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Passion & Poetry - The Ballad of Sam Peckinpah
Kein Mensch konnte sich daran erinnern, wo die verlassene
Hacienda liegt, in der Sam Peckinpah damals den Showdown für
"The Wild Buch" gedreht hat. Beinahe unvorstellbar.
Der Ort, an dem das Western-Genre endgültig exekutiert
wurde von einem Maschinengewehr. An einen solchen Ort konnte
sich niemand erinnern! Der Regisseur Mike Siegel musste diesen
Ort erst wieder aufspüren für seine Dokumentation
"Passion & Poetry - The Ballad of Sam Peckinpah".
Mit Bildern dieser Hacienda beginnt Mike Siegels Film und
es braucht nur wenige Sekunden, den Wind und den Sand, und
man möchte das grandiose Finale von "The Wild Bunch"
nochmals sehen: "Let's go!" - "Why not"
und die Hölle bricht los.
Mike Siegel erzählt chronologisch die Geschichte vom
Aufstieg Peckinpahs zum Star-Regisseur, von seinen Querelen
mit den Produzenten und Studios, von seinen Alkoholexzessen
und verpassten Deadlines. Jedem Film wird seine Zeit gewidmet.
Man sieht Ausschnitte, erfährt über die Produktionsbedingungen
und bekommt von ehemaligen Darstellern und Kollegen Geschichten
vom Set. In Siegels Darstellung ist klar: Es gab den Guten,
den Künstler, das unverstandene Genie, das sich deshalb
zu Tode soff und kokste. Und es gab die Bösen, die Produzenten,
die miesen Geschäftemacher, die nur auf das Geld schauten
und deshalb alles zerstörten, was hätte sein können.
Ein Gottesdienst, zweifelsohne, zurecht. Nur am Rande klingt
an, was für ein Leuteschinder Peckinpah auch gewesen
sein muss, wenn er zum Beispiel wieder mal die halbe Crew
grundlos entlassen hat. Siegels Interview-Partner sind gutgelaunt,
als würden sie, altersmilde, von der Zeit ihres Lebens
berichten. Auffällig ist, wie gerne sich die Hinterbliebenen
an den Regisseur erinnern, auch wenn er schon mal mit Messern
nach ihnen warf. Beinahe alle verweisen auf den netten Kerl
hinter dem spröden und ruppigen Getue. Ernest Borgnine
lacht sich kaputt, weil damals alles so wild und ungezogen
war und ein paar Mexikaner beim Dreh für "Wild Bunch",
wohl zu pflichtversessen, mit echter Munition herumgeschossen
haben. Senta Berger erzählt, wie gern sie den großen
Sam doch hatte und Kris Kristofferson spielt einige herzzerreißende
Songs auf seiner Gitarre: Balladen vom Regie-Outlaw und seinem
Kampf gegen alles und jeden.
Wie sehr Peckinpah von den ewigen Streitigkeiten, von Alkohol
und Kokain zerstört gewesen sein muss, zeigen Bilder
von einem Videodreh für Julian Lennon, kurz vor Peckinpahs
Tod. Ein steinalter Mann, der erst 58 Jahre alt war, wirkt
verloren und versucht ein paar kleine Scherze. Noch ein letztes
Mal Arbeit, nachdem er bereits zwischen "Convoy"
(1977) und "The Ostermann Weekend" (1983) fünf
Jahre auf ein neues Engangement warten musste und dann doch
nur ein mittelmäßiger Film gelang. Wenige Wochen
nach den Aufnahmen für Julian Lennon starb Peckinpah
an einem Herzinfarkt. Eine bittere Geschichte der Selbstzerstörung,
die wahrscheinlich schon angefangen hatte, bevor Peckinpah
überhaupt seinen beruflichen Höhepunkt in den frühen
Siebzigerjahren erreichte. Als "Major Dundee" vom
Produzenten verhackstückt und Peckinpah nach vier Tagen
als Regisseur von "The Cincinnati Kid" gefeuert
wurde.
