Lang ist die Liste der Menschen, die unseren Kinobesuch stören
können. Schwätzer, Raschler, Rempler gehören
zu den verbreitetsten. Bedeutend seltener, dafür aber
um so bizarrer ist der Gestörte.
So unangenehm wie sie sind, so unvermeidbar sind Kinostörer.
Da eine direkte Konfrontationen mit ihnen oft sehr unschön
abläuft, gilt für den Filmfreund als oberste Maxime
Vermeidung und Umgehung. Darüber hinaus hilft vor allem
ein ordentliches Maß an Indolenz, um nicht zu sehr vom
Filmgenuss abgelenkt zu werden.
Während also der durchschnittliche Zuschauer im Fall
einer Störung wahlweise still in sich hinein leidet,
gleichgültig darüber hinweggeht oder konkrete Maßnahmen
zur Beendigung der Störung in Angriff nimmt, kann der
Gestörte nur ("nur" im doppelten Wortsinn)
eines tun; er fühlt sich gestört. Sein Gestörtsein
bringt er dabei durch mannigfache Aktivitäten zum Ausdruck.
Im Minutentakt dreht er sich etwa nach dem Störer um
und wirft ihm bitterböse Blicke zu. Der Effekt solch
tödlicher Blicke ist in einem dunklen Kino naturgemäß
äußerst gering.
Ist der Gestörte in Begleitung, wird auf diese intensiv
eingeredet, wobei unklar bleibt, ob hier Abhilfe oder Zuspruch
erwartet wird.
Das Fehlen einer Begleitung ist für den Gestörten
dabei kein Hinderungsgrund, seiner Empörung wortreich
Luft zu machen. Gegebenenfalls versucht er sich kurzfristig
mit ihm fremden Sitznachbarn zu verbünden.
Die bevorzugte Stimmlage des Gestörten ist dabei das
Halblaute und seine Empörung ist nie an eine konkrete
Person (wie den Störer) adressiert. Ein halblaut in den
Raum gesprochenes "Also eine solche Frechheit!"
weißt somit untrüglich auf einen Gestörten
hin.
Schließlich erfasst den Gestörten eine sonderbare
Unruhe, worauf er beginnt, unablässig seine Sitzposition
zu ändern, aus unersichtlichen Gründen in seinen
Taschen zu wühlen und er versucht schließlich sich
gegen die störenden Einflüsse durch Kleidungsstücke
oder sonstige Utensilien abzuschirmen.
In der Summe führt dieses Verhalten des Gestörten
dazu, dass er zu einem größeren Störer wird,
als derjenige, von dem die ursprüngliche Störung
ausging.
Unter allen Umständen sollte man vermeiden, einen Gestörten
in diesem Zustand darum zu bitten, doch etwas ruhiger zu sein.
Die Reaktion des Gestörten könnte überaus heftig
ausfallen.
Zum Glück trifft man den Gestörte verhältnismäßig
selten an, so dass das Zusammentreffen zweier Gestörter
extrem unwahrscheinlich ist. Welchen dramatischen Teufelskreis
ein solches Treffen in Kraft setzen würde, lässt
sich unschwer ausmalen.
Michael Haberlander
|