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Fillmfest München 2004 01.07.2004
 
 
Tagebuch, 6. Tag


Filmsplitter

 

Kurz vor Schluss

Filmtipps für den Endspurt
BHALO THEKO (Forever Yours)
Gautam Halders BHALO THEKO
 
 
 
 

Filmsplitter

Der diesjährige Filmfest-Trailer ist der beste seit Menschengedenken. Ein Meisterwerk der Effizienz. In kompakter Form bietet er alles, was von einem Festivaltrailer erhofft wird, ohne zu nüchtern zu sein. Sicher, die Grafik hätte noch etwas schöner sein können, häßlich ist sie aber auch nicht. Anders als mancher seiner Vorgänger löst der diesjährige Vorspann auch nach häufigem Sehen garantiert keine allergischen Reaktionen hervor. In zwei Punkten könnte der praktische Nutzen aber noch gestärkt werden: Der Trailer ist in der ersten Hälfte sehr dunkel. Zuspätkommer stolpern deshalb durch den tiefschwarzen Saal. Und er bietet nur gegen Ende kurz die Möglichkeit den Film scharf zu stellen. Hat der Vorführer diese Gelegenheit verpaßt, startet der Hauptfilm unscharf.

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Der Preis für die beste Titelsequenz geht bislang an PAS SUR LA BOUCHE von Alain Resnais. Zu sehen sind nur Scherenschnitte von Darstellern und Requisiten, während ein Sprecher das Publikum begrüßt und Titel und Credits ansagt. Die perfekte Einstimmung für eine Operette aus den 20er Jahren.

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John Sayles bleibt sich treu. Wieder liefert er einen Ensemblefilm ab, in dem ein sozialer Mikrokosmos mit all seinen Konflikten durch die sorgfältig verflochtenen Beziehungen von gut einem Dutzend Personen dargestellt wird. Wieder spielt die Handlung an einem Ort auf einer kulturellen Grenzlinie. In CASA DE LOS BABYS ist es der Adoptionstourismus in Acapulco, wo reiche US-Amerikaner arme mexikanische Babys haben wollen. Der Film ist - wie von Sayles nicht anders zu erwarten - sehr gut geschrieben und sorgfältig inszeniert, reicht aber nicht ganz an seine Meisterwerke CITY OF HOPE und LONE STAR heran. Das mag daran liegen, daß das Beziehungsgeflecht für Sayles'sche Verhältnisse recht einfach strukturiert ist: Auf der einen Seite fünf US-Amerikanerinnen mit ihren individuellen Problemen und Konflikten, die in einer Hotelanlage auf die Zuteilung "ihrer" Babys warten. Auf der anderen Seite die Mexikaner, die sich wiederum in zwei Gruppen aufteilen lassen:
Solche, die vom Adoptionstourismus leben und denen es umso besser geht, je stärker sie involviert sind, und solche, die nichts davon abbekommen und deshalb von der Hand in den Mund leben.

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Anfangs scheint BHALO THEKO (Forever Yours) alle Vorurteile zu bestätigen, die ich gegenüber indischem Kunstkino habe: Ein Autor aus Bengalen oder Kerala erzählt in unglaublich langsamen Bildern eine Geschichte, wo ich weder den grundlegenden Konflikt noch die Beziehungen aller Protagonisten zueinander verstehe. Doch nach ca. 20 Minuten gerate ich in den Sog des Films. Ich fange an, mich für die Protagonisten zu interessieren, mit ihnen mitzufiebern, und plötzlich bin ich von der Handlung gefesselt, bin im Film "drin". Natürlich verstehe ich nicht jedes Detail, insbesondere die häufig zitierte Lyrik ist mir zu fremd, aber ich kann der Geschichte folgen. Die Langsamkeit des Erzählrythmus wird nicht als Langweile sondern als Poesie empfunden.

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»Gott ist Brasilianer« postuliert ein Filmtitel aus dem diesjährigen Programm. Da könnte etwas dran sein, denn die beiden unterhaltsamsten Filme meines Tages kommen aus Brasilien. Zuerst SEPARAÇÕES (Breaking Up) von Domingos de Oliveira, bei dem das Trennungs- und Wiedervereinigungsgehabe geschlechtsreifer Großstädter unter die Lupe genommen wird. Ihr Motto: »Nicht mit Dir und nicht ohne Dich«. Humorvoll wird von Seitensprüngen und den individuellen Träumen vom Glück in der oberen Mittelklasse Rio de Janeiros berichtet. Die Hauptprotagonisten arbeiten beim Theater, deshalb werden die Gefühle manchmal etwas arg theatralisch ausgelebt, aber ansonsten bleibt der Film erfreulich klischeefrei.