Be Here To Love Me - A Film About Townes Van Zandt
Auch "Be Here To Love Me - A Film About Townes Van Zandt"
von Margaret Brown erzählt die Geschichte eines Scheiterns.
Wirklich Erfolg hatte der Country-Sänger Townes van Zandt
in seinem Leben allerdings kaum, auch wenn er in Insider-Kreisen
als einer der größten Songwriter aller Zeiten galt.
Die meiste Zeit seines Lebens spielte er in kleinen Bars in
Texas. Im Mittelpunkt von Browns Film steht einer der bekanntesten
Songs von Townes van Zandt: "Waitin' Around To Die",
der plakativ beschreibt, wie der Sänger sein Leben über
die Runden gebracht hat: "Sometimes I don't know where/
This dirty road is taking me/ Sometimes I can't even see the
reason why/ I guess I keep a-gamblin'/Lots of booze and lots
of ramblin'/ It's easier than just waitin' around to die"
Solche Texte, vorgetragen in van Zandts tiefer, trauriger
Stimme, dazu Bilder von verregneten Straßen und leuchtenden
Motel-Schildern - schon alleine damit könnte man einen
abendfüllenden Film drehen, auch wenn das natürlich
genau die melancholischen Bilder sind, die van Zandts Musik
sowieso schon als Film im Kopf erzeugt. Brown hat eine Menge
Interview-Partner vor die Kamera gebracht, Musiker-Kollegen,
Verwandte, Lebensgefährtinnen, die versuchen, das unglückliche
Leben des Musikers zu erklären und immer wieder auf dessen
manisch-depressive Veranlagung zurückkommen. Am meisten
berührt der Film immer dann, wenn van Zandt selbst zu
Wort kommt und mit bitterem Humor versucht, die Tragik des
eigenen Lebens wegzulachen. Auf die Frage, warum immer soviel
getrunken werde in seinem Leben, zögert er kurz und überlegt,
nur um dann zu antworten: Warum nicht? Als ob man nicht weiter
fragen darf an diesem wunden Punkt.
Erinnerungen an die Kindheit als Sohn einer reichen Familie
aus dem Ölgeschäft, depressive Jugend, Aufenthalt
in der Psychiatrie, die schwere Entscheidung, es zu versuchen
als Sänger on the road, Alokohol, Drogen und seine Starrköpfigkeit,
sich keinesfalls verkaufen zu wollen, Nur auf den Song käme
es an. Brown gelingt es, ihre verschiedenen Dokumente in einem
ruhigen, fesselnden Rhythmus zu präsentieren und ein
trauriges Bild zu zeichnen, von einem Künstler, der seine
Biografie und sein Unglück konsequent dazu verwendet
hat, unsterblich schöne Lieder zu schreiben und trotz
allen Kämpfen nicht mit sich und der Welt zurecht kam.
Als man ihn dann bei einem Auftritt an einem dieser entseelten
Glitzerorte sieht und er so etwas wie den Faschingscowboy
für eine Butterfahrt spielt, kann man sich die Verzweiflung
vorstellen, mit der sich Townes auf das Angebot eines Sonic
Youth-Mitglieds gestürzt haben muss, eine neue, vernünftige
Platte aufzunehmen. Trotz gebrochener Hüfte und unbändigen
Schmerzen, die er mit Alkohol vergessen wollte, versuchte
er, seine Lieder einzuspielen. Es musste scheitern. Wenig
später starb Townes van Zandt, dem mit diesem Film eine
schöne und liebevolle Hommage gewidmet wurde.
