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Venedig 2006 07.09.2006
 
 
Tagebuchnotitzen, 4. Folge
Schneewittchen und die sieben Huren
WHERE THE TRUTH LIES
Kein Film, den man im Flugzeug zeigen kann: INLAND EMPIRE von David Lynch
 
 
 
 

Weiterhin Lust am Untergang, Arbeit fürs Dechiffriersyndikat, Gewalt gegen Frauen bei David Lynch, Marco Müllers großer Bluff, Buh-Konzerte und das allmähliche Aussuppen des Festivals

Ganz ruhig liegt in der Nacht das Wasser der Lagune, aber das ist die Ruhe vor dem Sturm. Lagune - das Wort allein läßt vor dem geistigen Auge schon schwefelige Dämpfe aufsteigen. Über der nächtlichen Kulisse ein rotorangener Vollmond. Das könnte schon eine Inszenierung von David Lynch sein, der heute hier mit seinem langerwarteten Film INLAND EMPIRE seinen Auftritt hat.

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"Vielleicht wird das ein esoterischer Schmarrn?" befürchteten nicht wenige in den letzten Tagen. Schließlich macht Regielegende Lynch neuerdings nicht mehr nur durch seine Filme von sich reden, sondern auch durch bizarre Auftritte zugunsten der pseudoreligiös-esoterischen Sekte "Foundation for Consciousness-Based Education and World Peace", die unter anderem daran glaubt, dass Menschen durch Meditation im Yoga-Sitz fliegen können.

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Das liegt auch an den schlechten Erfahrungen mit Darren Aronfskys THE FOUNTAIN, der bisher größten Peinlichkeit im Wettbewerb. Schon der erste Satz im Presseheft hätte warnen können (aber wir lesen ja Pressehefte nicht vorher). Er fragte in Ton und Stil eines Schulaufsatzes "What if we could live forever?" Trotzdem ist das Thema nicht das Problem, sondern der Stil. Zwar handelt THE FOUNTAIN von der Frage des ewigen Lebens, aber darüber hat zum Beispiel auch Simone de Beauvoir einst einen tollen Roman geschrieben, warum also nicht? Ein Conquistador sucht im Auftrag er spanischen Königin Isabella I. und mit dem Segen eines Franziskanermönchs den biblischen Baum des ewigen Lebens. Maya-Mystik und Christen-Kitsch verschmelzen in der auf drei Zeitebenen- und mindestens vier Dimensionen erzählten Story, doch wenn das wenigstens geschmackvoll inszeniert wäre, hätte es vielleicht sogar ein schön psychodelisch durchgeknallter Höhepunkt des Festivals werden können. Doch auch wenn man immer wieder mal fürchtet, Aronofsky (so schlecht waren PI und REQUIEM FOR A DREAM doch gar nicht, oder doch?) könnte vielleicht selber glauben, ein Pendant zu der letzten halben Stunde in Kubricks 2001 erschaffen zu haben, ist das Ganze visuell über weiteste Strecken so desaströs und unterirdisch, dass wir uns hier gar nicht aufregen müssen: Der Versuch, Bilder für das Mythische, für Transzendenz zu finden, mündet in kindische und spießige Bilder von erschütternder Banalität. Bei der Pressekonferenz am nächsten Morgen gab es zwar verlogenen Applaus - "Great Film, Mr. Aronofsky" - während der Pressevorführungen zuvor hatte es aber das größte und einhelligste Buh-Konzert gesetzt, das ich in sechs Jahren Venedig erlebt habe.

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Was man allerdings schon gern wüsste, ist, warum zwei Riesenstudios - Warner und Fox - diesen Wahnsinn nicht schon früh gestoppt haben. Wie ist es möglich, dass 75 Millionen Dollar in die Luft geblasen werden? Und warum sagt hier keiner spätestens im Schneideraum: "Maybe Darren, you should think it over again."

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An den letzten Tagen ließ sich am Lido ganz gut beobachten, wie so ein Festival plötzlich den Charakter wechselt, an Spannung verliert und aussuppt. Das hat nichts damit zu tun, dass schon am Montagabend die Festivalhalbzeit erreicht war. Eher liegt es einmal mehr an der Programmierung durch Festivalleiter Marco Müller, die sich in erster Linie als großer Bluff erweist. Alle Komplimente an Müller aus den ersten Tagen müssen wir wieder zurücknehmen. Bis zum Sonntag schien alles klug und fein ausziseliert, öffneten sich Korrespondenzen und Passagen, traten die Filme in Dialog miteinander. Jetzt entpuppt sich: Müller hat einfach die besten Filme an den Anfang gelegt und fürs Ende nur noch wenig Interessantes übrig gelassen. Das Ergebnis: Man spürt, es kommt nichts Entscheidendes mehr, die Luft ist irgendwie schon fast raus, und nachdem man an den ersten sechs Tagen 18 Wettbewerbsfilme ansehen musste, gibt es an den letzten vier Festivaltagen nur noch vier, ergänzt immerhin durch in interessantes Rahmenprogramm.

