|
HOUSE ON TERROR TRACT
Der Film als Überraschungsei
Mit dem Überraschungsei verhält es sich so, daß sich aussen
rum eine leckere Hülle aus Milch und Schokolade befindet und
innen drin, ja, da ist nur Plastik. Damit ist eigentlich schon
alles über den Film gesagt. Er hat eine wunderbar witzige
Rahmenhandlung (faszinierend John Ritter als ehrlicher aber
zunehmend verzweifelnder Immobilienmakler), einen GROSSARTIGEN
Soundtrack, der so klingt wie ein Horrorsoundtrack klingen
soll: bombastisch, ruckartig, unheilverheissend... und da
wären dann noch drei unterirdisch miese Episoden, die so schlecht
sind, daß sie sogar mir eingefallen wären (ja genau, soo schlecht).
Hätte man sich nur bei den einzelnen Geschichten etwas Mühe
gegeben, der Film wäre eine kleine schmutzige Perle über das
Grauen hinter der heilen Fassade der american suburbs geworden,
ein Mini-BLUE VELVET (nur daß hier keine abgeschnittenen Ohren
im Rasen liegen sondern bis zum Hals eingegrabene Katzen,
auf die ein Rasenmäher zufährt).
Dennoch sollte man sich den TERROR TRACT wegen dem fantastischen
John Ritter ansehen, den ich hiermit für den Oscar für die
beste Nebenrolle nominieren möchte. Wenn er mit blutigem Füller
hinter einer Kundin herrennt und ruft "This is a quality neighborhood,
I live here myself!!!" und mit einem Mal die Bewohner in ihren
ruhigen Gärten und Häuser und Seitenstrassen Amok laufen,
dann sagt das mehr über den Zustand Amerikas aus als viele
kluge Zeitungskommentare...
Close up: the American dream. Fade to black.
SUBCONSCIOUS CRUELTY
Midnight Brain
Ich habe leider nicht Psychologie studiert, aber soviel weiß
ich doch, daß wir den ganzen Film über im Kopf eines sehr
sehr kranken Mannes stecken. Er phantasiert, er erinnert sich
an eine unaussprechlich schreckliche Tat an seiner Schwester,
er träumt von Erlösung. Keine Dialoge. Nur eine Stimme aus
dem Off in der ersten Hälfte des Films. Dann Sprachlosigkeit.
Keine straighte Story sondern ein Seelenzustand. Ein Experimentalfilm.
Kaum Requisiten. Ein Bett, eine Tür. Und sonst der Hintergrund
nur schwarz. Oder rot.
Oder grün. Low Budget. Reduktion. Die Musik lärmend, aber
nicht dissonant, nicht nervig aber auch nicht einschmeichelnd:
ein wortloser Monolog.Kino pur, back to the roots. Misslungen
vielleicht, aber endlich verweigert sich mal wieder jemand
den Konventionen, dem, was man heute unter Filmemachen versteht.
Nichts mehr erklären. Nur noch zeigen. In den Kopf hineinfräsen.Bilder:
Ein Geschäftsmann sitzt vor einem Fernseher in dem ein Porno
läuft und wixt. Und irgendwann zerfetzen Angelhaken sein Glied.
Fischköpfe um ein Hexenhaus herumgruppiert. Ein von Furien
gehäuteter Jesus. Nackte Männer und Frauen die sich auf einer
Wiese winden und versuchen sich in die Erde hineinzugraben;
doch aus der quillt Blut. Keine Zuflucht. Keine Lust.
Keine Erlösung. Alles endet in Verletzung, Verstümmelung.
Wahnsinn.
Männer schrein.
Ein Kind stirbt.
Kein Mond scheint.
THE BIBLE AND GUN CLUB
Ministranten in Las Vegas
"Is this a gun in your pocket or are you just happy to
see me?" "It´s a gun" said Charlton Heston.
Endlich mal ein Film, in dem alle Hauptdarsteller dicke Männer
sind und trotzdem cool aussehen, tragen sie doch die Arbeitskleidung
aus PULP FICTION: Schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, weisses
Hemd. Also passend für jede Beerdigung oder jeden Kirchgang,
und das hängt mit dem Metier dieser Herren zusammen.
Der Bible and Gun Club ist ein Unternehmen, welches landesweit
über Vertreter Bibeln und Handfeuerwaffen verkauft. Der Film
erzählt die Geschichte der California Division, welche sich
zum alljährlichen Firmentreffen nach Las Vegas aufmacht.
Mit dokumentarischer Genauigkeit beobachten wir Verkaufsgespräche,
die Fahrt nach Vegas, die Gespräche der Vertreter in Hotelzimmern;
auf Golfplätzen, in Bars und immer wieder blitzt plötzlich
ein Funken Surreales durch die sachlichen Schwarzweissbilder:
eine sekundenkurze Party mit Stewardessen der Aeroflott, die
so schön sind, daß sie Vertreter mit Schmerbauch keines Blickes
würdigen aber man wird ja noch träumen dürfen; oder Neger
in Baströckchen, imaginäre Bedrohung eines Kunden der gerade
eine Pump Gun Marke "Defender 500" kauft.
Ein Vertreter stirbt auf dem Golfplatz weil er bei einem Pornodreh
zu dem er sich selbst eingeladen hat zuviel gekokst hat, eine
weiterer wird erschossen, die anderen machen ohne ihre Kollegen
weiter, durchstreifen die Trailerparks auf der Suche nach
Leuten, die Luxusbibeln erwerben wollen, die sie sich eigentlich
gar nicht leisten können.
Ein wunderbarer Film, der seine Charaktere ernst nimmt und
nicht als Witzfiguren hinstellt, der sich Zeit läßt mit dem
Erzählen. Eine Kamera die in ruhigen Schwarzweissbildern den
Protagonisten folgt, Männern ohne Illusionen aber mit Träumen.
Männer die zuschlagen wenn Ihnen jemand sagt, daß es einen
größeren Künstler als Neil Diamond gibt; Männer die in der
Wüste von Nevada ihren Wagen parken und versuchen, sich an
jeden einzelnen Tag ihres Lebens zu erinnern, working middle
class men, einsam und übergewichtig und doch auf eine seltsam
anrührende Art heroisch, wenn Sie das Wort des Herren für
nur 90, 95$ anbieten oder mit der Pump Action Gun Defender
500 den schnellsten Weg zu Himmel oder Hölle weisen.
Thomas Schmid
|