Zwei dunkle Gestalten rangeln in der schwarzen Nacht miteinander. Glasscherben liegen auf dem Boden, und der Kampf führt die beiden Männer von dem Haus auf die Straße. Der junge Mann, nur mit Boxershorts bekleidet, wird niedergeschlagen und mit einer Spritze betäubt. Dann wird er im Kofferraum eines Autos verstaut, und die Fahrt kann losgehen. Die Australierin Jasmine Yuen-Carrucan lässt ihren ersten Film, ein Roadmovie, in der Tiefe der Nacht beginnen, mit einem dunklen Ereignis. In der Eingangsszene wird man Zeuge, wie ein professioneller Wettspieler Eli (David Lyons) von John Kelly (Travis McMahon) entführt wurde. Dahinter steckt ein anonymer Auftraggeber, der John immerhin einen roten
Ford Fairmont „Bonnie“ zur Verfügung gestellt hat, mit dem er sich auf den Weg durch das karge Outback macht, um seine schwere Ladung gegen 20 000 australische Dollar einzutauschen.
Fortan sind die Bilder fiebrig aufgeladen. Die flimmernde Hitze der australischen Weite lähmt die Körper. Und als würde der Film von dieser zähflüssigen Langsamkeit angesteckt, sind die nachfolgenden Bilder geprägt von Überblendungen. Immer wieder sieht man die Kilometeranzeige des roten Ford, immer wieder wird man so der Weite der Wüste gewahr, die nur durch die geplanten Stationen markiert wird. Sie allein sind Anhaltspunkte im Nirgendwo. Nach jeder Etappe stellt John den Kilometerstand wieder auf Null, als würde die Fahrt jedesmal wieder von vorne beginnen, aber auch in der Hoffnung, dass der Weg, der hinter einem liegt, damit ein für allemal gelöscht wäre, als wäre ein Neuanfang möglich, der vielleicht sogar Glück verspricht.
In der Ödnis der Wüste und der Gleichförmigkeit der Fahrt werden Minimalereignisse zu einem gewaltigen Handlungseinbruch: Ein Zug rast plötzlich wie ein Pfeil durch eine Landschaftsaufnahme und Schüsse kommen aus dem Nichts. Schon längst durfte der gekidnappte Eli den Kofferraum verlassen, und
der Wüstentrip wird nun auf engstem Raum gemeinsam durchlitten. Dabei löst sich die Distanz zwischen den beiden Insassen fortschreitend auf, je weiter sie in die Wüste und in die Geschichte des Anderen eindringen. Der geschlossene und beklemmende Raum des Autos wird für die beiden Männer mehr und mehr zu einem Raum der Sicherheit, der sie vor der Trockenheit und dem lauernden Tod der Wüste schützt. Wie Blut rast der rote Wagen durch die Straßen, den Adern der Wüste. Die Kilometeranzeige bestimmt den Puls.
Doch das rote Auto, das sich so wundervoll von der Einöde absetzt, kann nicht beide Männer retten. Als John unvorhergesehen die geplante Straße verlassen muss und beide Männer aus dem Auto steigen, sind sie dem Gesetz des Outbacks ausgeliefert.
Der Hüter dieses Gesetzes ist Sheriff Rosco (Bryan Brown), der mit einer quasigöttlichen Macht die Wüste beherrscht.
Rosco verfährt nach dem Prinzip "Gleiches mit Gleichem vergelten". So wie die Nikotinpflaster ihn von seiner Nikotinsucht befreien sollen, kann in seinen Augen ein Verbrechen nur durch ein Verbrechen getilgt werden. - Choose the wrong road and you’re...CACTUS-dead, wie es in der Wüste heißt.
Sabine Kues
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