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Ein junges dunkelhaariges Mädchen sitzt in einer alten Hotelsuite am Rand des Doppelbettes. Eine Träne fließt aus ihrem Auge. Im Fernsehen läuft eine merkwürdige Soap mit drei Figuren im Menschenkostüm und Hasenköpfen. Eine andere Frau, blond und nicht mehr ganz jung, empfängt in der riesigen Eingangshalle ihrer Wohnung eine ältere Frau, offenbar ihre neue Nachbarin. Der Butler bringt Kaffee. Bald wendet sich der belanglose, etwas aufdringliche Smalltalk der Alten ins Unangenehme. Offenbar weiß sie viel zu viel über das Leben ihrer Gastgeberin und ungebeten beginnt sie, dieses zu kommentieren, spricht mit ihrem osteuropäischem Akzent bedrohliche Prophezeihungen aus, eine Hexe möglicherweise.

Zwei rätselhafte Szenen, wie sie für David Lynchs Kino typisch sind: Beklemmend und dabei voller Verführungskraft reißen sie den Betrachter unmittelbar hinein in Lynchville, den privaten, einmaligen Kosmos dieses bahnbrechenden Kinokünstlers, der sein Medium beeinflusst hat, wie nur wenige in den letzten zwei Jahrzehnten. Sie stehen am Anfang von Lynchs neuem Film INLAND EMPIRE, der außer Wettbewerbskonkurrenz uraufgeführt wurde. Zudem hat an den gerade 60jährigen Regisseur für sein Lebenswerk mit einem Goldenen Löwen geehrt.

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INLAND EMPIRE zeigt, wie sich die Blonde im Folgenden zwischen Alptraum und Idylle, Wunsch und Wahn begibt, ein alt gewordenes Schneewittchen, das auf der Flucht vor der bösen Wirklichkeit unter anderem auch bei sieben Huren Trost findet - mit dem dreistündigen, barockem, ebenso schwerblütigen wie faszinierenden, kathartischen, alptraumhaften Trip ins Innere des Kinos, ins Reich seiner Symbole, seiner Phantasmen und seiner Psychoanalyse, bewegt sich Lynch weg von seinen letzten, eher klassisch erzählten Filmen, zurück zu den frühen 90ern, als er mit WILD AT HEART, der TV-Serie "Twin Peaks" und deren Kinofortsetzung FIRE WALK WITH ME auf den Spuren der Gebrüder Grimm wandelte: Eine mehrfach verschlungene Story, die das Doppelgängermotiv mit dem "Film im Film"-Genre zu einem modernen Märchen verknüpft - so poetisch und so brutal wie die Geschichten der Brüder.

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An der Oberfläche erzählt INLAND EMPIRE die Geschichte der mit einem reichen Polen verheirateten Schauspielerin Nikki (Laura Dern). In ihrem neuen Film spielt sie unter einem von Jeremy Irons gespielten Regisseur eine Ehebrecherin, und ihr Göttergatte hat Angst, sie könne auch im echten Leben etwas mit ihrem männlichen Co-Part Devon (Justin Theroux) anfangen. Er bedroht Devon. Zudem sorgt die mysteriöse Vorgeschichte des Falles für zusätzliche Spannung: Der Film ist das Remake eines Scripts dessen frühere Verfilmung durch den Tod der beiden Hauptdarsteller abgebrochen wurde. Ungefähr hier nun vermischen sich diese verschiedenen Ebenen und weitere, immer neu geöffnete, immer mehr. Was Wirklichkeit und was Traum, was Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft ist, wird, wie oft bei Lynch, für den Zuschauer zunehmend ununterscheidbar. Das soll so sein, denn Lynch geht es, das weiß man, nicht um Geschichten im herkömmlichen Sinn. Strukturierende Leitmotive, manchmal nur latent, dann ganz explizit alles durchdringend, sind - auch das gibt es bei Lynch immer - Gewalt gegen Frauen und Angst vor Osteuropäern.

