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Berlinale 2003 20.02.2003
 
 

Berlin sucht den Superstar
Der neue Talentschuppen der Berlinale

 
 
 
 
 

Der Berichterstattung über die Berlinale nach zu urteilen, war der meistgehörte Satz des diesjährigen Festivals neben der jetzt schon legendären Selbstbezichtigung Dustin Hoffmanns "I'm not anti-american" die ungleich bejahendere Aussage "I'm a talent". Unterschiedlicher können die Bewußtseine nicht sein: Hier die Altstars, die sich seit dem 11. September jenseits der vorgegebenen Political Correctness äußern und das nationale Selbstbewußtsein zum Kollaps treiben. (Wie zuletzt in dem Film 11'09''01 mit dem äußerst zynischen, aber wie ein Befreiungsschlag von der amerikanischen Diktion wirkenden Beitrag von Sean Penn, aber war der nicht ohnehin immer schon der Böse Bube des amerikanischen Kinos gewesen? Kein Respekt vorm Denkmal!, so möchte man ausrufen, wenn das durch den einstürzenden World Trade Center befreite Licht selbst verdorrte Blütenträume wieder sprießen läßt.) - Dort das noch ganz unschuldige Volk der Regie-"Talente", das dieses Jahr die große Chance gekommen sah, auf internationalem Parkett zu erforschen, worum es beim Filmemachen immer auch geht: Nicht um das große Geld, aber doch immer auch um Geld.

Was dem Altstar geziemt, das soll der Jungstar meiden - so scheint es zumindest. Der erstmals auf der Berlinale ausgerufene Berlin Today Award, der künftig jedes Jahr drei noch unbekannte Jungregisseure casten will, finanziert die Realisierung eines Kurzfilmprojektes, und auf der nachfolgenden Berlinale werden diese drei Kurzfilme ins Rennen um den Gewinner geschickt (etwa in einer neuen Kategorie "Bester unbekannter Regisseur"?). Es lebe das Talent der Talente! Immerhin förderte das ausgerufene Großcasting (etwa 500 "people" waren vor Ort, um schon mal "erste Kontakte" zu Produzenten etc. zu knüpfen) ein erfrischend-ungebrochenes Selbstbewußtsein hervor: "Hallo, ich bin ein Talent", wer kann schon von sich behaupten, sich jemals so vorgestellt zu haben?

Die Stoßrichtung des Berlin Today Award ist eindeutig: "The name is the game", wie es so schön als moderne Variante des ungleich altbackeneren nomen est omen auf der offiziellen Homepage heißt (www.berlintoday.de). Der Name bestimmt das Spiel: so müssen die in den Wettbewerb geschickten Exposées Berlinbezug haben, und, wie es augenzwinkernd in den Teilnahmekonditionen heißt: "Where you produce your visions of Berlin is entirely up to you, but if you want to shoot in Berlin you're perfectly welcome to do so." Trotz aller Berlinfixiertheit kann das immer noch spannend werden, und zum Glück heißt die Berlinale auch Berlinale und nicht etwa Filmfestspiele an der Spree, am Ende käme ein Investor auf die Idee, das alles nach München..., und was würde dann aus dem Berlinbezug? Nein, Berlin bleibt Berlin, oder eben nicht. Aber Wiedervereinigung hin, Neue Mitte her, haben wir denn nicht schon so schöne Filme und so wunderbare Geschichten über das neue alte Berlin? Zuletzt GOOD BYE LENIN mit Katrin Saß, die ich ausdrücklich erwähnt haben möchte neben dem neuen "Shooting-Star" Daniel Brühl, der die Generation von HEIDI M. beerbt.

Die historische Schwellenüberschreitung scheint immerhin klammheimlich-offensichtliche Vorgabe für das Talent-Projekt zu sein: Auf der Site von berlintoday zu sehen ist der Checkpoint Charly, der ja nun jedem Touristen bekannt sein dürfte (und nur mein ungeduldiges Auge interpretierte ihn noch während des Aufbaus der Seite sogleich als Filmannonce zu SONNENALLÉE, wegen der grünen Uniform des Grenzsoldaten, der als plakatgewordenes Gedächtnis für immer in die historische Ikonographie eingegangen ist). Hoffen wir, daß die Jungstars und die Jury der sechs Juroren (ein Repräsentant des Berlinale Talent Campus, einer vom Sponsor Filmboard Berlin-Brandenburg, einer von der begleitenden Produktionsfirma, dann Andreas Dresen, Esther Gronenborn und Volker Schlöndorff) sich in ihrem Berlinbild etwas nischenhafter erweisen werden als der Checkpoint Charly, und sie abseits des Dieter-Bohlen-Effektes (der eine moderne Art der Wiedergeburt feiert, indem er sich selbst zum Superstar klont) auch das nicht Plakative beachtenswert finden werden. Allerdings ist ja der Berlin Today Award (the name is the game!) auch das neue Aushängeschild einer ganz neuen Berlinale "zum Anfassen" unter der immer noch neuen Leitung des in der Tat äußert sympathisch wirkenden Dieter Kosslick - und muß also nichtsdestotrotz allerhand Werbewirksamkeit beweisen. Also, Jung-Regisseure aller Welt, wirbt für Berlin und die Berlinale! Aber paßt auf, daß nicht auch euch die Selbstzweifel ob des Monumentalen erfassen und ihr euch plötzlich sagen hört: "Ick bin keen Baliner!"

Dunja Bialas

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