Eine Kinobesuch ist in erster Linie ein visuelles und akustisches Erlebnis. Machen wir während eines Films jedoch (unerwünschte) körperlich-haptische Erfahrungen, ist meist ein Rüttler dafür verantwortlich.
Gemeinsam ist allen Rüttlern, dass sie die Rückenlehne ihres Vordermanns regelmäßig in deutliche Schwingung versetzen. Naturgemäß übertragen sich diese Schwingungen auch auf die Person, die ganz unbedarft Halt und Ruhe in diesem Kinosessel sucht. Die Wikipedische Erklärung einer Schwingung, als "Verlauf einer Zustandsänderung, wenn ein System auf Grund einer Störung aus dem Gleichgewicht gebracht und durch eine rücktreibende Kraft wieder in Richtung des Ausgangszustandes gezwungen wird", ist hier ganz unmittelbar zu beobachten.
Die Familie des Rüttlers gliedert sich dabei in vier große Gruppen.
1. Dem Ungelenken Rüttler, welcher unter einem tragisch gestörten Körpergefühl leidet. Diese Störung führt dazu, dass er die Ausmaße seines Körpers nicht in ein korrektes Verhältnis zu seiner Umwelt setzen kann, weshalb beide (Körper und Umwelt) laufend kollidieren.
Im Kino macht sich dies bemerkbar, wenn der Rüttler seine Sitzposition wechselt und dabei z.B. versucht, die Beine übereinander zu schlagen.
Die Fehleinschätzung zwischen Fußraum und Beinlänge hat meist einen Volltreffer der Rückenlehne und somit einen munter wackelnden Vordermann zur Folge.
2. Der Gespreizte Rüttler ist ebenfalls beim Wechsel seiner Sitzposition zu erkennen, was jedoch nicht an seinem Körpergefühl, sondern an seiner Sitzhaltung liegt.
Auf der Suche nach der für ihn perfekten Sitzposition rutscht der Gespreizte Rüttler tief in seinen Sitz. Um in dieser Position trotzdem Halt zu finden, spreizt er sich mit seinen Knien in die vor ihm liegende Rückenlehne (was der Vordermann je nach Qualität der Sessel bereits jetzt zu spüren bekommt).
Durch dieses Einspreizen entsteht eine nicht unerhebliche Spannung, die schlagartig nachlässt, wenn der Rüttler seine Sitzposition wechselt. Dieser akute Spannungsabfall lässt sich durch ruckartiges Zurückschnellen der Rückenlehne incl. Kinobesucher nachweisen.
Während die beiden eben genannten Arten eindrucksvoll vor Augen führen, wie erstaunlich oft ein Mensch während eines Films seine Sitzposition wechselt, verdeutlicht die nächste Art, wie häufig wir im Kino Musik hören, ohne dies bewusst wahrzunehmen.
3. Der Wippende Rüttler ist musikalisch noch nicht so abgestumpft wie viele andere, weshalb ihn jede schmissige Melodie, jeder verführerische Rhythmus der von der Leinwand tönt, geradezu körperlich packt und zu hemmungslosen Mitwippen zwingt. Hat er dabei seinen Fuß an der Rücklehne seines Vordermanns angelegt, "swingt" auch dieser (meist unfreiwillig) mit.
Sind Schwingungen in der Rückenlehne schon grundsätzlich äußerst ärgerlich für den Leidtragenden, so gelingt dem Wippenden Rüttler manchmal noch eine Steigerung der Störung, wenn er aufgrund eines fehlenden Rhythmusgefühls mit seinen Füßen einen anderen Takt vorgibt, als den der zu hörenden Musik.
Im falschen Takt unfreiwillig geschaukelt zu werden, läst selbst geduldige Kinogehern die Facon verlieren.
Bleibt schließlich noch:
4. Der Emotionelle Rüttler, welcher die unterschiedlichsten Gefühlsregungen wie Langeweile, Ärger, Nervosität oder Freude einheitlich durch die hektische Vibration seiner Füße ausdrückt. Berühren diese Füße eine Rückenlehne, kommt es einmal mehr zum mehrfach beschriebenen Effekt.
Dass dem Rüttler dabei selten bewusst wird, wie nervtötend sein Verhalten auf andere wirkt, hat drei mögliche Gründe.
Entweder ein Mangel an physikalisch-mechanischem Verständnis ("Wie kann sich die Bewegung meines Fußes auf meinen Vordermann auswirken?") oder ein Mangel an menschlichem Mitgefühl ("Mir doch egal, ob der Typ vor mir wackelt oder nicht") oder Blutsverwandtschaft zu Damien Thorn aus dem Film DAS OMEN.
Michael Haberlander |