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"Ein Schlag ins Gesicht des Erzählkinos", sagt Kollege Josef Schnelle nicht ohne Pathos nach der Vorführung: "Ein Film fürs Dechiffriersyndikat. Aber gut, oder?" Da hat er recht. Lynchs assoziative Methode benutzt jedenfalls die Mittel des Erzählkinos nur, um es ad absurdum zu führen. Und immer wieder führt er uns das Wesen der Illusion vor Augen, in einer Doppelbewegung zieht er einen hinein und stößt einen zugleich zurück. Wie schon in MULLHOLLAND DRIVE bildet Hollywood die eigentliche Folie, vor deren Hintergrund man den Film zu verstehen hat. Und so öffnet sich der Film zum Reflexionsraum über das Kino, aber er korrespondiert plötzlich auch mit THE BLACK DAHLIA und HOLLYWOODLAND an den ersten Tagen. Wie sie handelt auch INLAND EMPIRE von Kino als Gewaltzusammenhang, von der Gewalt, die durch Mythen produziert werden und von den Mythen der Gewalt. Wie sie entfaltet er Hollywood als Hölle, als Schauplatz innerer Apokalypse. Mehr als einmal ertappte man sich auch in INLAND EMPIRE beim Gedanken an die schrecklichen Todesqualen der Betty Short.

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Einschränkend ist dies aber ein Film, der einen deutlicher als andere Werke von Lynch daran erinnert, dass man, um die Wirklichkeit zu erschüttern, diese erst anerkennen muss. Wie andere postmoderne Filmemacher geht Lynch in die eigene, latent selbstwidersprüchliche Falle: Er will uns zeigen, dass die Welt nicht so ist, wie sie scheint, dass es "Wirklichkeit" im Grunde nicht gibt, dass sie ein Phantasma ist. Aber er kann das nicht tun, wenn er uns Zuschauern schon vorher deutlich (zu deutlich) zu verstehen gibt, dass er an Wirklichkeit nicht glaubt. Wenn das Kino von Anfang an Schein ist, kann es mit der Offenbarung, dass ja alles Schein ist, keinen Eindruck mehr schinden.

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Dass Lynch elf Jahre nach "Dogma" nun auch - vor allem aus Geldnot - die digitale Technik für sich entdeckt hat, ist für den Film allerdings ein starker Nachteil: Es sind häßliche, oft grobkörnige, oft verwaschene Bilder, denen ein großer Teil des visuellen Zaubers und der bildlichen Traumqualität fehlt, der Lynchs Kino immer essentiell war. Man sieht daran, was passieren kann, wenn einer plötzlich digital arbeitet, man spürt, dass für INLAND EMPIRE extrem viel Material gedreht wurde, zu viel, sieht, dass Lynch die Fülle nur schwer zu bändigen und unter Kontrolle zu halten wusste - bei all seinen Qualitäten ist der Film zu lang.
Und er ist zu manieriert, zu sehr bewusst in Bezug auf ein Gesamtwerk inszeniert. Boshaft könnte man sagen, er ist ein bisschen wie Edgar Reitz' HEIMAT FRAGMENTE, die zusammengeklebten Filmschnipsel aus drei HEIMAT-Staffeln. Der ist auch für jeden unverständlich, der HEIMAT nicht kennt. Wie die Fußnoten-Bände einer Werkausgabe, etwas für Fans und für Wissenschaftler. Und leider auch ein bisschen zu eitel: Dem Film ist anzumerken, dass der Regisseur offenbar jeden Schnipsel, jede Szene und jede Idee für so wichtig hält, dass sie der Welt überliefert werden muss.
So schlimm ist es bei Lynch nicht, aber wer viel von Lynch kennt, und nicht das Wohlwollen des Dechiffriersyndikats aufbingt, könnte INLAND EMPIRE auch für eine Lynch-Parodie halten, wer nichts von Lynch kennt, wird hier ganz allein und hilflos gelassen, darin ähnelt der Film mancher Videokunst aus dem Museum, manch moderner Komposition (Lynch verwendet unter anderem Stücke von Penderecki und Lutoslawski) mehr, als allem Kinodurchschnitt. Das ist seine Stärke wie seine Grenze.

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Lynch hat, das ist keine Überraschung, den selbstgesetzten Anspruch, er wolle "keine Filme machen, die man im Flugzeug zeigen kann oder im Fernsehen", wieder erreicht. Was ihm jedenfalls auch gelingt: Von Anfang an entfaltet er einen Sog, eine ganz eigene Aura, der man sich nicht entziehen kann.

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Unterschiedlichen Endzeitszenarien begegnete man auch sonst in vielen Venedig-Filmen: In STILL LIFE stellt der Chinese Jia Zhang-ke zwei Menschen ins Zentrum, die ihre Ehepartner suchen. Doch das ist mehr Vorwand für das eigentliche Thema: Die Errichtung des "Drei-Schluchten-Staudamm" mit ihren umstrittenen Folgen für die Fengjie-Provinz. Jia zeigt in wunderbaren Szenen apokalyptische Bilder von Städten die dem Erdboden gleichgemacht und überflutet werden, Familien die aus Häusern vertrieben werden, die ihnen seit Jahrzehnten gehörten, Untergänge inmitten eines Booms, den die Welt noch nicht gesehen hat. In wunderbaren Bildern gelingt Jia ein ganz eigentümlicher poetische Realismus.

