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Waiting for What’s-his-name
Dies weinerliche Gesicht, wenn wieder mal was schiefgelaufen ist – und es
läuft eigentlich dauernd alles schief. Diese treu-naïve Unterwürfigkeit
gegenüber seinem stets latent von der Dummheit seines Partners genervten
Freund, der alles besser zu wissen meint – und der eigentlich noch viel
weniger Ahnung hat. Diese Fähigkeit, immer das falsche Wort zum falschen
Zeitpunkt parat zu haben, das Schlamassel immer noch größer zu machen. Und
diese Augen unter den hochgezogenen Brauen, die alles an der Welt
staunenswert zu finden scheinen und aus den trotz allem ein
unerschütterliches Vertrauen spricht: Es dauert nicht allzu lang, bis der
Groschen fällt, an wen einen das alles erinnert. ADAM & PAUL könnte auch
heißen STAN & OLLIE – und Regisseur Lenny Abrahamson nannte das geniale
Stummfilm-Komikerpaar im anschließenden Publikumsgespräch auch gleich als
seine Inspirationsquelle.
Man muss sich nur vorstellen, was aus Mr. Laurel & Mr. Hardy geworden wäre,
wenn das Schicksal sie in Dubliner Junkies verwandelt hätte. Zwei
Kackspechte im Kampf gegen das Dasein, hier nicht auf der ewigen Jagd nach
dem Traum von ein klein bisschen Erfolg sondern nach dem nächsten Schuss,
immer auf Ausweichkurs gegenüber den Autoritäten, immer zielstrebig von
einer kleinen Katastrophe zur nächsten tappend. Und wo das Schicksal grade
mal nicht zur Hand ist, ihnen ein Bein zu stellen, da schafft es ihre eigene
Dummheit bestimmt gerade dann, wenn sie sich besonders clever wähnen.
ADAM & PAUL ist quasi eine Komödie, so wie Aki Kaurismäkis Filme meist
“Komödien” sind. Das Lachen hat was Existenzielles – Drehbuchautor und
Hauptdarsteller Mark O’Halloran liebt Beckett so sehr wie sein Regisseur
Laurel & Hardy. Was anfangs noch wie eine dieser standardmäßigen, nur etwas
ins Extrem getriebenen Filme über zwei Slacker wirken mag, kriegt relativ
bald Tiefe, zeigt eine ziemlich bittere Seite. Der Tod ist in ADAM & PAUL
nie fern.
Komik hat immer was mit Verletzung zu tun, lustig ist immer das Elend
anderer, so lange es in eine sichere Distanz gerückt wird. Wie der Stan
Laurel-Vertreter (Tom Murphy) der beiden – welcher nun Adam und welcher Paul
ist, lässt sich den ganzen Film über nicht ausmachen – im Verlauf des Films
zunehmend ramponiert wird, sich erst das Bein, dann die Hand, dann die Nase
schrottet, das ist ein Slapstick-Running-Gag. Aber grade im Emotionalen gibt
es Verletzungen in diesem Film, die tuen wirklich weh. Wenn man am wenigsten
damit rechnet, dann wird der Film plötzlich ganz zärtlich, zaubert ein paar
Sekunden Utopie hin mit Adam, Paul, der Witwe eines Kumpels und ihrem Baby.
Dann stellt er gleich danach unser Mitgefühl mit den beiden, das wir ihnen
bei einem heillos unbeholfenen Ladendiebstahl-Versuch gerne entgegenbringen,
auf eine harte Probe: Geld muss her, egal wie, von Stärkeren schaffen es
Adam und Paul nicht, es sich zu holen, und Schwächere gibt es nicht viele –
sie versuchen, einen Jungen mit Down-Syndrom auszurauben, der an der
Bushaltestelle wartet. Freilich klappt nicht mal das, der Bub hat kein Geld
dabei.
Nicht jeder Ton in ADAM & PAUL sitzt perfekt, während Tom Murphy ziemlich
brillant ist, merkt man Mark O’Halloran manchmal in mikrospkopischen Details
doch noch an, dass alles bloß Schauspiel ist. Manchen Episoden, gerade zu
Beginn, haftet ein Rest der Gewolltheit, des Gags um des Gags willen an.
Aber wann immer es wirklich heikel wird, wie in der Szene mit dem
behinderten Jungen, dann leistet der Film sich keinen Fehltritt. Dieser
gelungene Balanceakt auf rasiermesserscharfen Klingen ist es, der ADAM &
PAUL letztlich groß macht. Er schafft es, über den Weg des Humors eine
zögerliche Liebe zu entwickeln für Charaktere, die man unter anderem
Blickwinkel nur widerlich fände. Ihm gelingt Mitgefühl – nicht Mitleid. Er
hält sich fern von “Problemfilm”-Klischees wie von der Coolness eines
TRAINSPOTTING. Und er kriegt das hin, ohne romantisch zu verharmlosen.
Am Ende wird ADAM & PAUL verdammt bitter. Ohne zuviel zu verraten: Da macht
er sich keine Illusionen drüber, dass für einen Junkie im Endstadium
irgendwas, und sei es langjährige Freundschaft, mehr zählen könnte als der
begehrte Stoff.
Thomas Willmann
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