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Fillmfest München 2005 07.07.2005
 
 
Drei Portraits, dreimal trauriges Leben
Bildtitel
Townes Van Zandt in BE HERE TO LOVE ME
 
 
 
 

Passion & Poetry - The Ballad of Sam Peckinpah

Kein Mensch konnte sich daran erinnern, wo die verlassene Hacienda liegt, in der Sam Peckinpah damals den Showdown für "The Wild Buch" gedreht hat. Beinahe unvorstellbar. Der Ort, an dem das Western-Genre endgültig exekutiert wurde von einem Maschinengewehr. An einen solchen Ort konnte sich niemand erinnern! Der Regisseur Mike Siegel musste diesen Ort erst wieder aufspüren für seine Dokumentation "Passion & Poetry - The Ballad of Sam Peckinpah". Mit Bildern dieser Hacienda beginnt Mike Siegels Film und es braucht nur wenige Sekunden, den Wind und den Sand, und man möchte das grandiose Finale von "The Wild Bunch" nochmals sehen: "Let's go!" - "Why not" und die Hölle bricht los.
Mike Siegel erzählt chronologisch die Geschichte vom Aufstieg Peckinpahs zum Star-Regisseur, von seinen Querelen mit den Produzenten und Studios, von seinen Alkoholexzessen und verpassten Deadlines. Jedem Film wird seine Zeit gewidmet. Man sieht Ausschnitte, erfährt über die Produktionsbedingungen und bekommt von ehemaligen Darstellern und Kollegen Geschichten vom Set. In Siegels Darstellung ist klar: Es gab den Guten, den Künstler, das unverstandene Genie, das sich deshalb zu Tode soff und kokste. Und es gab die Bösen, die Produzenten, die miesen Geschäftemacher, die nur auf das Geld schauten und deshalb alles zerstörten, was hätte sein können. Ein Gottesdienst, zweifelsohne, zurecht. Nur am Rande klingt an, was für ein Leuteschinder Peckinpah auch gewesen sein muss, wenn er zum Beispiel wieder mal die halbe Crew grundlos entlassen hat. Siegels Interview-Partner sind gutgelaunt, als würden sie, altersmilde, von der Zeit ihres Lebens berichten. Auffällig ist, wie gerne sich die Hinterbliebenen an den Regisseur erinnern, auch wenn er schon mal mit Messern nach ihnen warf. Beinahe alle verweisen auf den netten Kerl hinter dem spröden und ruppigen Getue. Ernest Borgnine lacht sich kaputt, weil damals alles so wild und ungezogen war und ein paar Mexikaner beim Dreh für "Wild Bunch", wohl zu pflichtversessen, mit echter Munition herumgeschossen haben. Senta Berger erzählt, wie gern sie den großen Sam doch hatte und Kris Kristofferson spielt einige herzzerreißende Songs auf seiner Gitarre: Balladen vom Regie-Outlaw und seinem Kampf gegen alles und jeden.
Wie sehr Peckinpah von den ewigen Streitigkeiten, von Alkohol und Kokain zerstört gewesen sein muss, zeigen Bilder von einem Videodreh für Julian Lennon, kurz vor Peckinpahs Tod. Ein steinalter Mann, der erst 58 Jahre alt war, wirkt verloren und versucht ein paar kleine Scherze. Noch ein letztes Mal Arbeit, nachdem er bereits zwischen "Convoy" (1977) und "The Ostermann Weekend" (1983) fünf Jahre auf ein neues Engangement warten musste und dann doch nur ein mittelmäßiger Film gelang. Wenige Wochen nach den Aufnahmen für Julian Lennon starb Peckinpah an einem Herzinfarkt. Eine bittere Geschichte der Selbstzerstörung, die wahrscheinlich schon angefangen hatte, bevor Peckinpah überhaupt seinen beruflichen Höhepunkt in den frühen Siebzigerjahren erreichte. Als "Major Dundee" vom Produzenten verhackstückt und Peckinpah nach vier Tagen als Regisseur von "The Cincinnati Kid" gefeuert wurde.

