Zum achzigsten Geburtstag von Klaus Kinski (18.10.1926 – 23.11.1991) präsentiert artechock DER ROTE RAUSCH, ein aufregendes Kinostück von 1962, das wie ein Vorbote wirkt zum Jungen Deutschen Film. Mit Klaus Kinski in seiner ersten Hauptrolle!
Ein ungewöhnlicher Film über Grenzen, Mauern und eiserne Vorhänge, über die zwischen Ost und West, zwischen scheinbarer Normalität und Wahnsinn, fragilen Träumen und bitterer Wirklichkeit. Ein Psycho-Thriller, ein vielschichtiges Melodram und ein düsterer Heimatfilm.
Der Film spielt größtenteils am Neusiedler See, ganz in der Nähe der österreichisch-ungarischen Grenze. Kinski stellt einen Mann dar, der aus einer Irrenanstalt für Kriminelle entflohen ist. Einen Mann, der gefährlich schwankt zwischen mörderischer Gewalttätigkeit und unerwarteter Zärtlichkeit. Er gibt sich als Flüchtling aus dem Osten aus und kommt als Hilfskraft auf einem großen Bauernhof unter. Dort entwickelt sich eine behutsame, seltsame Freundschaft zwischen dem Psychopathen und der Tochter des Hauses, einer jungen Witwe und Mutter. Das wiederum treibt ihren alten Verehrer, einen tatkräftigen, männlichen Burschen, der von Sieghart Rupp gepielt wird, an den Rand des Wahnsinns.
Selten hat ein Film so treffend die Stimmung in der Provinz der frühen 60er Jahre eingefangen, die Atmosphäre zwischen Jukebox und Spießertum, die Eiseskälte der Gefühle und die kleinen Funken von Hoffnung auf eine andere, bessere, tolerantere Welt.
Die unglaubliche Authentizität des Films rührt nicht nur von der genauen Inszenierung und der beeindruckenden Schwarzweiß-Fotografie her. Sie entsteht hauptsächlich durch einen neuen Schauspiel-Stil der hervorragenden Akteure. Sieghart Rupp, der später als Zollfahnder Kressin zu einem Kultstar avancieren sollte, ist grandios als ein Provinz-Macho zwischen Aggressivität und Verletzbarkeit. Brigitte Grothum in der Rolle der jungen Witwe strahlt eine bestimmte melancholische Sehnsucht aus, die Grenzen überschreiten will.
Und der junge Kinski schließlich ist atemberaubend als existenzialistischer Flüchtling, der die Stunde Null im Kopf hat und unerbittlich von den eigenen Dämonen gejagt wird. Eine nuancenreiche Performance zeigt er, die durchaus zu vergleichen ist mit Peter Lorres Spiel in Fritz Langs M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER. Da sind die weit aufgerissenen Augen und der flackernde Blick, die verstören. Und dann ist da diese wunderbare, zärtlich-durchdringende Stimme, die den Zuschauer berührt, ja verzaubert. Bis zu den Werner Herzog-Filmen der 70er Jahre sollte Kinski keine so große und dichte Rolle mehr spielen.
DER ROTE RAUSCH, entstanden nach einem Sensationsroman, ist mehr als nur ein Zeitdokument. Er ist spektakuläres und zugleich subtiles Kino, wie man es dem deutschen Film, zumal dem der 50er und frühen 60er, gar nicht zugetraut hätte.
Dieses seltene Filmjuwel war 40 Jahre in einer falsch beschrifteten Filmdose in den Archiven von Leo Kirch verschollen. Erst 2002 kam es zu einer Wiederaufführung in zwei Berliner Kinos. Artechock hat den Film für seine Sonntagsmatinee am 5. November im Kino Neues Arena (Hans-Sachs-Straße 7, 80469 München,
Tel.: 260 32 65, Beginn: 11:30 Uhr, Eintritt: 6 Euro) ausgewählt. Wie immer mit einer kleinen Einführung und einem ungezwungenen Foyergespräch bei Speis und Trank.
Die Artechock-Redaktion
Mit freundlicher Unterstützung der
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