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Fantasy Filmfest 2001 August 2001
 
 
     
 

The Horror! The Horror!

 
 
Eröffnungsfilm: DER PAKT DER WÖLFE
       
 
 
 
 

Zombies und Discotänzer, Leichenberge in David Cronenbergs Zukunfts-Fantasie RABID und in Vietnam, der von Redneck-Vigilanten erschossene Held aus NIGHT OF THE LIVING DEAD und das Attentat auf Martin Luther King: Die Botschaft der Doku THE AMERICAN NIGHTMARE war für halbwegs Eingeweihte keineswegs neu, aber in der direkten Gegenüberstellung der Bilder schön augenfällig präsentiert - Horrorfilme sind so etwas wie die Alpträume einer ganzen Gesellschaft, sind Fantasien, in denen die Traumata, die Ängste einer Ära in maskierter, transformierter Form be- und verarbeitet werden. Der Film exerzierte das an einer Handvoll Klassiker des Splatter-Kinos - angefangen 1968 mit NIGHT OF THE LIVING DEAD über TEXAS CHAINSAW MASSACRE und LAST HOUSE ON THE LEFT bis hin zu HALLOWEEN - durch. Mit der gegebenen historischen Distanz ging da natürlich alles wunderbar auf - die nagende Frage, die sich aber spätestens während dem Betrachten dieser Doku unausweichlich aufdrängt war: Was sagt das heutige Horrorkino über unsere Welt und Zeit?

Eins zumindest war während des diesjährigen Fantasy Filmfests unübersehbar: Die '80er sind zurück. Hat SCREAM (so überschätzt der Film auch ist) in der letzten Hälfte der Clinton-Ära wenigstens seine Rückkehr zum konservativen Teenie-Slasher-Horror noch mit besserwisserischer Selbstreflexivität verbrämt, so hat man inzwischen die Maske der Ironie abgestreift: George W. Bush sitzt im Weißen Haus und ist eine noch schlechtere, noch dümmere, noch gefährlichere Neuauflage seines Vaters, der schon eine missratene Neuauflage von Reagan war. Und genau so sehen viele amerikanische Horrorfilme jetzt aus - schlechtere, dümmere (hoffentlich aber wenigstens ungefährliche) Aufgüsse der Teenager-Metzeleien aus den '80ern, die sich zumeist auch noch wesentlich wichtiger nehmen, wesentlich auftrumpfender, teurer daherkommen als ihre Vorbilder. Was zugleich Hand in Hand geht mit den endgültig allerletzten Ausläufern der ursprünglichen Welle, die mit SCARY MOVIE 2 nun komplett auf den Hund gekommen ist - die unsägliche Fortsetzung einer schon schlechten Parodie. So tief war der Zyklus der Universal-Monsterfilme an seinem Ende nicht einmal mit JESSE JAMES MEETS FRANKENSTEIN'S DAUGHTER gesunken.

Bei allen starken Ermüdungserscheinungen, die SLEEPLESS (NON HO SONNO) aufwies, war es da im Vergleich doch angenehm zu sehen, dass Altmeister Dario Argento (der hier seinen, man darf es sagen, wohl schwächsten Film vorlegte) bei seiner Rückkehr zum giallo, zum Schlitzer-Krimi, den er einst so furios geprägt hat, wenigstens die zeitliche Distanz mitreflektiert; das Ganze wenigstens zur Auseinandersetzung mit den Originalen und nicht nur zum puren Abklatsch macht. Mit Abstand die gelungenste Reise in die letzten Jahre der Reagan-Regentschaft zeigte DONNIE DARKO. Der hat aber auch mit dem Kino jener Jahre wenig am Hut und nichts gemeinsam - sondern das Zeug, in den kommenden Jahren für alle zum Kultfilm zu werden, die sich in unserer wunderbaren neo-konservativen Welt fremd und deplaziert fühlen.

Was dem Horrorfilm derzeit zu fehlen scheint, das sind die großen kollektiven Ängste - zumindest solche, die sich in klare Bilder fassen ließen. Krieg, Revolution, Vergänglichkeit, Krankheit, Körperängste scheinen inzwischen in den westlichen (und verwestlichten) Ländern derart wirksam als Schreckensbilder verdrängt und unter Kontrolle gebracht, dermaßen weit weg geschoben von Positionen real gefühlter Bedrohung, dass dem Horrorkino kaum mehr bleibt als die Reduzierung auf gleichsam mechanische Schockeffekte. Da trifft kaum mehr was direkt ins Unterbewusste, wühlen die Bilder nicht mehr auf, verstören nicht - das bleibt Geisterbahn.

Vielleicht hat der vermehrte Erfolg von Spuk- und Geistergeschichten im Kino, von Filmen über unsichtbare jenseitige Bedrohungen (THE BLAIR WITCH PROJECT, WHAT LIES BENEATH) ja damit zu tun, dass immer mehr Leute spüren, dass unserer Tage ein Gespenst umgeht, nicht nur in Europa. Wer übrigens anschaulich vorgeführt haben wollte, was Globalisierung heißt, der war auf dem Fantasy Filmfest gerade richtig. Denn nicht nur in Amerika füllt man den sauer gewordenen Wein des old school-Teenager-Horrors in neue Filmdosen: In Deutschland macht man das bekannterweise jüngst genauso; gelegentlich mit großem finanziellen, bisher aber stets mit absolut null künstlerischem Erfolg. Und Asien steht (wenngleich in kompetenterer Umsetzung) mittlerweile da genauso wenig nach wie Südamerika. Das Gruseligste, Grauenerregendste an diesen Filmen (sieht man mal von der "Qualität" der deutschen Beiträge ab) ist dabei, wie austauschbar die alle unabhängig von ihrer Herkunft sind, wie sehr sie sich nur in punkto Professionalität und Gelacktheit noch unterscheiden. Da findet so gut wie kein Dialog mehr statt mit heimischen Traditionen, mit der eigenen Kultur. Es wird aus USA importiert und so perfekt als möglich imitiert. Wenn diese Filme auch nur halbwegs als Indikator taugen, dann rasen wir tatsächlich auf eine globale geistige Monokultur zu, die in spätestens zwei Generationen alles platt gemacht hat, was es an Differenzen noch gibt.

Zum Glück aber hat das Fantasy Filmfest wie gewohnt nicht nur manches aufgetrieben an Horrorfilmen, was sich diesem Trend trotz allem widersetzt - das Genre-Spektrum war auch breit genug, dass sich da sehr viel tummeln konnte, was fantastisches Kino in mehr als einer Hinsicht war. Sowohl absolut als auch relativ gesehen lag da die Zahl der wirklich begeisternden Entdeckungen sehr deutlich über dem Vergleichswert vom diesjährigen Münchner Filmfest; was fast schon Gewohnheit ist und auch insofern kaum verblüffend, als drei der wenigen Highlights DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE (LE FABULEUX DESTIN D'AMÉLIE POULAIN), LA COMMUNIDAD und MEMENTO hier erneut am Start waren. In den nächsten Tagen werden wir zu einer Reihe der Filme ausführlichere Kommentare bieten - als Nachlese für alle Münchner, und als Vorschau für all die Glücklichen, denen in den übrigen Tour-Städten jetzt eine Woche Kino-Rausch bevorsteht.

Fantasy Filmfest 2001
Stuttgart:
25. Juli - 1. August
Frankfurt a.M.
und Köln: 1. - 8. August
Hamburg
und Berlin: 8. - 15. August

Thomas Willmann

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