KINO MÜNCHEN FILM AKTUELL ARCHIV FORUM LINKS SITEMAP
Berlinale 2006 09.02.2006
 
 
Hedonistisches Prinzip
Die Berlinale-Retrospektive sucht und findet die Traumfrauen der 50er.
WHERE THE TRUTH LIES

Traumfrau: Audry Hepburn in
FRÜHSTÜCK BEI TIFFANY

 
 
 
 

Audrey Hepburn, Grace Kelly oder Brigitte Bardot? Elizabeth Taylor, Doris Day oder Deborah Kerr? Sophia Loren oder Anna Magnani? Hildegard Knef, Harriet Andersson oder Ingrid Bergman - allein diese, sehr unvollständige, Liste macht klar: Nie zuvor und nie danach produzierte das Kino so viele, und so verschiedene "Traumfrauen" wie in den 50er Jahren. Im zur ikonischen Traumfrau stilisierten weiblichen Filmstar wurde das Kino zur "Traumfabrik", in ihm bündelten sich die Sehnsüchte, die zu stillen man ins Kino ging, und die auch die des ganzen Zeitalters waren: Überaus widersprüchliche Sehnsüchte übrigens. Man wollte aufbrechen und sich anpassen, heiraten und verführen (bzw. aus Männerperspektive von Doris Day geheiratet und von Sophia Loren ins Bett gezerrt werden); man wollte zukünftige Prinzessin sein wie Grace Kelley und das Mädchen von nebenan wie Audrey Hepburn. Die Gesellschaft wollte Frauen zwischen Liebe und Beruf, als Mütter und Mädchen, weltläufig, aber nicht zu sehr, ein bisschen Nesthäkchen, nur bitte kein Mauerblümchen, irgendwie von allem etwas - es muss manchmal ziemlich anstrengend gewesen sein, in den 50er Jahren eine Frau zu sein.

Was auch immer genau der Grund dafür gewesen sein mag, warum die diesjährige Retrospektive der Berlinale die "Traumfrauen. Stars im Film der fünfziger Jahre" ins Visier nimmt - vielleicht wollte sich Hans-Helmut Prinzler, der scheidende Leiter der Deutschen Kinemathek und Retrospektivenverantwortliche, einfach nur einmal einen privaten Wunsch erfüllen und sich in die eigene Jugend zurückträumen - man freut sich jedenfalls auf die Filme, auch wenn hier kein cineastisches Neuland zu entdecken ist - in dieser Hinsicht haben die Retrospektiven unter Dieter Kosslick deutlich an Bedeutung verloren.

Natürlich werden wir auf all das auch noch wahrend des Festivals und dann im Rückblick nach Ansicht der Filme eingehen. Vorab aber lässt sich immerhin sagen, dass der Reiz dieser Retro in dem liegt, was unter den 46 Filmen, die hier gezeigt werden, vor allem fast vergessen ist. Namen wie Giulietta Masina, Lilli Palmer und Simone Signoret, oder an fast völlig unbekannte wie Françoise Arnoul und die früh verstorbene Gertrud Kückelmann. Hinzu kommt die Aufmerksamkeit auf Filme aus der DDR, wo in Folge des 17. Juni 1953 kaum mehr westliche Darsteller arbeiteten, die DEFA aber eine Weile bessere Filme machte als Westdeutschland. Asien ist leider wieder stark unterrepräsentiert, aber das trifft natürlich andererseits die Wahrnehmung der 50er, wo man zwar Filme von Akira Kurusawa oder Satyajit Ray feierte, aber ihre Darsteller nicht zur Kenntnis nahm.
Sehr empfehlenswert ist der Katalog und das gleichzeitig erschienene Filmheft, das zu jedem der 46 Retrospektiven-Filme zeitgenössische Kritiken nachgedruckt. Diese Rezensionen bieten einen Querschnitt der Filmkritik der 50er-Jahre mit namhaften Autoren: Gunter Groll, Karl Korn, Karena Niehoff, Ulrich Gregor und Enno Patalas. Und man kann sich zurückträumen in eine Zeit in der alles vielleicht von heute aus betrachtet, ungemein bieder war, aber auch so wunderschön kompliziert, wie Heike-Melba Fendel mit Blick auf Melina Mercouri schreibt: "Sie konnte nicht alt werden, weil sie nie jung war; sie war so leicht zu haben, weil sie nicht zu halten war; … sie meinte es ernst, wenn sie sagte, dass es nicht ernst ist."

Und in der Stilikonen wie Brigitte Bardot nicht nur das Kino revolutionierten, sondern - als "hedonistisches Prinzip" - das Lebensgefühl. "BB verkörperte etwas, das einfach allen zustand." schreibt Anke Leweke im Katalog. Was folgte, war die Kulturrevolution der 60er. Da sage noch einer, das Kino sei zu nicht gut.


Gabriele Jatho und Hans Helmut Prinzler (Hg.): "Traumfrauen. Stars im Film der fünfziger Jahre"; Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2006

Rüdiger Suchsland

  top
   
 
 
[KINO MÜNCHEN] [FILM AKTUELL] [ARCHIV] [FORUM] [LINKS] [SITEMAP] [HOME]