Zombies und Discotänzer, Leichenberge in David Cronenbergs
Zukunfts-Fantasie RABID und in Vietnam, der von Redneck-Vigilanten
erschossene Held aus NIGHT OF THE LIVING DEAD und das Attentat
auf Martin Luther King: Die Botschaft der Doku THE AMERICAN
NIGHTMARE war für halbwegs Eingeweihte keineswegs neu, aber
in der direkten Gegenüberstellung der Bilder schön augenfällig
präsentiert - Horrorfilme sind so etwas wie die Alpträume
einer ganzen Gesellschaft, sind Fantasien, in denen die Traumata,
die Ängste einer Ära in maskierter, transformierter Form be-
und verarbeitet werden. Der Film exerzierte das an einer Handvoll
Klassiker des Splatter-Kinos - angefangen 1968 mit NIGHT OF
THE LIVING DEAD über TEXAS CHAINSAW MASSACRE und LAST HOUSE
ON THE LEFT bis hin zu HALLOWEEN - durch. Mit der gegebenen
historischen Distanz ging da natürlich alles wunderbar auf
- die nagende Frage, die sich aber spätestens während dem
Betrachten dieser Doku unausweichlich aufdrängt war: Was sagt
das heutige Horrorkino über unsere Welt und Zeit?
Eins zumindest war während des diesjährigen Fantasy Filmfests
unübersehbar: Die '80er sind zurück. Hat SCREAM (so überschätzt
der Film auch ist) in der letzten Hälfte der Clinton-Ära wenigstens
seine Rückkehr zum konservativen Teenie-Slasher-Horror noch
mit besserwisserischer Selbstreflexivität verbrämt, so hat
man inzwischen die Maske der Ironie abgestreift: George W.
Bush sitzt im Weißen Haus und ist eine noch schlechtere, noch
dümmere, noch gefährlichere Neuauflage seines Vaters, der
schon eine missratene Neuauflage von Reagan war. Und genau
so sehen viele amerikanische Horrorfilme jetzt aus - schlechtere,
dümmere (hoffentlich aber wenigstens ungefährliche) Aufgüsse
der Teenager-Metzeleien aus den '80ern, die sich zumeist auch
noch wesentlich wichtiger nehmen, wesentlich auftrumpfender,
teurer daherkommen als ihre Vorbilder. Was zugleich Hand in
Hand geht mit den endgültig allerletzten Ausläufern der ursprünglichen
Welle, die mit SCARY MOVIE 2 nun komplett auf den Hund gekommen
ist - die unsägliche Fortsetzung einer schon schlechten Parodie.
So tief war der Zyklus der Universal-Monsterfilme an seinem
Ende nicht einmal mit JESSE JAMES MEETS FRANKENSTEIN'S DAUGHTER
gesunken.
Bei allen starken Ermüdungserscheinungen, die SLEEPLESS (NON
HO SONNO) aufwies, war es da im Vergleich doch angenehm zu
sehen, dass Altmeister Dario Argento (der hier seinen, man
darf es sagen, wohl schwächsten Film vorlegte) bei seiner
Rückkehr zum giallo, zum Schlitzer-Krimi, den er einst
so furios geprägt hat, wenigstens die zeitliche Distanz mitreflektiert;
das Ganze wenigstens zur Auseinandersetzung mit den Originalen
und nicht nur zum puren Abklatsch macht. Mit Abstand die gelungenste
Reise in die letzten Jahre der Reagan-Regentschaft zeigte
DONNIE DARKO. Der hat aber auch mit dem Kino jener Jahre wenig
am Hut und nichts gemeinsam - sondern das Zeug, in den kommenden
Jahren für alle zum Kultfilm zu werden, die sich in unserer
wunderbaren neo-konservativen Welt fremd und deplaziert fühlen.
Was dem Horrorfilm derzeit zu fehlen scheint, das sind die
großen kollektiven Ängste - zumindest solche, die sich in
klare Bilder fassen ließen. Krieg, Revolution, Vergänglichkeit,
Krankheit, Körperängste scheinen inzwischen in den westlichen
(und verwestlichten) Ländern derart wirksam als Schreckensbilder
verdrängt und unter Kontrolle gebracht, dermaßen weit weg
geschoben von Positionen real gefühlter Bedrohung, dass dem
Horrorkino kaum mehr bleibt als die Reduzierung auf gleichsam
mechanische Schockeffekte. Da trifft kaum mehr was direkt
ins Unterbewusste, wühlen die Bilder nicht mehr auf, verstören
nicht - das bleibt Geisterbahn.
Vielleicht hat der vermehrte Erfolg von Spuk- und Geistergeschichten
im Kino, von Filmen über unsichtbare jenseitige Bedrohungen
(THE BLAIR WITCH PROJECT, WHAT LIES BENEATH) ja damit zu tun,
dass immer mehr Leute spüren, dass unserer Tage ein Gespenst
umgeht, nicht nur in Europa. Wer übrigens anschaulich vorgeführt
haben wollte, was Globalisierung heißt, der war auf dem Fantasy
Filmfest gerade richtig. Denn nicht nur in Amerika füllt man
den sauer gewordenen Wein des old school-Teenager-Horrors
in neue Filmdosen: In Deutschland macht man das bekannterweise
jüngst genauso; gelegentlich mit großem finanziellen, bisher
aber stets mit absolut null künstlerischem Erfolg. Und Asien
steht (wenngleich in kompetenterer Umsetzung) mittlerweile
da genauso wenig nach wie Südamerika. Das Gruseligste, Grauenerregendste
an diesen Filmen (sieht man mal von der "Qualität" der deutschen
Beiträge ab) ist dabei, wie austauschbar die alle unabhängig
von ihrer Herkunft sind, wie sehr sie sich nur in punkto Professionalität
und Gelacktheit noch unterscheiden. Da findet so gut wie kein
Dialog mehr statt mit heimischen Traditionen, mit der eigenen
Kultur. Es wird aus USA importiert und so perfekt als möglich
imitiert. Wenn diese Filme auch nur halbwegs als Indikator
taugen, dann rasen wir tatsächlich auf eine globale geistige
Monokultur zu, die in spätestens zwei Generationen alles platt
gemacht hat, was es an Differenzen noch gibt.
Zum Glück aber hat das Fantasy Filmfest wie gewohnt nicht
nur manches aufgetrieben an Horrorfilmen, was sich diesem
Trend trotz allem widersetzt - das Genre-Spektrum war auch
breit genug, dass sich da sehr viel tummeln konnte, was fantastisches
Kino in mehr als einer Hinsicht war. Sowohl absolut als auch
relativ gesehen lag da die Zahl der wirklich begeisternden
Entdeckungen sehr deutlich über dem Vergleichswert vom diesjährigen
Münchner Filmfest; was fast schon Gewohnheit ist und auch
insofern kaum verblüffend, als drei der wenigen Highlights
DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE (LE FABULEUX DESTIN D'AMÉLIE
POULAIN), LA COMMUNIDAD und MEMENTO hier erneut am Start waren.
In den nächsten Tagen werden wir zu einer Reihe der Filme
ausführlichere Kommentare bieten - als Nachlese für alle Münchner,
und als Vorschau für all die Glücklichen, denen in den übrigen
Tour-Städten jetzt eine Woche Kino-Rausch bevorsteht.
Fantasy
Filmfest 2001
Stuttgart: 25. Juli - 1. August
Frankfurt a.M. und Köln: 1. - 8. August
Hamburg und Berlin: 8. - 15. August
Thomas
Willmann
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