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17.04.1997
 
 
   
 

Hurray for Hollywood
Thomas Willmann in Hollywood - Teil I

   
     
 
 
 
 

Hallo, da bin ich wieder! Nachdem ich mir drei Wochen Urlaub in Los Angeles (und den artechock-Lesern Urlaub von meinen literarischen Elaboraten) gegönnt habe, bin ich nun wieder ins heimische München zurückgekehrt - auch wenn ich angesichts des April-Wetters nicht mehr so recht weiß, warum ich nicht in Kalifornien geblieben bin.

Obwohl meine Reise hauptsächlich den Zweck hatte, Freunde zu besuchenund mich zu erholen, hat mich der Gedanke an unsere verehrte Leserschaft natürlich nicht verlassen, und so habe ich mich auch bemüht, möglichst viele Infos über das aktuelle amerikanische Kinogeschehen zusammenzutragen.(Nur in DEVIL’S OWN und LIAR LIAR konnte mich auch der größte Korrespondenten-Ehrgeiz nicht treiben.)

Die Kinoszene in den USA ist nicht mehr so verschieden von der deutschen, wie sie es vor einiger Zeit noch war. Die großen Verleiher sind immer mehr bemüht, die Starttermine ihrer Filme international gleichzuschalten, damit die Werbekampagnen global und somit kostengünstiger durchzuführen sind. Das bedeutet, daß Amerika mit dem Start der Großproduktionen meist höchstens noch ein paar Wochen Vorsprung hat, und dementsprechend ähnlich sieht sich dann momentan auch das Programmangebot. Die meisten Filmtheater sind in Los Angeles derzeit mit den diversen wiederaufbereiteten Teilen der STAR WARS-Trilogie verstopft. Die zwei großen Vorteile der STAR WARS-Manie waren dabei für mich: a) weniger Filme, die ich anschauen mußte, und somit mehr Zeit zum die Sonne genießen, und b)eine Neuaufführung von HARDWARE WARS, einem Studenten-Kurzfilm von Ende der ‘70er Jahre, der alles ist, was SPACEBALLS gerne sein wollte, nur dreimal so lustig und in einem Zehntel der Zeit.

Dank des STAR WARS-Booms sind nun Wiederauflagen älterer Filme überhaupt groß in Mode gekommen. Bereits zu sehen waren THE GRADUATE (DIE REIFEPRÜFUNG) und THE GODFATHER (DER PATE), angekündigt sind unter anderem JAWS (DER WEISSE HAI) und - merket auf! - PINK FLAMINGOS (mit neuen Szenen!!!). Meist handelt es sich lediglich um neu vom Negativ gezogene Kopien mit leicht aufgemotztem Sound, aber das ist ja durchaus nicht zu verachten, gibt es einem doch Gelegenheit, diese Filme endlich wieder auf einer großen Leinwand in makelloser Qualität zu sehen. Und wenn man sich anschaut, was beispielsweise mit RETURN OF THE JEDI angestellt wurde, so ist man froh darum, daß an den Streifen nicht weiter herumgepfuscht wurde. Besonderes Schmankerl bei THE GODFATHER: der Film lief im berühmten Mann’s Chinese Theater, das im Film auch kurz zu sehen ist - natürlich gab’s da Szenenapplaus.

Wo immer George Lucas’ Weltraumsaga nicht über die Leinwand flimmerte, war mit einiger Sicherheit einer der diversen Oscar Anwärter oder -Gewinner zu sehen. THE ENGLISH PATIENT hält sich nun schon seit Dezember in den Kinos, und FARGO, SECRETS & LIES, SHINE, BREAKING THE WAVES und SLINGBLADE erlebten alle noch einmal neue Aufführungen. So schön es war zu erleben, daß unabhängig produzierte und teils anspruchsvolle Filme endlich auch in Amerika ein größeres Publikum erreichen, so erschreckend war es mitanzusehen, mit welcher Borniertheit teilweise auf den diesjährigen Erfolg der Independents bei den Oscar-Nominierungen reagiert wurde. Da dürfen dann in Talkshows ganze Riegen sogenannte Filmkritiker sich darüber ereifern, daß kein Mensch diese komischen Filme überhaupt gesehen habe, was auch gut sei, da sie ja ohnehin unverständlich, prätentiös und - The Horror! - ohne bekannte Stars seien, und dann dürfen sie JERRY MAGUIRE zum einzigen Kandidaten ausrufen, der den Sieg verdient hätte. Man sollte diese Leute an einen Kinosessel binden und ihnen 763 Mal am Stück INDEPENDENCE DAY vorführen, wenn nicht zu befürchten wäre, daß sie dies nicht einmal als Strafe empfinden würden.

Der relative Mangel an neuen, aufregenden Filmen ist insgesamt jedoch ohnehin typisch für die Zeit kurz nach der Oscar-Verleihung. Das richtige Geschäft geht erst wieder im Sommer los, wenn die nächste Welle der Blockbuster die hitzegeplagten Amerikaner in die klimaanlagengekühlten Kinos treibt, und die Werbung dafür läuft bereits auf vollen Touren. Der Trailer für VOLCANO läßt Hoffnung aufkommen, daß endlich mal einer der zur Zeit bei Produzenten so beliebten Katastrophenfilme auch das Geld für die Eintrittskarte wert ist. Die Vorschau auf BATMAN & ROBIN hingegen hinterläßt zwiespältige Gefühle: PRO - Arnold scheint als Mr. Freeze recht amüsant zu sein (wenn auch lang nicht so gut wie Otto Preminger in der alten Fernsehserie), und Uma spielt Poison Ivy (hubba, hubba); CONTRA - Robin ist wieder dabei („Wofür steht denn das R?" „Rektal!"), Alicia Silverstone sieht als Batgirl geradezu atemberaubend blöd aus, und Joel „Wär’ er doch nur Müllfahrer geworden" Schuhmacher führt wieder Regie (wenn man das bei ihm so nennen kann). Harrison Ford darf in AIRFORCE ONE endlich den amerikanischen Präsidenten mimen (in ein paar Jahren dann in echt?) UND dennoch etliche Terroristen eigenhändig erlegen - whatta man, whatta man, whatta mighty good man! Und schließlich bemüht sich Universal bereits jetzt darum, sicherzustellen daß der JURASSIC PARK Nachfolger THE LOST WORLD erneut alle Kassenrekorde sprengt. Man hat in ausgesuchten Kinos für den ersten (und eigentlich noch recht nichtssagenden) Trailer spezielle Stroboskop-Lichter installiert, die den ahnungslosen Zuschauern gehörige Schrecken einjagen sollen. Damit die Publicity aber auch ja funktioniert, verteilt man vorher Warnungen, die besonders ängstliche oder empfindliche Angehörige des Publikums darum bitten, den Saal vor Beginn des Trailers zu verlassen - was prompt zu zahlreichen Zeitungsartikeln darüber führte, welch billiger Marketingtrick dies sei. Und schon war überall über THE LOST WORLD zu lesen.

Fortsetzung

Thomas Willmann

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