In DEUS É BRASILEIRO (God Is Brazilian) von Carlos Diegues hat Gott von den ständigen Forderungen der Menschen die Schnauze voll und will Urlaub machen. Als Urlaubsvertretung hat er sich einen Heiligen in spe aus den armen Nordosten Brasiliens ausgeguckt. Doch den muß er erst einmal finden. So reist Gott den Spuren des Heiligen hinterher, in seinem Schlepptau den Taugenichts Taoca und die schöne Mada, die sich von dem angeblichen Professor aus Sao Paulo die Fahrkarte in ein anderes Leben verspricht. Wie Gott inkognito mit den Eigenheiten seiner Schöpfung klar kommt und versucht Wunder zu vermeiden, ist herzerfrischend.

Aber vielleicht ist Gott doch kein Brasilianer, denn bei beiden "Filmen" wird die Bildqualität durch digitale Artefakte und Farbsäume reduziert. Insbesondere bei DEUS É BRASILEIRO tut dies in der Seele weh. Wie schön würden die fantastischen Landschaften Brasiliens auf richtigem Film aussehen!

Claus Schotten

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Filmtipps für den Endspurt

Der Countdown läuft: Nur noch zwei Tage hat man die Chance, sich auf dem Münchener Filmfest zu tummeln. Ein Blick aus dem Fenster enthüllt pure Trostlosigkeit. Ein Grund mehr, noch einmal in andere Welten abzutauchen.

Für Liebhaber hintersinniger Erotik
Ungewöhnliche Menage à Trois: Ein Mann in einem Cafe. Eine junge Frau, die um Feuer bittet. Was der Mann nicht weiß: Die schöne Unbekannte ist eine Prostituierte. Und: Seine Frau hat sie auf ihn angesetzt. Der Deal: NATHALIE soll en Detail berichten, was zwischen ihr und dem chronisch ungetreuen Gatten passiert. Was den Film Spannend macht ist der Perspektivwechsel: Im Mittelpunkt steht die Beziehung zweier faszinierenden Frauen: Zwischen Fanny Ardant, ganz Dame, und Emanuelle Béart, der Hure, entspinnt sich eine seltsame Freundschaft. Und jede von ihnen hütet ein Geheimnis...
Feitag, 02.07., 17.00 Uhr und Samstag, 03.07., 19.00 Uhr, jeweils Maxx 2

Für Psychorocker
Über die Dokuperle METALLICA: SOME KIND OF MONSTER wurde an dieser Stelle schon berichtet (siehe Tagebuch vom) . Ein äußerst vergnüglicher Ausflug in Rockeralltag, Schaffenskrise und Beziehungsdynamik.
Samstag, 03.07. 17.30, Forum am Deutschen Museum

Für Visonäre
TARNATION - dieser Film passt in keine Schublade. Der Mix aus Dokudrama, Autobiografie und psychedelischem Trip hat schon auf dem Sundance Filmfestival für Furore gesorgt.
Samstag, 3.7. 22.00 Uhr, Maxx 5

Für zart Besaitete
Familienbande: Mitten in Tokyo wachsen vier Kinder, isoliert von der Umgebung auf. Eines Tages verschwindet die Mutter. Fortan sind die Kinder auf sich allein gestellt. Schritt für Schritt entdecken sie die Welt außerhalb ihres Universums. NOBODY KNOWS - ein stiller Film voll zärtlicher Poesie.
Freitag, 02.07., 17.00 Uhr, Maxx 3
Samstag, 03.07., 15.00 Uhr Carl-Orff-Saal, Gasteig

Für Fans nostalgischer Musicals
A Tribute to Cole Porter: Der Schöpfer legendärer Evergreens wie "Night and Day", "I Get no Kick of Campagne" und DE-LOVELY, lässt sein Leben noch einmal Revue passieren.
Samstag, 03.07.20.00 Uhr Carl-Orff-Saal, Gasteig

Nani Fux

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