Liebe Freunde von artechock,
diesen Sonntag, den 9. April 2006 zeigen wir um 11:30
Uhr im Kino Neues Arena im Rahmen unserer Filmreihe
"artechock präsentiert" den Animationsfilm
"Hair High".
Der Film dreht sich um eines der mythischsten Milieus, die
das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat: die amerikanische
High School. Ort für unzählige Filme, Bücher, Songs. Und es
gehört zu den Freuden von HAIR HIGH, dass er - ähnlich wie
John Waters' CRY BABY - sein Bestes tut, um alle dazugehörigen
Klischees wirklich enzyklopädisch zu vereinen. Von James Deans
REBEL WITHOUT A CAUSE über GREASE bis (ganz besonders!) CARRIE
wird da das ganze essentielle Repertoire abgegrast, gefeiert
und parodiert. Und trotzdem können wir garantieren: So einen
High School-Film hat es noch nicht gegeben! Denn Bill Plympton
legt seiner bekannt surreale und groteske Fantasie und seinem
einzigartigen Animationsstil keine Zügel an, auch wenn er
sie sich in diesem Langfilm ausnahmsweise mal an einer erstaunlich
geradlinigen Geschichte austoben lässt: Eine schön altmodische
(und in manch entscheidenden Momenten zum Glück nur zurückhaltend
ironischen) Schauermär, die einst in den "Gespenster"-Comics
nicht fehl am Platze gewesen wäre.
Cheri und Rod sind das glamouröseste Paar an der High School,
Spud der aussichtslos in Cheri verliebte Loser. Weil er unabsichtlich
Cheris Makellosigkeit minimal beeinträchtigt, muss Spud als
ihr Leibeigener dienen - und siehe da, es regt sich auch bei
ihr ein Gefühl der Zuneigung. Was Rod nicht freut. Weshalb
Spud und Cheri dann bald tot sind. Wonach es aber erst richtig
interessant wird. Das klingt jetzt aber alles noch viel normaler
und braver, als es ist - denn was Plimpton aus diesem bewusst
nostalgischen Handlungsskelett macht, das ist noch mal ganz
was anderes. Da gibt es rausgehustete Eingeweide und erstaunliche
Auswirkungen von Pferdeaphrodisiaka aufs Teenager-Libido.
Da hat's eine veritable Star-Parade bei den Sprechern - u.a.
David & Keith Carradine, Ed Begley, Jr., Beverly D'Angelo
und "Simpsons"-Erfinder Matt Groening. Und nicht zuletzt hat
diese High School-Liebes- und-Geister-Ballade einen Fifties-Style
Rock'n'Roll-Soundtrack, der schon mehr grandiose Rekonstruktion
als treffende Parodie des Genres ist.
HAIR HIGH von Bill Plympton lief letztes Jahr (2005) auf
dem Fantasy Filmfest München. Der Animationsfilmer hat
seine Fangemeinde, ist jedoch außerhalb dieses Zirkels
nur wenigen bekannt, denn - wie gehabt - seine Filme kommen
hier nicht in den regulären Verleih.
In einem Arte-Interview erklärt Plympton seine Arbeitsweise,
hier ein paar Auschnitte davon.
"Ich wollte schon immer ein Trickfilmzeichner werden.
Es ist wirklich wunderbar, dass ich es auch geworden bin.
Angefangen habe ich mit politischen und Witz Cartoons -
für Magazine, alternative Zeitungen, New York Times,
Vanity Fair, Rolling Stone...
Mich haben viele Künstler beeinflusst und ich habe
deren Stil ausgeliehen.
Aber je mehr ich zeichnete, desto mehr änderte sich
der Stil und er wurde zu meinem eigenen Stil. Im Grunde
ist mein Zeichenstil eine Verschmelzung aus verschiedenen
Stilen, vergleichbar mit einem Eintopf: miteinander vermischt
und umgerührt und dann kommt etwas heraus, dass einzigartig
aussieht. "
Für HAIR HIGH stellte Plympton in der Produktionsphase
des Films eine Website online, bestückt mit einer Webcam.
Mittels dieser Animation-Webcam, konnte man ihn dabei beobachten,
wie er an seinem Film arbeitete.
"Die Animation-Webcam oder Anicam hat viel Publicity
erfahren und viele Internet Besucher. (...) Viele in Amerika
glauben, dass heutzutage Trickfilme nur noch mit Computern
gemacht werden. Das stimmt nicht. Es gibt immer noch Leute
wie mich, die ihre Filme altmodisch zeichnen und kolorieren.
Die Anicam erfüllt somit auch eine erzieherische Aufgabe.
Bei komplexen Zeichnungen an denen ich gerade arbeite, schaffe
ich vielleicht 50 Zeichnungen am Tag. Es hängt von
der Szene ab, teilweise schaffe ich 100 bis 200 Zeichnungen
am Tag. "
Die Website kann immer noch besucht werden. Anicam gibt es
jetzt leider nicht mehr: www.hairhigh.com. Und es gibt eine
weitere Seite, die Aufschluss über die unterschiedlichsten
Arbeiten von Bill Plympton gibt: www.plymptoons.com.
Und woher zieht der Meister seine Inspiration?
"Ich lebe in New York und da gibt es viele schräge
Menschen. Einfach beim Herumspazieren sieht man viele sonderbare
Dinge. Zudem habe ich in den sechziger Jahren viele Drogen
genommen : es war wirklich wichtig für mich, um meinen
Geist und die Phantasie zu beflügeln, da man seinem
Unterbewusstsein und Ideen, die plötzlich auftauchen,
mehr vertraut. Man sieht etwas Sonderbares und dein Gehirn
verwandelt es in etwas Neues. Das passiert mir häufig
beim Herumspazieren, wenn ich jemanden mit einer großen
Nase oder einer besonders unordentlichen Frisur sehe. Dann
denke ich darüber nach und mache einen Cartoon daraus."
Seit HAIR HIGH in 2004 hat Bill Plympton noch weitere Kurzfilme,Werbefilme
und Musikvideos animiert. Dazu gehören: THE FAN AND THE
FLOWER , SIGNATURE 2005, HEAR 'EM SAY 2005.
Magali-Ann Thomas
(Quelle: "Bill Plympton über Bill Plympton"
gefunden auf http://www.arte-tv.com/de/film/kurzschluss)
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