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Hoffentlich ergeht es ihm mit dem politisch hochbrisanten Stoff, der wohl auch aufgrund seines Themas von Festivalseite unter Verschluss gehalten und als "Überraschungsfilm" präsentiert wurde, nicht so, wie seinem Kollegen Lou Ye. Der bekam jetzt für SUMMER PALACE, der in Cannes ohne Zensursiegel uraufgeführt wurde, ein fünfjähriges Drehverbot.

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Endzeitstimmung kommt auch auf, wenn man sich vor dem Lido umsieht: Es macht einen seit De Hadeln und Marco Müller jedes Jahr aufs Neue wieder fassungslos, wie die Italiener ihren größten Trumpf, nämlich den herrlichen Strand und den Blick auf ihn so konsequent zustellen, dass man hier eine Woche lang auf dem Festival zubringen kann, ohne einmal das Meer gesehen zu haben. Aber dass die Italiener ein besonders geschmackvolles Volk seien, dass, erkennt man hier, ist sowieso auch nur ein Gerücht.
Wo sich noch vor fünf Jahren schöner weiter Raum öffnete, stehen nur dicht an dicht Jahrmarktbuden mit überteuerter Pizza und dem Trash der Sponsoren. Dazu die Sicherheitsschleusen mit ihrer Mischung aus Kontrollwahn und Schlamperei - das Gemisch ist zusammengenommen die Karikatur einer Gegenwart aus Kapitalismus und Paranoia.

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Noch eine Enttäuschung: EJFORIJA von Ivan Vyrpaev. Es beginnt schon mit allem, was man mit etwas Festivalerfahrung am ehesten erwartet und am meisten fürchtet in einem russischen Film: Scheißmusik, Elend und Geisteskrankheit. Das erste Bild (!) zeigt nun einen dementen Kahlkopf, offenbar der Dorftrottel, der von der gelangweilten Provinzjugend irgendwo in der Taiga auf ein Motorrad gesetzt wird, mit dem er vorhersehbar schnell vom Weg abkommt. Darunter schwurbeln furchtbare und vor allem laute und ununterbrochene "typisch russische" Akkordeonklänge, die Teile des italienischen Publikum in kürzester Zeit zu rhythmischen Fuß- und Kopfbewegungen verleiteten.
Was folgte, wirkte wie das Werk eines russischen Filmhochschülers, dem man aber dummerweise einen Kamerakran und einen Hubschrauber geschenkt hat. Mit denen rast und fliegt er dann dauernd über gelbe Weizenfelder - völlig sinnlose Einstellungen, die allenfalls Stimmung machen und den Produktion Value erhöhen sollen. Aber keine Frage, dass Menschen das für Filmkunst halten.
Inmitten des gelben Weizen trifft man jedenfalls auf laute und folglich gefühlvolle russische Männer und Frauen in roten Kleidern, die, wenn einer mit ihr redet, partout in die entgegengesetzte Richtung blicken. Und dann folgender Dialog: Er: "Was ist denn mit Dir los? Hat man Dich vergewaltigt?" - Sie: "Nein, ich gerade gerade auf dem Feld den besten Fick meines Lebens." Das muss die russische Seele sein.

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Mit anderen Worten: EJFORIJA ist, wenn man an Konschalowski 2002 zurückdenkt, ein preiswürdiger Film. Man kann hier wunderbar von einer "archaischen russischen Geschichte" stammeln, wenn Hund einem Kind einen Finger abbeißt, der dann in Wodka getaucht wird, und ein Ehegatte seinen Nebenbuhler erschießt, und sich über "wunderbar weite Sommerlandschaften" freuen. Jedenfalls wette ich mit Michael Althen, dass er irgendeinen Preis bekommt, für Kamera vielleicht. Vor drei Tagen hatten wir schon gewettet, dass Cuaron mit CHILDREN OF MAN einen Preis bekommt. Er findet den Film gut, glaubt er sei "zu gut" um von der Jury erkannt zu werden, ich finde ihn so lala und glaube, genau darum passt er.
Preisverdächtig sind Filme vielleicht gerade darum, weil sie nicht so gut sind. Ein Alibi-Löwe für die Filmkunst ist in Venedig zwar immer mit drin, ansonsten zeigt alle Erfahrung, dass die Jurys sich auf gefällige, handwerklich gute Kompromissfilme einigen - wie die von Frears und Cuaron.

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Morgen, heißt es heute, soll der Bootsverkehr Boote streiken. Hoffentlich auch nur so ein Phantasma, ohne die Venedig nicht sein kann.

 

Rüdiger Suchsland

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