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13.04.2006
 
 
       
artechocks kleines Bestiarium der Kinogeher
Folge 1: Der Gestörte
     
 
 
 
 

Lang ist die Liste der Menschen, die unseren Kinobesuch stören können. Schwätzer, Raschler, Rempler gehören zu den verbreitetsten. Bedeutend seltener, dafür aber um so bizarrer ist der Gestörte.

So unangenehm wie sie sind, so unvermeidbar sind Kinostörer. Da eine direkte Konfrontationen mit ihnen oft sehr unschön abläuft, gilt für den Filmfreund als oberste Maxime Vermeidung und Umgehung. Darüber hinaus hilft vor allem ein ordentliches Maß an Indolenz, um nicht zu sehr vom Filmgenuss abgelenkt zu werden.

Während also der durchschnittliche Zuschauer im Fall einer Störung wahlweise still in sich hinein leidet, gleichgültig darüber hinweggeht oder konkrete Maßnahmen zur Beendigung der Störung in Angriff nimmt, kann der Gestörte nur ("nur" im doppelten Wortsinn) eines tun; er fühlt sich gestört. Sein Gestörtsein bringt er dabei durch mannigfache Aktivitäten zum Ausdruck.

Im Minutentakt dreht er sich etwa nach dem Störer um und wirft ihm bitterböse Blicke zu. Der Effekt solch tödlicher Blicke ist in einem dunklen Kino naturgemäß äußerst gering.

Ist der Gestörte in Begleitung, wird auf diese intensiv eingeredet, wobei unklar bleibt, ob hier Abhilfe oder Zuspruch erwartet wird. Das Fehlen einer Begleitung ist für den Gestörten dabei kein Hinderungsgrund, seiner Empörung wortreich Luft zu machen. Gegebenenfalls versucht er sich kurzfristig mit ihm fremden Sitznachbarn zu verbünden.

Die bevorzugte Stimmlage des Gestörten ist dabei das Halblaute und seine Empörung ist nie an eine konkrete Person (wie den Störer) adressiert. Ein halblaut in den Raum gesprochenes "Also eine solche Frechheit!" weißt somit untrüglich auf einen Gestörten hin.

Schließlich erfasst den Gestörten eine sonderbare Unruhe, worauf er beginnt, unablässig seine Sitzposition zu ändern, aus unersichtlichen Gründen in seinen Taschen zu wühlen und er versucht schließlich sich gegen die störenden Einflüsse durch Kleidungsstücke oder sonstige Utensilien abzuschirmen.

In der Summe führt dieses Verhalten des Gestörten dazu, dass er zu einem größeren Störer wird, als derjenige, von dem die ursprüngliche Störung ausging.

Unter allen Umständen sollte man vermeiden, einen Gestörten in diesem Zustand darum zu bitten, doch etwas ruhiger zu sein. Die Reaktion des Gestörten könnte überaus heftig ausfallen.

Zum Glück trifft man den Gestörte verhältnismäßig selten an, so dass das Zusammentreffen zweier Gestörter extrem unwahrscheinlich ist. Welchen dramatischen Teufelskreis ein solches Treffen in Kraft setzen würde, lässt sich unschwer ausmalen.

Michael Haberlander

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