Be Here To Love Me - A Film About Townes Van Zandt

Auch "Be Here To Love Me - A Film About Townes Van Zandt" von Margaret Brown erzählt die Geschichte eines Scheiterns. Wirklich Erfolg hatte der Country-Sänger Townes van Zandt in seinem Leben allerdings kaum, auch wenn er in Insider-Kreisen als einer der größten Songwriter aller Zeiten galt. Die meiste Zeit seines Lebens spielte er in kleinen Bars in Texas. Im Mittelpunkt von Browns Film steht einer der bekanntesten Songs von Townes van Zandt: "Waitin' Around To Die", der plakativ beschreibt, wie der Sänger sein Leben über die Runden gebracht hat: "Sometimes I don't know where/ This dirty road is taking me/ Sometimes I can't even see the reason why/ I guess I keep a-gamblin'/Lots of booze and lots of ramblin'/ It's easier than just waitin' around to die" Solche Texte, vorgetragen in van Zandts tiefer, trauriger Stimme, dazu Bilder von verregneten Straßen und leuchtenden Motel-Schildern - schon alleine damit könnte man einen abendfüllenden Film drehen, auch wenn das natürlich genau die melancholischen Bilder sind, die van Zandts Musik sowieso schon als Film im Kopf erzeugt. Brown hat eine Menge Interview-Partner vor die Kamera gebracht, Musiker-Kollegen, Verwandte, Lebensgefährtinnen, die versuchen, das unglückliche Leben des Musikers zu erklären und immer wieder auf dessen manisch-depressive Veranlagung zurückkommen. Am meisten berührt der Film immer dann, wenn van Zandt selbst zu Wort kommt und mit bitterem Humor versucht, die Tragik des eigenen Lebens wegzulachen. Auf die Frage, warum immer soviel getrunken werde in seinem Leben, zögert er kurz und überlegt, nur um dann zu antworten: Warum nicht? Als ob man nicht weiter fragen darf an diesem wunden Punkt.
Erinnerungen an die Kindheit als Sohn einer reichen Familie aus dem Ölgeschäft, depressive Jugend, Aufenthalt in der Psychiatrie, die schwere Entscheidung, es zu versuchen als Sänger on the road, Alokohol, Drogen und seine Starrköpfigkeit, sich keinesfalls verkaufen zu wollen, Nur auf den Song käme es an. Brown gelingt es, ihre verschiedenen Dokumente in einem ruhigen, fesselnden Rhythmus zu präsentieren und ein trauriges Bild zu zeichnen, von einem Künstler, der seine Biografie und sein Unglück konsequent dazu verwendet hat, unsterblich schöne Lieder zu schreiben und trotz allen Kämpfen nicht mit sich und der Welt zurecht kam. Als man ihn dann bei einem Auftritt an einem dieser entseelten Glitzerorte sieht und er so etwas wie den Faschingscowboy für eine Butterfahrt spielt, kann man sich die Verzweiflung vorstellen, mit der sich Townes auf das Angebot eines Sonic Youth-Mitglieds gestürzt haben muss, eine neue, vernünftige Platte aufzunehmen. Trotz gebrochener Hüfte und unbändigen Schmerzen, die er mit Alkohol vergessen wollte, versuchte er, seine Lieder einzuspielen. Es musste scheitern. Wenig später starb Townes van Zandt, dem mit diesem Film eine schöne und liebevolle Hommage gewidmet wurde.