Ring of Fire - The Emile Griffith Story
24. März 1962. Es ist der Tag, der die großartige
Karriere des Boxers Emile Griffith trotz seiner zahlreichen
Weltmeister-Titel immer überdecken wird. Und es sind
die Bilder dieses Tages, die man nach "Ring of Fire -
The Emile Griffith-Story" von Ron Berger und Dan Klores
als Zuschauer so schnell nicht wieder los wird: In der zwölften
Runde des Weltmeisterschaftskampfes im Weltergewicht drängt
Griffith seinen Gegner Benny "Kid" Paret in die
Ringecke und tötet ihn mit über 20 Schlägen,
die in weniger als fünf Sekunden ungebremst Parets Kopf
treffen. Diese Fehleinschätzung der Situation und das
Verhalten aller Protagonisten sind eines der schrecklichsten
und entlarvensten Bilddokumente des modernen Sports. Man führte
munter Interviews und gratulierte dem Sieger, die Halle tobte
- während ein Mensch am Sterben war.
Die Regisseure Ron Berger und Dan Klores erläutern in
zahlreichen Zeitdokumenten die gesellschaftlichen Vorbedingungen
des Kampfes und die Reaktionen darauf. Sie zeichnen das Leben
von Griffith nach, der 1932 auf den Jungferninseln geboren
und 1958 Profiboxer wurde. Zeitzeugen kommen zu Wort, Boxexperten
erklären die Zusammenhänge im Profigeschäft
der damaligen Zeit. Als die Katastrophe bekannt wurde, war
die Empörung groß, man überbat sich im Gut-Mensch-Sein
und das amerikanische Fernsehen übertrug bis 1970 keinen
Kampf mehr live. Dabei musste allen auch vorher klar gewesen
sein, wie der Boxsport damals strukturiert war: Arme, oft
Einwanderer, schlugen sich zum Vergnügen der Mittel-
und Oberschicht in der Hoffnung, gesellschaftlich aufzusteigen.
Die Gesundheit und die Sicherheit der Boxer spielte da immer
wenig Rolle, es ging ums Spektakel. Doch nach dem Unglück
wurde abgewälzt: Die bösen Buben, das waren die
Boxer und ihr perverser Sport. Die Medien stürzten sich
auf das Unglück, die Bilder von Parets KO wurden wieder
und wieder gezeigt, nie ohne den Hinweis, wie grausam und
verdammenswert das doch sei. Zum Glück von Griffith wurde
eine Sache jedoch kaum thematisiert: In den Wochen vor dem
Kampf versuchte Paret, die Homosexualität seines Kontrahenten
für seine Zwecke zu instrumentalisieren und über
ihn in der Öffentlichkeit zu spotten, was damals für
einen schwarzen Profiboxer mit ziemlicher Sicherheit das berufliche
Todesurteil bedeutet hätte und auch heute noch problematisch
wäre. Vielleicht erklärt das die wütenden Schläge
von Griffith. 1992 wurde Emile Griffith nach dem Besuch einer
Schwulenbar zusammengeschlagen. Seitdem ist er ein Pflegefall.
In Interviews beschreibt Griffith, aufgrund seiner Behinderung
um seine Worte ringend, die Albträume, die er seit jenem
Tag durchleidet, sein schlechtes Gewissen und seine Was-wäre-gewesen-wenn-Gedanken.
Seine Karriere hat er trotz des Unglücks fortgesetzt
und weitere Weltmeister-Titel gewonnen. Am liebsten hätte
er damals sofort aufgehört, meinte er einmal in einem
Interview, aber er könne doch nichts anderes außer
Boxen. Als Höhepunkt des Films haben die Regisseure ein
Treffen Griffiths mit Parets Sohn vereinbart. Griffith ist
so überwältigt davon, dass er sich in Tränen
an den Sohn seines damaligen Gegners klammert, unfähig
zu sprechen. Man freut sich für Griffith und hofft für
ihn, dass seine Seelenqualen danach weniger werden. Doch ein
ungutes Gefühl bleibt - wie immer, wenn solche Szenen
für die Medien arrangiert sind. Man erkennt dieses Unbehagen
auch im Blick von Parets Sohn. Aus dem Augenwinkel heraus
sucht er immer wieder die Kamera, als ob er nicht wüsste,
wie er sich mediengerecht verhalten solle.
Karl Hafner
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