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28.06.2008
 
 
     

26. Filmfest München 2008
BOTERO - BORN IN MEDELLIN
Liebliche Leiber

Informationen zum Film

 
Hingucken lohnt sich:
Der monumentale Botero im Portrait
 
 
 
 
 

"Ich komme mit der Kunst zu den Menschen", sagt der adrett gekleidete Herr mit dem gepflegten weißen Bart und den etwas schelmisch dreinblickenden Augen, die sich unter den strengen Augenbrauen verstecken. Dass er bereits fast acht Jahrzehnte auf dem Buckel hat, merkt man seiner geraden Statur gar nicht an und um sein weltweites Renommee macht er auch kein großes Aufheben. Aber der Künstler, den Peter Schamoni in BOTERO – BORN IN MEDELLÌN präsentiert, ist ein Schwergewicht in der Kunstwelt und reiht sich ohne weiteres in das illustre Kabinett Schamonis Filmbiographien ein. Friedensreich Hundertwasser, Max Ernst, Niki de Saint Phalle, Jean Tinguely – sie alle hat er auf seine unaufdringliche Art begleitet und auf die Kinoleinwände gemalt.

Diesmal porträtiert er Fernando Botero (geb. 1932), dessen unverwechselbare Bilder und Plastiken mittlerweile in jeder Metropole der Welt angekommen sind. Die "Botero-Perspektive", die all seinen Schöpfungen ins Gesicht geschrieben steht, ist sein Hang für üppige Leiber, die in markanter Disproportion zu den Augen, Nasen, Mündern stehen. Figurale Malerei, die aber zu grotesk ist, um den Anspruch auf schnöden Realismus zu erheben. Höchstens auf den magischen Realismus, einem Genre unter welchem er wie Gabriel García Márquez gerne subsumiert wird. "In art you paint always the same, but in a different way", hört man ihn in seinem kolumbianischen Akzent sinnieren und gemäß dieser Einstellung bedient sich Botero bei seinen Vorbildern. Die Damen von Ingrés und Rubens erhalten, durch sein Prisma betrachtet, Doppelgängerinnen, die einiges mehr in die Wagschale werfen – mal rein quantitativ betrachtet. Giacometti, Dürer, Velasquez, Courbet, Cezanne, Picasso – niemand wird von Boteros Zerrspiegel verschont. Sogar Mona Lisa erstrahlt auf eine Weise, die die Mundwinkel des Originals unwillkürlich weiter zu den Ohren ziehen.

Botero des Plagierens oder des Zynismus zu bezichtigen könnte man dennoch nur aus Missgunst, denn so respektlos er mit Proportionen auch umgeht, die Beziehung zur eigenen Zunft und zu sich selber ist aufrichtig. Durch seine Kunstwerke möchte er seine "geistige Parallelwelt" mitgeteilt wissen. Seine nudeldicken Dirnen und Hanseln sind, bei aller Erotik ihrer Exuberanz, weit entfernt von Frivolität oder sonst einer fratzenhaften Ästhetik. Ihre Würde mag dem ungewohnten, schnellen Auge verborgen bleiben, doch spätestens bei seinen künstlerischen Stellungnahmen zum Bürgerkrieg, zu den Folterungen in Abu Ghraib entledigt er sich des Vorurteils ein auf dicke Frauen fixierter Karrikaturist zu sein. Es geht Botero darum, die Monumentalität seiner Objekte hervorzuheben, nicht sie dem Verlachen preiszugeben. Seine begehrten schwarzen Bronzeskulpturen, sind daher gerne mal in Großformat. Die Kaiserin von Japan hat sie im Garten stehen, auch Jacques Chirac war bereits Abnehmer einiger Plastiken des unermüdlich arbeitenden Stolz der Paisas, wie die Landsmänner Boteros aus dem Nordwesten Kolumbiens genannt werden. Und er reist mit seinen Werken mit, schüttelt Hände, gibt wohlwollend Autogramme, orchestriert eigenhändig die Installationen, und erzählt ganz unbedarft aus seinem dicken Buch.

Schamoni begleitet ihn als unsichtbarer, lautloser Beobachter auf seiner Reise zu den wichtigsten Stationen seines Lebens, streut hier und da ergänzende Bilder und ältere Aufnahmen ein, nimmt uns mit in die Galerien und Museen der großen Städte und lässt dem Maestro stets den Raum, sich frei zu entfalten. BOTERO – BORN IN MEDELLÌN ist ein meisterhaftes Vehikel, das uns erlaubt, ganz nah an Botero heranzutreten.  

Sergej Gordon

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