Ring of Fire - The Emile Griffith Story

24. März 1962. Es ist der Tag, der die großartige Karriere des Boxers Emile Griffith trotz seiner zahlreichen Weltmeister-Titel immer überdecken wird. Und es sind die Bilder dieses Tages, die man nach "Ring of Fire - The Emile Griffith-Story" von Ron Berger und Dan Klores als Zuschauer so schnell nicht wieder los wird: In der zwölften Runde des Weltmeisterschaftskampfes im Weltergewicht drängt Griffith seinen Gegner Benny "Kid" Paret in die Ringecke und tötet ihn mit über 20 Schlägen, die in weniger als fünf Sekunden ungebremst Parets Kopf treffen. Diese Fehleinschätzung der Situation und das Verhalten aller Protagonisten sind eines der schrecklichsten und entlarvensten Bilddokumente des modernen Sports. Man führte munter Interviews und gratulierte dem Sieger, die Halle tobte - während ein Mensch am Sterben war.
Die Regisseure Ron Berger und Dan Klores erläutern in zahlreichen Zeitdokumenten die gesellschaftlichen Vorbedingungen des Kampfes und die Reaktionen darauf. Sie zeichnen das Leben von Griffith nach, der 1932 auf den Jungferninseln geboren und 1958 Profiboxer wurde. Zeitzeugen kommen zu Wort, Boxexperten erklären die Zusammenhänge im Profigeschäft der damaligen Zeit. Als die Katastrophe bekannt wurde, war die Empörung groß, man überbat sich im Gut-Mensch-Sein und das amerikanische Fernsehen übertrug bis 1970 keinen Kampf mehr live. Dabei musste allen auch vorher klar gewesen sein, wie der Boxsport damals strukturiert war: Arme, oft Einwanderer, schlugen sich zum Vergnügen der Mittel- und Oberschicht in der Hoffnung, gesellschaftlich aufzusteigen. Die Gesundheit und die Sicherheit der Boxer spielte da immer wenig Rolle, es ging ums Spektakel. Doch nach dem Unglück wurde abgewälzt: Die bösen Buben, das waren die Boxer und ihr perverser Sport. Die Medien stürzten sich auf das Unglück, die Bilder von Parets KO wurden wieder und wieder gezeigt, nie ohne den Hinweis, wie grausam und verdammenswert das doch sei. Zum Glück von Griffith wurde eine Sache jedoch kaum thematisiert: In den Wochen vor dem Kampf versuchte Paret, die Homosexualität seines Kontrahenten für seine Zwecke zu instrumentalisieren und über ihn in der Öffentlichkeit zu spotten, was damals für einen schwarzen Profiboxer mit ziemlicher Sicherheit das berufliche Todesurteil bedeutet hätte und auch heute noch problematisch wäre. Vielleicht erklärt das die wütenden Schläge von Griffith. 1992 wurde Emile Griffith nach dem Besuch einer Schwulenbar zusammengeschlagen. Seitdem ist er ein Pflegefall.
In Interviews beschreibt Griffith, aufgrund seiner Behinderung um seine Worte ringend, die Albträume, die er seit jenem Tag durchleidet, sein schlechtes Gewissen und seine Was-wäre-gewesen-wenn-Gedanken. Seine Karriere hat er trotz des Unglücks fortgesetzt und weitere Weltmeister-Titel gewonnen. Am liebsten hätte er damals sofort aufgehört, meinte er einmal in einem Interview, aber er könne doch nichts anderes außer Boxen. Als Höhepunkt des Films haben die Regisseure ein Treffen Griffiths mit Parets Sohn vereinbart. Griffith ist so überwältigt davon, dass er sich in Tränen an den Sohn seines damaligen Gegners klammert, unfähig zu sprechen. Man freut sich für Griffith und hofft für ihn, dass seine Seelenqualen danach weniger werden. Doch ein ungutes Gefühl bleibt - wie immer, wenn solche Szenen für die Medien arrangiert sind. Man erkennt dieses Unbehagen auch im Blick von Parets Sohn. Aus dem Augenwinkel heraus sucht er immer wieder die Kamera, als ob er nicht wüsste, wie er sich mediengerecht verhalten solle.

Karl Hafner

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