed things; I took an interest in these winged creatures. - I realised
that one pigeon in ten of them had crippled feet: snares, frost, virus?
I noticed also that their suffering came to an end when they lost their
toes. They danced around on their drumsticks and then died because they
could no longer roost. - The film concludes with a tribute to the creator
of scientific films, Marey. Remember that birds expend a lot less of their
energy when they fly in tight formation, and that every dense crowd of
individuals gives rise to a different collective being, where each individual
acts like the others, and differently than he would on his own ... - JP"
(16. Internationales Dokumentarfilmfestival München; Texte von Jean
Painlevé © Les Documents cinématographiques, Paris,
Deutsche Übersetzung © Bureau du cinéma, München
(unveröffentlicht))
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